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Zwei Volksparteien, bald zwei Frauen an der Spitze? Andrea Nahles (li) und Angela Merkel.
© Tobias Schwarz/AFP

Immer mehr Ämter in weiblicher Hand: Machen Frauen die Politik unwichtiger?

Berufe, die allmählich an Frauen übergingen, verloren oft an Ansehen. Droht der Politik nun das gleiche Schicksal? Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ariane Bemmer

Es ist nicht ausgeschlossen, dass demnächst vier bedeutende politische Ämter der Republik von Frauen besetzt sind: Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, SPD-Chefin Andrea Nahles und Außenministerin Katarina Barley.

Ist das gut für die Frauen – oder schlecht für die Politik?

Klar ist einerseits, dass es gut ist, wenn Frauen in verantwortlichen Positionen vorkommen, wie sie auch im Leben vorkommen, das hat mit Gleichberechtigung und Teilhabe zu tun. Andererseits gehört zur traurigen Wahrheit auch, dass Berufe, in denen Frauen stark vertreten sind, vor allem prekäre sind. Pflege und Frisörhandwerk, beispielsweise. Außerdem ist wahr, dass Berufe, die einst Männerberufe waren, aber allmählich an Frauen übergingen, dabei an Ansehen verloren. Beispiele dafür sind der Beruf des Sekretärs und des Lehrers.

Von der Öffnung von Männerberufen für Frauen bis zu deren möglicher Übernahme – es gibt dafür den unbeliebten Begriff von der „Feminisierung“ – vergeht in der Regel viel Zeit, in der diese Entwicklungen parallel verlaufen. Frauen steigen ein, Männer machen Platz, das Berufsbild verändert sich, mehr Frauen steigen ein, mehr Männer machen Platz und so fort, und irgendwann steht man da mit mit einem schlechten Gehalt, mit widrigen Arbeitszeiten und obendrauf einem miesen Image.

Auf dem Weg zur Pillepallerepublik?

Wenn – wie deprimierend, falsch und sinnlos auch immer das sein mag – das offenbar so ist oder zumindest in anderen Berufen so beobachtet wurde, was hieße das für die Politik? Angenommen, die mögliche Vierer-Kombination Merkel, Kramp-Karrenbauer, Nahles, Barley ist kein historischer Zufall: Würde Deutschland mit ihr zu einer Pillepallerepublik?

Man stelle es sich kurz mal vor: Jeden Tag und jeden Abend die Nachrichten in den Zeitungen, den Online-Nachrichten, im Fernsehen voll mit Bildern der vier Frauen: Was sie machen, wo sie waren, was sie sagen. Hat das eine Wirkung auf den Inhalt des Gemachten, des Gesagten? Wirkt es weniger wichtig? Wird es weniger wichtig?

Hat jemand gerade drei Mal entschlossen „Nein“ gedacht?

„Es sollte uns zu denken geben, dass wir trotz einer stärkeren Sensibilisierung für die Diskriminierung gesellschaftlicher Gruppen Zeugen dieses sich wiederholenden Prozesses sind“, hat die Sozialwissenschaftlerin Yvonne Lott 2013 zum Statusverlust „feminisierter“ Berufe mal geschrieben. Lott bezog sich auf den Bereich Medizin (die Zahl der Ärztinnen wächst stetig) und das Richteramt. Das wird immer öfter von Frauen bekleidet, weil es zwar eine für Juristen vergleichsweise niedrige Entlohnung, aber ein für wichtiger empfundenes bombensicheres Beamtenverhältnis bietet. Der Geschlechterwandel bei den „im Namen des Volkes“ Sprechenden hat schon Warnrufe provoziert, Urteile würden an Bedeutung verlieren und mit ihnen die Rechtsprechung insgesamt. Das kann natürlich niemand wollen. Darum hat Yvonne Lott bessere Arbeitsbedingungen für die beiden Professionen gefordert, so dass sie sowohl für Frauen wie auch für Männer attraktiv bleiben.

Entwarnung aus der Wissenschaft

Soweit ist es in der Politik noch nicht, oder? Unbestrittenerweise haben die Einflussmöglichkeiten nationaler Regierungen unter der Globalisierung stark gelitten. Internationale Riesenkonzerne machen mehr oder weniger, was sie wollen, die Politik schaut entrüstet zu. Das allein schon dürfte für viele ehrlich an Macht Interessierte ein Grund sein, sich ein berufliches Betätigungsfeld in der Wirtschaft zu suchen statt bei den Entrüsteten. Genderforschung bestätigt, dass Männer Berufe eher nach Aufstiegs- und Karrierechancen, nach Einfluss(-möglichkeiten) und Gehalt aussuchen als Frauen. Ist in diesen Punkten nicht genug zu erwarten, wandern sie ab. Was dann passieren kann, zeigt sich am Beruf des Veterinärs, der zu einem Frauenberuf geworden ist. Grund dafür sind die langen, unregelmäßigen und damit familienfeindlichen Arbeitszeiten und schlechten Verdienstmöglichkeiten. Frauen akzeptieren das aus Tierliebe. Männer nicht. Mit dem Ergebnis, dass inzwischen schon Nutz- und Großtierärzte fehlen, was für Frauen aus rein physischen Gründen oft nicht infrage kommt. Würde eine feminisierte Politik sich dem folgend quasi auf Haustierthemen, also das gut Beherrschbare, fokussieren?

Die Genderforscherin Sabine Hark von der Technischen Universität Berlin gibt Entwarnung. Sie hält die Politbranche für zu klein, als dass Umwälzungen wie beim Lehrer- oder Arztberuf dort möglich wären. Das könnte gut sein für die Politik – oder schlecht für die Frauen?

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