Erste freie Wahlen nach Gaddafi: Liberale in Libyen liegen vorne
Nach den Wahlen in Libyen zeichnet sich eine Mehrheit für die liberale Allianz um Mahmud Dschibril ab. Trotz einiger Störversuche bezeichneten Beobachter die Wahl als fair. Kanzlerin Merkel sagte Libyen bereits weitere Unterstützungen zu.
Erstmals nach der Ära Gaddafi haben die Libyer ein demokratisches Parlament gewählt. Bei der Auszählung der Stimmen zeichnete sich am Sonntag ein deutlicher Vorsprung für die liberale Allianz von Mahmud Dschibril ab. Die Gruppierung des ehemaligen Übergangsministerpräsidenten habe in der Hauptstadt Tripolis und in Bengasi die meisten Stimmen erhalten, meldeten Wahlbeobachter nach Wählerbefragungen. Die islamistische Muslimbruderschaft belegte demnach den zweiten Platz.
In den Nachbarländern Ägypten und Tunesien hatten sich nach jahrzehntelanger Unterdrückung bei Wahlen islamistische Parteien durchgesetzt. Offizielle Ergebnisse sollen erst in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. Ein Vertreter der liberalen Allianz gab sich äußerst optimistisch. „Die Ergebnisse der Allinz sind im ganzen Land gut, aber das sind inoffizielle Zahlen, die wir jetzt noch nicht veröffentlichen können“, sagte Salah al-Bischari, Koordinator des Bündnisses in Bengasi, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Er berief sich dabei auf Zwischenergebnisse. Optimistisch zeigte sich auch die Muslimbruderschaft. „Aber egal wie die Ergebnisse ausfallen, wir werden sie ebenso respektieren wie die Entscheidung des libyschen Volkes“, sagte Mohamed Bair, Leiter der Islamisten-Vertretung in Bengasi. Der neu gewählte Allgemeine Nationalkongress in Tripolis löst den Übergangsrat ab, den Funktionäre und Aktivisten während der Revolution informell gebildet hatten. Die 200 Abgeordneten sollen eine Übergangsregierung ernennen und die Wahl eines Rates vorbereiten, der eine Verfassung für das nordafrikanische Land schreiben soll. Bei der ersten demokratischen Wahl seit Jahrzehnten gaben am Samstag rund 63 Prozent der 2,8 Millionen registrierten Wähler ihre Stimme ab.
Video zu dem Wahltag und O-Töne aus Libyen:
Einige Wahllokale im Osten blieben wegen Sicherheitsproblemen geschlossen. Ein Wähler wurde in Adschdabija getötet. Dort, in der Wüstenstadt Al-Kufra sowie in Bengasi werde die Wahl nachgeholt, sagte der Leiter der nationalen Wahlkommission, Nuri al-Abbar, am Sonntag. Einen Termin für die Bekanntgabe des Endergebnisses wollte Al-Abbar vor der Presse in Tripolis nicht nennen. Dass die Resultate korrekt seien, sei für ihn wichtiger als der zeitliche Faktor. „Wir haben 42 Jahre gewartet, da sollten wir jetzt nicht allzu ungeduldig sein“, sagte er in Anspielung auf die Regierungszeit von Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi. Bis dahin wolle sich die Wahlkommission an keiner wie auch immer gearteten Spekulation beteiligen. Schon die Wahlbeteiligung sei ein „riesiger Erfolg“. Die Libyer hatten die Wahl am Samstag zu einem Fest gemacht. Frauen stießen in den Wahllokalen Freudentriller aus und verteilten Schokolade. Männer machten das Victory-Zeichen. US-Präsident Barack Obama lobte die Wahl als historischen Schritt. Die USA wollten „eng mit dem neuen Libyen zusammenarbeiten“, betonte er in einer schriftlichen Erklärung. Zwar gebe es weiterhin Herausforderungen für das nordafrikanische Land, doch die USA seien zur Hilfe bereit. Aus Sicht der Wahlkommission ist auch die Beteiligung von Exil-Libyern in Deutschland an den ersten freien Wahlen in ihrem Heimatland seit 40 Jahren positiv ausgefallen. Von Dienstag bis Samstag hätten insgesamt 771 Wahlberechtigte ihre Stimme in Berlin abgegeben, sagte der Berater der Wahlkommission Libyens in Deutschland, Nuri Graibei, am Sonntag.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Libyer zur ersten freien Wahl seit über 40 Jahren beglückwünscht und aufgefordert, die Demokratisierung ihres Landes weiter voranzutreiben. “Auf diesem weiteren Reformweg wird Deutschland Libyen tatkräftig unterstützen“, kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin an. Dringendste Aufgabe der neuen libyschen Nationalversammlung sei die Ausarbeitung einer Verfassung, die “dem Willen des libyschen Volkes nach Rechtsstaatlichkeit, nach Demokratie, nach Versöhnung und nach guter Regierungsführung Rechnung trägt“. (dpa, Reuters)