Dreikönigstreffen der Freien Demokratischen Partei: Lindner: AfD ist kein Ersatz für die FDP
Im Stuttgarter Staatstheater wirbt FDP-Chef Christian Lindner für ein schärferes liberales Profil der Partei, die 2013 aus dem Bundestag geflogen ist und seither in einer tiefen Krise steckt. Die Alternative für Deutschland attackiert er scharf.
Klein, aber fein. Das ist offenbar das Signal, das die gebeutelte FDP diesmal von ihrem Dreikönigstreffen in Stuttgart aussenden wollte. Gefläzt in weiße Lederclubsessel bildeten die Parteioberen den optischen Hintergrund der jeweiligen Redner, die während ihres Vortrags auf der Bühne locker hin- und herwandelten. Und auch farblich setzte die Partei bei dem Traditionsauftritt neue Akzente. Neben den klassischen FDP-Farben Gelb und Blau hat sie ihren Logos nun zusätzlich ein leuchtendes Magenta beigefügt.
Inhaltlich versuchte sich Parteichef Christian Lindner in doppelter Abgrenzung. Einerseits gegenüber den "schwarzen, roten und grünen Sozialdemokraten", die ihr Heil allesamt in Umverteilung und immer mehr Staat suchten. Und andererseits gegenüber der rechtskonservativen Alternative für Deutschland (AfD), die mit Ressentiments spiele und den Versuch unternehme, "auf der Angstwelle in die Parlamente zu surfen".
"Mutbürger statt Wutbürger"
Der Politik fehle es derzeit an "Tatkraft, Optimismus und Freiheitsliebe", diagnostizierte der Parteivorsitzende in seiner gut einstündigen Rede. Gleichzeitig warnte er davor, Deutschland irgendwelchen "Wutbürgern" zu überlassen. "Wir setzen auf Mutbürger", sagte Lindner, deshalb brauche es die Freidemokraten.
Die AfD sei "kein Ersatz für die FDP im Parteiensystem, sondern das Gegenteil von allem, was uns Liberalen heilig ist", stellte der FDP-Vorsitzende klar. Und richtete scharfe Angriffe gegen die europakritische Partei, die den Liberalen im vergangenen Jahr zahlreiche Wähler abgenommen hat. Es sei kein Wunder, dass AFD-Chef Bernd Lucke in den eigenen Reihen mittlerweile isoliert sei, sagte Lindner. "Professor Biedermann hat seine Schuldigkeit getan, jetzt übernehmen dort die Brandstifter." Die "bürgerliche Maske" sei gefallen, inzwischen zeige die AfD ihr wahres, reaktionäres Gesicht - etwa indem sie sich mit der Pegida-Bewegung "gemein" mache, die seit Wochen gegen eine angebliche Islamisierung des Abendlands protestiert.
Warnung vor Ressentiments
In den Pegida-Forderungen mischten sich antiwestliche Gedanken mit Ressentiments gegen alle möglichen Minderheiten, betonte Lindner. Er frage sich: "Welches Abendland verteidigen die da eigentlich?" Gleichzeitig zeigte der Parteichef Verständnis für diejenigen, die sich Sorgen machten über die nicht gelingende Integration von Zuwanderern. Wer solche Menschen pauschal als fremdenfeindliche "Mischpoke oder Nazis" beschimpfe, treibe sie geradezu in die Arme konzeptloser Populisten. Ein liberaler Rechtsstaat müsse sich auch dagegen wehren, dass Salafisten in Deutschland öffentlich Gotteskrieger rekrutierten oder "libanesische Banden" ganze Bezirke in Berlin kontrollierten.
Es gebe "keinen Grund, das Asylrecht einzuschränken und die Mitmenschlichkeit der Gleichgültigkeit zu opfern". Aber man müsse "besser werden im Management des Asyls". Statt eine "Misstrauensbürokratie" zur Einhaltung des Mindestlohns aufzubauen, hätte man mehr Personal einstellen sollen, um Asylverfahren zu beschleunigen.
Was die FDP selber betrifft, berichtete Lindner von einem internen Diskussionsprozess, den es in der Geschichte der Partei noch nicht gegeben habe. Man habe in der vergangenen Legislatur große Fehler gemacht, sagte Lindner in der Rückschau. Die FDP hätte in der schwarz-gelben Koalition nicht auf den Posten des Finanzministers verzichten dürfen. Und sie hätte es der Kanzlerin auch nicht durchgehen lassen dürfen, die Pläne für eine große Steuerreform wieder einzukassieren.
Bildung als Kernthema
Seit die Liberalen nicht mehr im Bundestag säßen, sei die Steuerpolitik "komplett vom Radarschirm verschwunden", klagte Lindner. Allerdings sei das neue Kernthema der FDP nicht die Wirtschafts-, sondern die Bildungspolitik. In den Schulen habe sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum etwas verändert, sagte der FDP-Chef. Während sich die Schüler auf dem Pausenhof über die neuesten Apps fürs Smartphone austauschten, herrsche in den Klassenzimmern noch die "Kreidezeit".
Auch sei es nicht länger akzeptabel, dass 16 Bundesländer um immer neue ideologische Bildungskonzepte konkurrierten. Doch statt Deutschland bildungspolitisch führend zu machen, hätten die Regierenden "230 Milliarden Euro im Rentensystem versenkt".
Die FDP müsse sich stärker mit Themen beschäftigen, "die den Menschen auf den Nägeln brennen", meinte auch Parteivize Wolfgang Kubicki.. Die Zeit der "Selbstfindung" sei zu Ende. In den anstehenden Wahlkämpfen werde man sich als als Partei der Chancen und der Freiheitlichkeit präsentieren und Themen wie Bildung und Digitalisierung in den Vordergrund rücken.
Die Liberalen waren bei der Bundestagswahl 2013 erstmals an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, im vergangenen Jahr verpassten sie zudem den Einzug in drei Landtage. Dasselbe könnte ihnen, Meinungsforschern zufolgen, auch für die 2015 anstehenden Wahlen in Hamburg und Bremen bevorstehen.(mit AFP/dpa)