zum Hauptinhalt
Abstimmung ohne Optimismus. Soumaila Cisé tritt für die Opposition an. Er verspricht eine Wende für Mali. Realistisch ist das nicht.
© AFP / Issouf Sanogo

Politik: Malis Angst vor Europa

Das afrikanische Land wählt den Präsidenten. Von der EU zurückgeschickte Flüchtlinge könnten die Lage weiter destabilisieren.

Wenn Europa über Flüchtlinge spricht und über Möglichkeiten, Einwanderung zu begrenzen, wird das auch in Mali gehört. Man fürchtet die Folgen. „Die europäische Politik trägt zur Destabilisierung des Landes bei“, sagt die ehemalige Außenministerin Sy Kadiatou Sow, die seit 2009 die „Allianz für die Demokratie in Mali“ leitet, bei einem Termin der Welthungerhilfe in Berlin.

Der westafrikanische Staat ist Transit- und Herkunftsland und war unlängst mal positiv in den Schlagzeilen, als ein malischer Flüchtling in Paris durch eine waghalsige Kletteraktion ein Kind vom Sturz vom Balkon rettete und dafür von Präsident Emmanuel Macron die Staatsbürgerschaft verliehen bekam. Meist handeln Nachrichten im Zusammenhang mit Mali aber von Gewalt – was vermutlich auch am kommenden Sonntag so sein wird.

Islamisten auf dem Vormarsch

Dann finden Präsidentschaftswahlen statt, Amtsinhaber Ibrahim Boubacar Keita tritt erneut an. Die Bilanz seiner ersten Amtszeit ist dürftig. Mali ist eines der ärmsten Länder der Welt und radiale Islamisten haben in Keitas Amtszeit seit 2013 ihr Einflusgebiet vom wüstenhaften Norden in bevölkerungsreiche Zentrum des Landes ausgeweitet. In Mali – und in manchen Geberländern – herrscht wenig Optimismus. Trotz internationaler Militäreinsätze „und Hunderten Millionen Euro für Malis Regierung und die Sicherheitskräfte verschlechtert sich die Sicherheitslage weiter“, erklärt Mali-Experte Andrew Lebovich vom European Council on Foreign Relations.

Keitas Herausforderer Soumaila Cissé verspricht den Wählern Wandel und Erneuerung. Der 68-Jährige hatte sich bereits zwei Mal vergebens um das höchste Staatsamt bemüht. Der Chef der größten Oppositionspartei wird kaum als Hoffnungsträger gesehen; auch er hat kein Patentrezept zur Befriedung des Landes. Doch viele Wähler sind von Keïta so enttäuscht, dass sie sich nach einem Wechsel sehnen.

Sy Kadiatou Sow jagt der Wahltermin Angst ein: „Ich befürchte nichts Gutes“, sagt sie. Das liegt weniger an Wahlkampf oder politischen Programmen, als daran, dass das Land unter dem anhaltenden Terror in die Knie geht. Kreise und Gemeinden würden sich allmählich auflösen, vor allem in den nördlichen und mittleren Landesteilen, und Islamisten oder gewöhnliche Milizen würden dort übernehmen. Nur in einem Drittel des Landes könne die Wahl regulär durchgeführt werden, schätzt Sy Kadiatou Sow. In den anderen zwei Dritteln sei die Lage so: Wer immer aktiv werde, riskiere, von den Terroristen ermordet zu werden.

Ein Land, das nicht zur Ruhe kommt

Die Konsequenz: Lehrer trauen sich nicht mehr zur Arbeit, 750 Schulen wurden bereits geschlossen, Bauern geben auf, Präfekten werden ermordet. Von ihrem Staat fühlen die Bürger jener Gegenden sich schon längst nicht mehr geschützt. Wenn in diese prekäre Situation nun noch zusätzliche Flüchtlinge zurückkämen, die Europa nicht haben will, werde das die negativen Entwicklungen beschleunigen, fürchtet Sy Kadiatou Sow. Die meisten Flüchtlinge seien junge Männer, die bräuchten Arbeit, die sie nicht finden. Also ließen sich viele von Milizen anwerben.

Präsidentenwahl in Mali ab Sonntag: Daten zum Land.
Präsidentenwahl in Mali ab Sonntag: Daten zum Land.
© AFP

Eine verhängnisvolle Folge ist die wachsende Not der Bevölkerung. 1,3 Millionen Menschen litten Hunger, sagt Mamadou Bassirou Diallo, Vize-Landesdirektor der Welthungerhilfe in Mali, und diese Zahl werde steigen. Er kann von Geisterdörfern berichten und davon, dass es immer schwieriger werde, handlungsfähige lokale Partner zu finden. Dabei seien sie oft die letzte Hoffnung der Bevölkerung. „Wenn sie nicht bleiben, bricht richtiges Chaos aus“, sagt Diallo.

Seit mehrere Terrorgruppen, Islamisten und Tuaregs, 2012 den Norden Malis unter ihre Kontrolle gebracht haben, ist das Land nicht wirklich zur Ruhe gekommen. Zwar ist die ehemalige Kolonialmacht Frankreich eingeschritten, und seit 2015 gibt es einen Friedensvertrag. Doch die zu dessen Überwachung eingesetzte UN-Mission Minusma, an der auch Deutschland mit 1100 Soldaten beteiligt ist, ist unter anderem damit beschäftigt, sich selbst vor Angriffen zu schützen. Ariane Bemmer/mit dpa

Zur Startseite