zum Hauptinhalt
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Russlands Außenminister Sergej Lawrow am 15. August 2016.
© dpa

Steinmeier in Russland: Macht macht, was sie will

Frank-Walter Steinmeier kam mit gutem Willen. Doch sein russischer Kollege brüskiert den deutschen Außenminister bei den Themen Aleppo und Ukraine. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Selten ist der deutschen Öffentlichkeit so brutal vor Augen geführt worden wie am Montag, was in der Welt der Diplomatie passiert, wenn ein Mächtiger, der zu keinem Zugeständnis bereit ist, mit einem zusammentrifft, der im Vergleich zu seinem Gegenüber ohnmächtig ist, weil er mit nichts als gutem Willen an den Verhandlungstisch kommt. Der russische Außenminister Sergej Lawrow demonstrierte seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier in Jekaterinburg die Kontinuität eines außenpolitischen Handlungsmusters, das bis in die Sowjetunion zurückreicht und das mit einem einzigen Wort beschrieben ist: mit dem Wort Njet.

Er benimmt sich wie ein Vertreter unschuldiger Opfer

Bei zwei Themen hatte der deutsche Chefdiplomat gehofft, Einfluss auf die bisherige Position Russlands nehmen zu können. Er wollte Sergej Lawrow erläutern, dass die Bundesrepublik im Ukrainekonflikt beide Seiten, sowohl die russlandtreuen Milizen als auch die ukrainische Armee, verantwortlich macht für gefährliche Zuspitzungen. Eine Auswertung der Protokolle der OSZE-Beobachter, die entlang der durch einen labilen Waffenstillstand eingefrorenen Konfliktlinien in der Ostukraine stationiert sind, zeigt, dass die Mehrzahl der Vertragsverletzungen von der russischen Seite ausgehen. Lawrow bestreitet das nicht nur, sondern wirft der Ukraine vor, in der von Russland besetzten Krim „Unruhe stiften zu wollen“.
Nur Moskau verfügt über das militärische Potenzial, den Konflikt weiter am Kochen zu halten. Während die westlichen Partner der Ukraine ehrlich genug sind, ihre Zweifel auch an der Integrität der ukrainischen Führung zu äußern, benimmt sich Sergej Lawrow gegenüber Steinmeier, als sei er der Vertreter unschuldiger Opfer.
Noch offener, noch menschenverachtender ist die russische Politik, oder, so muss man besser sagen: der russische Militäreinsatz um die von allen Seiten belagerte syrische Großstadt Aleppo. Steinmeier bettelt geradezu um eine Luftbrücke zur Versorgung der verhungernden Zivilbevölkerung – und Russland bietet jeweils dreistündige Feuerpausen an, als könnten in dieser kurzen Zeit Hilfslieferungen in die Millionenstadt gelangen. Eine darüber hinausgehende Waffenruhe lehnt Lawrow ab.

Und Steinmeier? Hofft auf Einsicht

Seit der amerikanische Präsident Barack Obama dem syrischen Diktator Baschar al Assad damit drohte, der neuerliche Einsatz von Giftgas käme dem Überschreiten einer roten Linie gleich, und dann nichts, wirklich nichts tat, als Assad wieder Gas einsetzte, weiß Obamas Gegenüber in Moskau, dass die russische Luftwaffe in Syrien bomben kann, wie sie will – es wird nichts passieren. So gehen die Geschichten eben weiter, wenn folgenlose Worte auf eine Folge von Taten treffen. Putin muss keine Wahlen fürchten. Er sorgt schon vorher dafür, dass nichts schiefgeht. Obama aber hat Angst vor der amerikanischen Öffentlichkeit, für die Syrien in jeder Beziehung weit weg ist.
Und Frank-Walter Steinmeier? Hofft auf Einsicht, auf Nachgeben. Zur gleichen Zeit fand Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin klare Worte zur Lage in Aleppo. Er nannte die russische Haltung zynisch. Seibert ist der Sprecher von Angela Merkel. Die hat sich nie Illusionen über Putin gemacht, obwohl auch sie immer auf Gespräche setzte. Aber wenn Macht macht, was sie will, dann muss man das benennen – es ist zynisch.

Zur Startseite