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Bundesnachrichtendienst: Licht auf dunkle Flecken

Historiker untersuchten die Frühgeschichte des Bundesnachrichtendienstes. Dabei wird es auch um die Hilfe für NS-Verbrecher gehen.

Berlin - Die Historiker und der Präsident des Bundesnachrichtendienstes trafen sich am Dienstag in Berlin an einem gediegenen Ort, das Ambiente sollte der Bedeutung des Geschehens entsprechen. Die vier Wissenschaftler und Ernst Uhrlau unterschrieben einen Vertrag, der für beide Seiten eine enorme Herausforderung darstellt. Die Frühzeit des BND, die bisweilen mysteriös und bräunlich eingefärbt erscheint, sollen die Historiker anhand von Akten und Interviews mit Zeitzeugen aufarbeiten. Das ambitionierte Projekt sei ein „Herzensanliegen“ des Präsidenten, heißt es im BND. Uhrlau, dessen Amtszeit im Dezember endet, reiht den Auslandsnachrichtendienst damit in die Liste der Behörden ein, die sich einer Art biografischen Forschung unterziehen – im Bewusstsein, auch auf dunkle Flecken zu stoßen, wie es dem Auswärtigen Amt geschah, das mit schmerzlichen Erkenntnissen zur Rolle deutscher Diplomaten in der NS-Zeit konfrontiert wurde.

Die Historiker, die nun Aktenberge des BND durchforsten sollen, sind anerkannte Fachleute. Den Vierertrupp, alle 60 plus, bilden Rolf-Dieter Müller, Wissenschaftlicher Direktor am Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Potsdam, Jost Dülffer, emeritierter Professor für Neuere Geschichte an der Universität zu Köln, Klaus-Dietmar Henke, Professor für Zeitgeschichte an der Technischen Universität Dresden sowie Wolfgang Krieger, Professor für Neuere Geschichte an der Philipps-Universität Marburg und Experte für die Geschichte der Nachrichtendienste. Den Experten zur Seite steht eine interne BND-Kommission unter Leitung von Bodo Hechelhammer, Nachrichtendienstler und Historiker in einer Person.

Die Erwartungen der Öffentlichkeit fokussieren sich vor allem auf zwei Namen, die exemplarisch für die Schrecken der NS-Zeit stehen: Klaus Barbie, einst als „Schlächter von Lyon“ berüchtigter Gestapo-Chef der französischen Stadt, und Adolf Eichmann, einer der leitenden Organisatoren des Völkermords an den Juden. Der BND hatte in den sechziger Jahren Barbie in dessen Fluchtland Bolivien als Agenten geführt. Und der Nachrichtendienst wusste früh, dass sich Eichmann in Argentinien versteckt hielt – tat aber wie im Fall Barbie nichts, um den Verbrecher vor Gericht zu bringen.

Das Desinteresse passte zum kalten Pragmatismus der US-Amerikaner, die nach Kriegsende den Ex-Wehrmachtsgeneral Reinhard Gehlen für sich einspannten, der für Hitler einst in Osteuropa spionieren ließ. 1946 wurde im amerikanisch besetzten Westdeutschland die „Organisation Gehlen“ gegründet, aus ihr ging 1956 der BND hervor – mit Gehlen als Chef, der bis 1968 amtierte. Das ist auch das Enddatum der Zeit, mit der sich jetzt die vier Historiker befassen sollen.

Es gehe bei dem Forschungsprojekt im BND aber nicht nur um düstere Kapitel, sagt der Potsdamer Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller. „Vielleicht stoßen wir auf Erfolgsgeschichten, die bislang unbekannt sind.“ Der andere große Nachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, setzt inzwischen auch auf die Erforschung der eigenen Geschichte. Hier geht es um die Jahre 1950 bis 1975. Dieses Projekt startet im Frühsommer.

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