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Am Tag danach: Bundespräsident Christian Wulff zeichnet den deutsch-türkischen Regisseur Fatih Akin mit dem Bundesverdienstorden aus.
© dapd
Update

Wulff-Rede: Lob - aber auch Kritik aus der Union

Lob aus allen Lagern für die Bundespräsidentenrede zur Einheit - doch Politiker aus der Union nehmen Anstoß an Wulffs Satz: Der Islam gehört zu Deutschland.

Bundespräsident Christian Wulff hat für seine Rede zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit ein fast einhellig positives Echo erhalten. Linke wie Christdemokraten lobten ihn für seine Aktualisierung des Einheitsgedankens. Wulff hatte gesagt, „Deutschland einig Vaterland“ bedeute 20 Jahre danach, dass man „Verschiedenheit“ der Herkunft, Lebensentwürfe und Religionen aushalten und sogar wollen müsse. Der Ruf von damals, „Wir sind ein Volk“, sei eine „Einladung an alle, die hier leben“. Auch „notwendige Debatten“ dürften Menschen mit ausländischen Wurzeln nicht verletzen, sagte Wulff. Der Islam gehöre ebenso zu Deutschland wie das Christen- und das Judentum.

Wulff hatte sich in der Rede ausdrücklich auf zwei Offene Briefe von muslimischen deutschen Intellektuellen und Schülern mit Migrationshintergrund bezogen, in denen er aufgefordert worden war, in der Debatte um die Thesen des ehemaligen Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin Stellung zu beziehen.

Die Bremer Erziehungswissenschaftlerin Yasemin Karakasoglu, eine der Unterzeichnerinnen, zeigte sich erfreut über Wulffs Antwort. Auch wenn sie sich gewünscht hätte, er hätte die „sehr aggressive“ Debatte früher entschärft, seien seine Worte zum Islam, zur Integration als Aufgabe aller und seine Hinweise auf die Leistungen von Migranten in Deutschland „sehr gut“, sagte Karakasoglu dem Tagesspiegel.

Zaimoglu: "Alle wieder ein bisschen beruhigen"

Dass er in der Rede auf Abschottungstendenzen auch der deutschen Eliten hingewiesen habe, gebe „dem Reden über ,Parallelgesellschaften’ einen breiteren Rahmen als die übliche Pariadebatte“. „Unehrlich“ sei allerdings Wulffs festliches Bild der Zeit vor 20 Jahren. „Das Pogrom von Rostock und die anderen Ausbrüche von Fremdenhass waren eine Reaktion auf die Verunsicherung vieler Deutscher durch die Einheit. Das war der Kollateralschaden der Einheit, und er traf die Migranten. Für sie ist er Teil ihres kollektiven Gedächtnisses.“ Das verschweige Wulff. Vielleicht habe er aber nur das Fest nicht verderben wollen. Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu, auch er Unterzeichner des Briefs, nannte Wulffs Rede „wunderbar, einfach, sachlich, nicht pathetisch. Jetzt können wir uns alle mal wieder ein bisschen beruhigen.“

Lob für Wulffs Plädoyer für Verschiedenheit und eine neue deutsche Identität kam auch von FDP-Generalsekretär Christian Lindner, vom Zentralrat der Muslime und vom Linken-Fraktionschef Gregor Gysi. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration begrüßte Wulffs Kritik an der „Panikdebatte um Integration und Muslime in Deutschland“.

Kritik aus CSU und CDU - und aus der Wissenschaft

Der CSU-Abgeordnete Norbert Geis bemängelte die Rede als „ein wenig missverständlich“: Der Islam sei in Deutschland unbestreitbar „da“. Er sei aber nicht Teil Deutschlands wie Juden- und Christentum. Der "Bild"-Zeitung sagte Geis: "Die Rede war missverständlich. Wenn der Bundespräsident den Islam in Deutschland mit dem Christentum und dem Judentum gleichsetzen wollte, hielte ich das für falsch." Diskutiert wird insbesondere über Wulffs Satz: "Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland."

Dazu sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), der Zeitung: "Zwar ist der Islam inzwischen Teil der Lebenswirklichkeit in Deutschland, aber zu uns gehört die christlich-jüdische Tradition."

Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) warnte in der "Leipziger Volkszeitung": "Eine solche Aussage kann missverstanden werden. Aus Religionsfreiheit darf nicht Religionsgleichheit werden."

Der Saarbrücker Islamwissenschaftler Gerd-Rüdiger Puin warf Wulff "Wunschdenken" vor. "Die ganze Debatte ist weltfremd, weil es keine kritische Haltung gegenüber dem Islam in Deutschland gibt", sagte Puin der "Saarbrücker Zeitung". Im Koran stehe "kein einziges nettes Wort über die 'Ungläubigen', aber 300 Verse, die ihnen das Schlimmste auf Erden und im Himmel androhen."

Puin appellierte an die Verbände, sich von jenem Islam zu verabschieden, der das islamische Recht über das weltliche Gesetz stellt: "Dann ist der Islam ein Teil Deutschlands." (mit dapd)

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