Parteitag in Berlin: Linken-Landeschef wirft Wowereit "Zaunkönigpolitik" vor
Der Berliner Linken-Vorsitzende Klaus Lederer kritisiert den rot-schwarzen Senat scharf für seine Europa- und Regionalpolitik. Die Partei will mehr Kooperation mit Brandenburg und Polen.
Hohe Mieten, Ukraine, Syrien – über alles haben sie am Sonnabend gesprochen. Kaum hatte sich die Berliner Linke zum Landesparteitag in einem Lichtenberger Hotel getroffen, ging es in die weite Welt hinaus. Allerdings hatten Landeschef Klaus Lederer und die 150 Delegierten ja auch die Europawahl in sieben Wochen im Blick. Und so wurde Lederer schnell grundsätzlich: Der Senat schaue nicht über die Stadtgrenzen hinaus, die Provinzialität von SPD und CDU könne man sich mitten in Europa aber nicht leisten. Zuwanderer überlasse der Senat sich selbst, den Jetsettern gehe es zwar gut, eine weltoffene Verwaltung für andere Neuankömmlinge gebe es aber nicht. Und überhaupt: In der Stadt wurschtele man vor sich hin – marode Brücken, fehlende Wohnungen, keine Vernetzung zu den Nachbarn. „Noch immer gibt es nicht mal einen Direktzug nach Szczenin”, sagte Lederer. Von engerer Zusammenarbeit mit Polen oder auch nur Brandenburg ganz zu schweigen. Klaus Wowereit sei den Ansprüchen einer Metropole nicht gewachsen, er mache „Zaunkönigpolitik“.
Martina Michels, Europa-Abgeordnete der Berliner Linken, sieht die Stadt in der Europäischen Union schlechter aufgestellt als andere Bundesländer: „Berlin ist in Brüssel nicht spürbar.“ Der Landesvorstand forderte in einem Antrag unter anderem ein ausgebautes Stadtwerk in einer gemeinsamen Energieregion mit Brandenburg und eine neue Willkommenskultur für Flüchtlinge: Die Delegierten stimmten mit großer Mehrheit zu.
Noch mehr Zustimmung gab es für den Antrag des Landesvorstandes zum Tempelhofer Feld. Bei zwei Enthaltungen und ohne Gegenstimme votierte der Parteitag für den Entwurf der Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld”. Nach Grünen und Piraten ruft nun auch die Linke dazu auf, am 25. Mai parallel zur Europawahl gegen die Pläne des Senats zu stimmen. Die Initiative fordert das vollständige Freihalten des Geländes.
Die fast komplette Zustimmung der Delegierten ist bemerkenswert, weil sich intern nicht wenige für den Bau günstiger Mietwohnungen an dem Feld ausgesprochen hatten. Lederer sagte, man habe sich zwar bis zu 1000 neue Wohnungen gewünscht. Da am 25. Mai aber nur zwei Positionen – nämlich Freihalten (Initiative) oder Kommerzialisierung (Senat) – zur Abstimmung stünden, habe man sich für erstere entschieden. Motto: Lieber gar keine Neubauten als schlechte. Nach Lichtenberg gereist waren auch Bundesparteichef Bernd Riexinger und Vize Jan van Aken. Umfragen sähen die Linke in Berlin bei 18 Prozent, die Grünen nur bei 16 Prozent, sagte Riesiger: „Wir müssen aufhören, uns zu rechtfertigen, warum wir Linke sind.” Wer für bezahlbares Wohnen, gute Jobs und Frieden stehe, könne selbstbewusster auftreten. „Die anderen sollten sich lieber rechtfertigen, warum sie keine Linken sind” – was den stärksten Applaus des Tages hervorrief. Stärker noch als der für Jan van Aken. Er hatte die Grünen wegen ihrer Haltung zu Syrien und Russland die derzeit „größten Kriegstreiber” genannt.