zum Hauptinhalt
Wolfgang Schäuble freut sich auf steigende Steuereinnahmen.
© dpa

Überschuss bei den Steuereinnahmen: L’état – c’est moi!

Warum kann der Staat die zusätzlichen Steuereinnahmen nicht an seine Bürger zurückgeben? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dr. Joachim Huber

Hurra, wir leben in einem Land, wo Milch und Honig fließen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble rechnet mit einem Überschuss von etwa fünf Milliarden Euro im Haushalt 2015. Der Etat des Bundes sieht keine neuen Schulden vor, das dicke Plus fließt, so schreibt es die Haushaltsordnung vor, in die Schuldentilgung. Deutschland ist doch kein Land, in dem Milch und Honig fließen, sondern ein Land, in dem der Staat nimmt, was er kriegen kann.

Er tut das nicht aus Arroganz, er tut es, weil die überragende Mehrheit der Bürger die Gier des Staates wenigstens hinnimmt. Die deutsche Gesellschaft ist zunehmend agnostisch orientiert, zugleich wurde eine neue Religion kreiert und akzeptiert: die Staatsgläubigkeit. Staat ist gut, Staat regelt, Staat versorgt, Vater und Mutter Staat kümmern sich um die Bürgerlein von der Wiege bis zur Bahre. Wehe allerdings, wenn nicht, dann wird geschrien, gefordert, protestiert.

Es wird für die Politik ein Leichtes sein, den prognostizierten Überschuss in neue Ausgaben zu verwandeln. Die Gießkannen stehen schon bereit: Der steuerliche Grundbetrag wird leicht angehoben, ebenso der Kinderfreibetrag, das Kindergeld und der Kinderzuschlag. Die schleichende Steuererhöhung im Kontext der kalten Progression wird eingedämmt. Es läuft auf ein Nullsummenspiel hinaus: Aus dem Überschuss wird die „Schwarze Null“. Geben, ausgeben, das perpetuum mobile dreht sich eben unendlich.

Ich möchte aus der Unmündigkeit entlassen werden

Wieso und woher weiß der Staat immer besser, wie er mein (Steuer-)Geld ausgeben soll? Habe ich mich als derart unfähig bis unmündig erwiesen, dass ich auch in Gelddingen betreut werden muss? Der Staat versteht sich famos auf die „Schwarze Finanzpädagogik“. Nun gut, es wehrt sich auch kaum einer, wenn er als inoffizieller Staatsdiener schuften und zahlen darf.

Der Staat kann investieren: Die Infrastruktur im Land beweist, wie gut das funktioniert. Er kann mit meinem Geld Schulden tilgen: Ich kann mich nicht so recht daran erinnern, dass ich ihn zum Schuldenmachen gezwungen habe. Er kann mir Geld zurückzahlen: Ich konsumiere, also bin ich. Nur ein stupider Hedonist, der in Milch und Honig baden möchte?

Nein, etwas anderes, vielleicht Größeres steckt dahinter. Ich möchte, wenigstens ein Stück weit, aus der vom Staat und von der Majorität der Bürger dekretierten Unmündigkeit entlassen werden. Bin im Gegenzug bereit, mich mehr um mich selber zu kümmern. Mehr an Geld heißt mehr Verantwortungsbewusstsein, mehr Eigeninitiative, mehr individuelles Nachdenken über Investition und Konsum. In meiner Einheit, in meiner Existenz bin ich mein eigener Kleinstaat.

Wo bleiben da die anderen, wenn alle nur in der geschilderten Weise an sich denken? Die Alleinerziehenden, die Alten, die Kranken, die Flüchtlinge? Sie alle befinden in ihren prekären Situationen, obwohl die dafür gedachten und gemachten staatlichen Ausgaben dank der Steuereinnahmen ständig gestiegen sind und weiter steigen werden. Der Staat mit seinen Institutionen muss jede unverschuldete Not lindern helfen. Auch mit meinem Geld, auch mit meinen Steuern. Zugleich muss er mich in die Lage versetzen, zu lindern, zu helfen. Mit meinem Geld und damit mit den Steuern, die mir nicht abverlangt wurden. Ich bin kein größerer Egoist, als der Staat einer ist.

Zur Startseite