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wolfgang vogel
© dpa

Wolfgang Vogel: Makler des Kalten Krieges

Rechtsanwalt Wolfgang Vogel ist im Alter von 82 Jahren gestorben. Er vermittelte als Unterhändler den Freikauf von 34.000 DDR-Häftlingen.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Viele werden ihn als Retter in größter Not in der Erinnerung ehren. Er holte die Menschen aus Verliesen, er brachte Mütter zu ihren Kindern. Andere werden ihn hassen, verachten ihn für das, was er tat. Weil er sich nicht nur zum Werkzeug einer grausamen Diktatur gemacht, sondern mit dem Leid der Menschen auch noch ein Vermögen verdient hat. Es gibt wenige, in deren Biografie man so viel über das Wesen des real existierenden Sozialismus erfahren kann, über das Unmenschliche des Kalten Krieges und über die Politik beiderseits der Mauer.

Am Donnerstag ist Wolfgang Vogel im Alter von 82 Jahren gestorben. In Bayern, wo er mit seiner Familie die letzten Jahre seines Lebens verbracht hat. Vielleicht auch so ein Hinweis darauf, wie wenig das rasche Urteil taugt in der Bewertung dessen, was sich im Osten Deutschlands zwischen 1961 und 1989 abgespielt hat. Der Anwalt Vogel wohnte im Alter fern von Berlin, aber nah bei einem Mitstreiter, so könnte man sagen: Alexander Schalck-Golodkowski, dem Privatbankier in Honeckers Reich. Oder mied Vogel nach dem Fall der Mauer einfach nur seine Heimat, sein Häuschen am nahen Teupitzsee, weil er nicht mehr dort leben wollte, wo man ihm in den letzten Jahren immer lauter egozentrische Raffsucht vorwarf, ihn mit Stasi-Vorwürfen überzog und vor Gerichten bezichtigte, er habe denen, die ihm ausgeliefert waren, im Augenblick der größten Not noch das Häuschen abgepresst?

Wolfgang Vogel war „der Anwalt zwischen Ost und West“. Er hatte das Ohr von Erich Honecker und selbstverständlichen Zugang zu den Büros von Willy Brandt und Helmut Kohl. Fast 34 000 politischen Häftlingen in den Knästen der Staatssicherheit hat Vogel den Weg auf die andere Seite des Stacheldrahtes geöffnet. Für jeden einzelnen hat der Westen bezahlt. 3,5 Milliarden D-Mark insgesamt, wurde später einmal berechnet. Humanistischer Preis für die Freiheit war es für die einen, „schmutziges Kopfgeld“ für die anderen. Milliarden, die dem DDR- Regime das Überleben verlängerten. Auch Wolfgang Vogel hat mitverdient. Keiner außer ihm durfte es wagen, ungestraft im goldlackierten Mercedes vor dem „Palast-Hotel“ in Ost-Berlin oder dem Grenzübergang nach West-Berlin vorzufahren. Für diesen Mann gab es keine Mauer.

Aus der Kanzlei des Rechtsanwaltes Wolfgang Vogel in Friedrichsfelde, Hauptstadt der DDR, fanden allerdings nicht nur diplomatische Noten – Listen – ihren Weg nach Bonn oder auf den Schreibtisch des Genossen Staatsratsvorsitzenden und Generalsekretär der SED. Als „legaler“ Anlaufpunkt für rund 215 000 Antragssteller der Ausreise galt Vogels DDR-Büro. Mancher von den Besuchern warf dem Anwalt später vor, er habe für die Fahrt gen Westen sein Gartenhaus zum Spottpreis an verdiente Genossen verkaufen müssen. Andere erinnern dies nicht. Und es gab auch welche, die mieden den Ort, misstrauten dem Wörtchen „legal“, vermuteten, Vogels Kanzlei sei nichts anderes als eine Außenstelle der Stasi-Zentrale in Hohenschönhausen.

Wolfgang Vogel hat später eingeräumt Ende der Fünfziger ein Stasi-IM gewesen zu sein. Die Akte ist nach wenigen Jahren „geschlossen“ worden. Vogel hat danach Großaufträge der Supermächte bearbeitet: den Austausch des KGB-Topspions Rudolf J. Abel gegen den über Sibirien abgeschossenen US-Spionageflieger Gary Powers, auch den Fall Günter Guillaume. Er war „Briefträger“ für den Westen und für den Osten. Mitten drauf, auf dem Schlachtfeld des Kalten Krieges.

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