Die SPD und Vorratsdatenspeicherung: Maas macht mit
Auf Blockade folgt endlich Bewegung – mit den Plänen zur Vorratsdatenspeicherung von Justizminister Heiko Maas in die richtige Richtung. Fürchten kann man sich vor vielem. Davor nicht. Ein Kommentar.
Fürchtet euch nicht. Die Bibelworte, die der Bundespräsident in seiner letzten Weihnachtsansprache direkt an sein Volk richtete, könnten auch die Summe der vielen Sätze sein, mit denen Justizminister Heiko Maas jetzt eine neue Vorratsdatenspeicherung unter die Leute bringen will. Fürchtet euch nicht: Wir werden Terroristen und Kriminelle jagen, ohne euch und euer Innerstes zu überwachen.
Eine gefühlige Botschaft, die den Dimensionen gerecht wird, in denen das Thema in den letzten Jahren diskutiert wurde. Ängste standen gegen Ängste. Angst vor Terror nach Anschlägen in New York, Madrid, London und zuletzt Paris. Angst vor Verlust von Freiheit nach Sicherheitspaketen, Google, Guantánamo und NSA.
Politik als Kunst des Kompromisses hat es da schwer. Zumal wenn Charakterköpfe wie die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sie nicht als solche verstehen, sondern lieber ihre Posen pflegen. Nun also Maas, der daran zunächst anzuknüpfen schien. Maas macht mobil, lauteten die Schlagzeilen aus dem Beginn seiner Amtszeit, als er das Speicherprojekt symbolträchtig auf Eis legte. Nun, nach seinem Ja zu scharfen Anti-Terror-Gesetzen und der Vorlage seiner aktuellen Datensammelpläne, heißt es eher: Maas macht mit.
Die neue Geschmeidigkeit ist kein Einknicken. Es gab nur einfach keine Ausreden mehr. Warten auf Europa, so hieß das Drama um die Sitzblockade, mit der ein neuer Anlauf aufgehalten werden sollte. Leutheusser-Schnarrenberger wartete auf den Europäischen Gerichtshof, der die entsprechende Richtlinie dann vor einem Jahr kassiert hat. Maas wartete auf die EU-Kommission, auf dass sie die verworfenen Maßgaben renoviert.
Die EU-Kommission war absehbar untätig geblieben
Doch jeder, der sitzt, muss auch mal wieder aufstehen. Zumal die Blockaden unnötig waren. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutsche Speicherlösung 2010 gültig beschränkt. Ein in der Tonlage zuweilen schrilles, im Ergebnis aber glückliches Urteil, das jederzeit als Blaupause für eine nationale Regelung getaugt hätte. Die EU-Kommission war absehbar untätig geblieben. Die meisten EU-Staaten haben eine Vorratsdatenspeicherung. Der Wegfall der Richtlinie ändert daran nichts.
Dieser Umstand zeigt auch, dass eine Pflicht, Verbindungsdaten zum Zweck der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr vorzuhalten, sinnvoll und nützlich ist. Es geht nicht allein darum, Terror zu verhindern oder aufzuklären. Dass sich die Telekommunikation in den letzten Jahren nahezu vollständig privatisiert hat, kann auch in einer digitalisierten Welt nicht dazu führen, sie jeglichem staatlichen Zugriff zu entziehen. Der Schutz vor (schwerer) Kriminalität ist ein Gemeinwohlbelang. Der Streit um das Ob der Speicherung hat viel zu lange die wichtigere Frage überlagert, die nach dem Wie.
Die Koalition will sie jetzt beantworten. Das jetzt Bekanntgewordene klingt so, als tue sie es mit Augenmaß. Hardcore-Ermittler hätten mehr gewollt. Endlich werden die Unternehmen zu mehr Datensicherheit verdonnert. Richter sollen entscheiden, und das nur bei Verdacht auf schwere Taten. Ärzte, Anwälte, Seelsorger werden besonders geschützt. Fürchten kann man sich vor vielem. Davor nicht.