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Gregor Gysi, Katja Kipping und Bernd Riexinger
© dpa

Europawahlprogramm: Linken-Spitzenpolitiker wollen EU-feindliche Präambel kippen

Der Streit um das Europawahlprogramm der Linken spitzt sich zu. Führende Funktionäre fordern, dass die EU-feindliche Passage im Entwurf ersatzlos gestrichen wird.

In der Diskussion um das Europawahlprogramm der Linken setzen Spitzenpolitiker des gemäßigten Flügels jetzt auf eine klare Richtungsentscheidung. In einem Antrag zum Hamburger Bundesparteitag Mitte Februar, der dem Tagesspiegel vorliegt, fordern sie die ersatzlose Streichung der umstrittenen Präambel, die zuvor unter anderem von Fraktionschef Gregor Gysi kritisiert worden war.

Im umstrittenen Passus des vom Parteivorstand beschlossenen Leitantrags zum Programm wird die EU als "neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht" bezeichnet. Die EU habe "nach 2008 eine der größten Krisen der letzten 100 Jahre mit verursacht". Viele hätten mit der Gemeinschaft mehr internationale Solidarität verbunden. "Herausgekommen sind mehr faschistische Parteien, rechtspopulistische Hetzer und mehr Menschenjagd in und an den Grenzen der EU", heißt es dort.

Der Antrag gegen diese Passage wird eingebracht von den beiden stellvertretenden Parteivorsitzenden Caren Lay und Axel Troost sowie von Thomas Nord, viele Jahre Landesvorsitzender in Brandenburg und Mitglied des Bundesparteivorstandes. Die drei Bundestagsabgeordneten schreiben in der Begründung ihres Antrags, die Kritik an der neoliberalen Hegemonie, der Militarisierung und Abschottungspolitik der EU sei "an anderer Stelle des Leitantrags treffender formuliert". Weiter heißt es: "In dieser verkürzten Form wird der Passus weder der Geschichte Europas noch der EU gerecht."

Wagenknecht hatte den umstrittenen Passus durchgesetzt

Die EU-feindlichen Sätze waren im ursprünglichen Programmentwurf, verfasst von den Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, nicht enthalten. Sie wurden erst in einer Vorstandssitzung in die Präambel eingefügt. Maßgeblich setzte sich dafür Sahra Wagenknecht ein, stellvertretende Vorsitzende von Partei und Bundestagsfraktion. Gysi hatte mehrfach deutlich gemacht, dass er die Passage für unglücklich formuliert hält.

Am Wochenende war Wagenknecht in einem Interview mit dem Tagesspiegel vorsichtig auf Distanz gegangen zu dem Programmabschnitt. Sie sagte: "Man muss die EU nicht mit dem Begriff militaristisch verbinden." Allerdings betonte sie auch: "Richtig ist auf jeden Fall, dass die EU immer stärker militarisiert wird. Im Lissabon-Vertrag gibt es ein Aufrüstungsgebot."

André Brie warnt vor "gefährlichem Wettbewerb mit der AfD"

André Brie, der für PDS und Linke von 1999 bis 2009 im Europäischen Parlament saß, kritisierte es in einem Beitrag für die Wochenzeitung "Freitag" als "ärgerlich für Die Linke", dass über den Entwurf des Programms vor allem im Zusammenhang mit der "extrem europakritischen Einleitung" sowie der ablehnenden Reaktion von Gysi dazu diskutiert werde. "Wer eine solche Steilvorlage liefert, wird sich darüber allerdings auch nicht beschweren können", schrieb er.

Die Formulierungen in der Präambel des Programmentwurfs würden "nicht nur die EU selbst, sondern auch die Linkspartei in die falsche Richtung" rücken. "Die europäischen Demokratiedefizite sind offensichtlich", meint Brie, derzeit Landtagsabgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern. Es gebe jedoch mit dem Lissaboner Vertrag einige positive Veränderungen, insbesondere, was die Rechte des Europäischen Parlamentes angehe. Brie forderte die Linke auf, sich an einem "aktiven proeuropäischen Wettbewerb" zu beteiligen. "Wer sich so abstrakt, wie in der zitierten Präambel, mit der EU auseinandersetzt, begibt sich in einen gefährlichen Wettbewerb mit der Alternative für Deutschland (AfD)", schrieb er.

Die Linke will auf dem Hamburger Parteitag auch ihre Liste für die Europawahl aufstellen. Für Platz eins gesetzt ist die frühere PDS-Chefin Gabi Zimmer, sie ist seit März 2012 Vorsitzende der Linksfraktion im Europaparlament. Schon für Platz zwei wird die erste Kampfabstimmung erwartet - zwischen Tobias Pflüger vom linken Parteiflügel und dem jetzigen Europaabgeordneten Thomas Händel, der einer der Gründungsvorsitzenden der WASG war. Auch Brie will sich in Hamburg um ein Comeback bemühen - seine Chancen auf einen aussichtsreichen Listenplatz gelten allerdings als sehr gering.

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