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Blick auf den Reichstag in Berlin: Regiert im Bund demnächst wieder eine Große Koalition?
© dapd

Lehren aus der Saarland-Wahl: Letzter Ausweg Große Koalition

Was lernen wir aus der Wahl an der Saar? Je tiefer die FDP in diesem Frühjahr fällt, desto lauter wird auch in Berlin der Ruf nach einer Großen Koalition ertönen. Am Ende bleibt der SPD nur die Rolle des Juniorpartners.

Das Saarland hat gewählt und es ist das herausgekommen, was absehbar war. In den kommenden fünf Jahren wird das kleine Land im Südwesten der Republik von einer Großen Koalition regiert. Die CDU stellt die Ministerpräsidentin und die SPD wird ihr Juniorpartner. Das ungeplante Wahlfrühjahr mit drei vorgezogenen Landtagswahlen beginnt unspektakulär. Der große Paukenschlag könnte in sieben Wochen in Nordrhein-Westfalen folgen, wenn die Wähler nicht nur eine Landesregierung wählen, sondern zugleich über das Schicksal der FDP und der schwarz-gelben Bundesregierung entscheiden.

Nach dem gestrigen Wahlsonntag versuchen die Parteien, schnell zur Tagesordnung überzugehen. Schließlich ist das kleine Saarland weit weg von Berlin und der Wahlausgang wurde stark von landespolitischen Besonderheiten geprägt. Trotzdem gibt es vor allem zwei bundespolitische Lehren, die sich aus der Wahl an der Saar ziehen lassen: Alle Spekulationen über eine Große Koalition nutzen der Union und die blockierte linke Mehrheit ist für Kanzlerin Merkel ein Machtgarant. Im neuen deutschen Vielparteiensystem gehört die SPD zu den strategischen Verlierern.

Die Christdemokraten reiben sich die Hände: Sie können in Saarbrücken regieren, obwohl ihr natürlicher Koalitionspartner FDP vom Wähler atomisiert wurde. Die SPD hingegen sitzt machtstrategisch in der Falle. Fast fühlt man sich an die hessischen Verhältnisse erinnert, die 2008 der Sozialdemokratin Andrea Ypsilanti zum rot-rot-grünen Verhängnis wurden.

Schon der Wahlkampf an der Saar bot ein Novum. Erstmals in der bundesdeutschen Parteiengeschichte haben die beiden großen Parteien CDU und SPD vor einer Landtagswahl offen und ohne Alternative für eine Große Koalition geworben. Die Wähler sollten am Sonntag nur noch darüber entscheiden, welche Partei den Ministerpräsidenten stellt. Und der Wähler hat eindeutig entschieden.

Die Anhänger der Union ließen sich von der Perspektive Große Koalition nicht schrecken. Kein Wunder, schließlich wollten sie, dass ihre Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer weiterhin regiert. Deren strategisches Kalkül ist nach dem Scheitern der Jamaika-Koalition aufgegangen.

Heiko Maas hat sich verspekuliert

Der Sozialdemokrat Heiko Maas hingegen hat sich verspekuliert. Vor zwei Monaten sah sich der bisherige Oppositionsführer schon als sicherer Wahlsieger und Ministerpräsident, in Umfragen lag die SPD deutlich vor der CDU. Jetzt haben die Wähler es anders herum entschieden. Kein Wunder, schließlich musste Maas im Wahlkampf plötzlich erklären, warum er nun ausgerechnet mit der Partei regieren wollte, die er zuvor mehr als ein Jahrzehnt lang bekämpft hatte. So hatten Oskar Lafontaine und die Linke mit ihrer Oppositionsstrategie sowie die Protestpartei Piraten ein leichtes Spiel, der SPD die entscheidenden Stimmen abzujagen.

Schon bislang wusste man, in der Großen Koalition verliert der kleine Koalitionspartner. Diese Erfahrung hat die SPD 2005 im Bund gemacht, aber auch in so unterschiedlichen Ländern wie Sachsen, Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein. Die CDU hingegen zahlte als Juniorpartner der SPD in Großen Koalitionen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern viel Lehrgeld.

Als neue Erfahrung aus Saarbrücken lässt sich nun hinzufügen: Die eigenen Wähler lassen sich von einer Oppositionspartei nicht an die Wahlurne bringen, wenn diese nicht zugleich eine Perspektive zur Ablösung der bisherigen Regierung bietet. Eine ähnliche Einsicht musste im Übrigen auch die grüne Spitzenkandidatin in Berlin gewinnen. Wie nun Maas im Saarland konnte im September vergangenen Jahres auch Renate Künast ihren Wählern ihr zentrales Wahlziel nicht vermitteln. Auch sie wollte in Berlin zwar einerseits Regierungschefin werden, aber andererseits mit der bisherigen Regierungspartei SPD und dem bisherigen Regierenden Bürgermeister Wowereit weiter regieren.

Widersprüchliche Botschaften bestraft der Wähler, er lässt sich nur mobilisieren, wenn es – wie zuletzt vor zwölf Monaten in Baden-Württemberg – klare Machtalternativen gibt. Und so kann die CDU in Saarbrücken mit Annegret Kramp-Karrenbauer auch deshalb weiterhin die Ministerpräsidentin stellen, weil zwar vier linke Parteien in den Landtag eingezogen sind, aber diese nicht zueinander finden.

Was Saarbrücken und der Bund gemeinsam haben

59 Prozent der Saarländer haben am Sonntag entweder SPD oder Grüne, Linke oder Piraten gewählt. Selbst eine rot-rote Mehrheit im saarländischen Landtag ist rechnerisch möglich. Doch der SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas bleibt eine tragische politische Figur. Er kann auch im dritten Anlauf nicht Ministerpräsident werden, weil eine regierungsunwillige und regierungsunfähige Linkspartei ihm im Wege steht. Für die Bundestagswahl 2013 lässt dies nichts Gutes erahnen.

Es mag sein, dass die beiden im Mai bevorstehenden Wahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen für die SPD besser ausgehen, in beiden Ländern ist eine rot-grüne Mehrheit möglich. Aber die Verhältnisse im Bund erinnern eher an Saarbrücken als an Kiel oder Düsseldorf. Die Linke wird aufgrund ihrer festen Verankerung im Osten wieder in den Bundestag einziehen. Die Piraten haben einen Lauf und können sich eigentlich nur noch selbst schlagen. Schon jetzt haben SPD und Grüne in keiner Umfrage zur Bundestagswahl eine Mehrheit und erfahrungsgemäß holen Regierungsparteien wieder auf, wenn der Wahltag näher rückt. Zudem ist Kanzlerin Merkel populärer als jeder mögliche sozialdemokratische Herausforderer.

Hinzu kommt, dass die SPD in Berlin schon jetzt faktisch mitregiert, zumindest in Sachen Euro-Rettung. Je tiefer die FDP in diesem Frühjahr fällt, desto lauter wird auch in Berlin der Ruf nach einer Großen Koalition ertönen. Die nächste Eurokrise kommt bestimmt, die Sozialdemokraten werden sich diesem Ruf also nicht völlig entziehen können. Am Ende bleibt der SPD als letzter Ausweg nur die Rolle des Juniorpartners in einer Neuauflage der Großen Koalition. Wer immer 2013 Kanzlerkandidat der SPD wird, ihm könnte also dasselbe Schicksal drohen, wie jetzt Heiko Maas im Saarland.

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