NSU-Prozess in München: Lebenslange Haft gefordert - Beate Zschäpe blickt starr vor sich hin
Der Hauptangeklagten im NSU-Prozess droht ein tatsächlich lebenslanger Aufenthalt hinter Gittern. Der Bundesanwalt fordert die höchste Strafe.
Die Worte könnten härter nicht sein. „Das Leben der Angeklagten definierte sich über 13 Jahre durch Terror, Raub und Mord“, sagt Bundesanwalt Herbert Diemer. „Der Abgrund an Menschen- und Staatsfeindlichkeit macht es unumgänglich, die besondere Schwere der Schuld festzustellen.“ Beate Zschäpe reagiert, wie sie in den mehr als vier Jahren Prozess meistens getan hat: sie blickt starr vor sich hin, im Gesicht bewegt sich nichts. Obwohl der Bundesanwalt für sie die höchste Strafe fordert, die nach deutschem Recht möglich ist: Lebenslänglich mit besonderer Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung nach verbüßter Haft. Zschäpe, heute 42 Jahre alt, droht ein tatsächlich lebenslanger Aufenthalt hinter Gittern, sollte das Oberlandesgericht München dem Antrag des Anklägers folgen.
So endet am Dienstag im NSU-Prozess das erste Plädoyer mit einem nicht unerwarteten, aber doch heftigen Paukenschlag. Diemer hält Zschäpe vor, sie sei bei den Verbrechen der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ eine „mitsteuernde Tatgenossin“ gewesen, sie habe eine „außergewöhnliche kriminelle Energie“ gezeigt und ein „höllisches Finale“ inszeniert. Zschäpe hatte am 4. November 2011 in Zwickau mit zehn Litern Benzin die Wohnung in Brand gesetzt, in der sie mit den Mördern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gelebt hatte. Die Angeklagte habe noch ihre Katzen in Sicherheit gebracht, aber eine gebrechliche Nachbarin ihrem Schicksal überlassen, sagt Diemer. So handele „ein eiskalt kalkulierender Mensch“.
Lebenslange Strafe sei schuldangemessen
Der Bundesanwalt nennt die zehn Morde des NSU, die zwei Sprengstoffanschläge in Köln, die 15 Raubüberfälle, mit denen die Terrorzelle ihr Leben im Untergrund und die Taten finanzierte, sowie die Brandstiftung. Diemer hält bei 14 Delikten eine lebenslange Strafe für schuldangemessen. Das betrifft die Morde des NSU, die als Mordversuche gewerteten Angriffe in Köln, ein versuchter Mord bei einem Raubüberfall und der versuchte Mord an der Rentnerin in dem angezündeten Haus in Zwickau. Dass Zschäpe nur bei dem Brand am Tatort aktiv war und bei den anderen Verbrechen nicht, mildert aus Sicht der Bundesanwaltschaft nicht die Schwere der Schuld, die Zschäpe als Mitglied der terroristischen Vereinigung auf sich geladen habe.
Diemer und seine beiden Kollegen glauben auch nicht, dass Zschäpe sich geändert hat. Reue oder eine innere Umkehr seien den Einlassungen der Angeklagten im Prozess nicht zu entnehmen, sagt der Bundesanwalt. Er hält Zschäpe vor, sie habe auch heute noch eine „festeingewurzelte Neigung“ zu ideologischen Gewaltverbrechen. Deshalb sei eine Sicherungsverwahrung notwendig und auch verhältnismäßig. Diemer betont, „in Zeiten des Terrors müssen deutliche rechtsstaatliche Zeichen der Abschreckung gesetzt werden“.
Bei den vier Mitangeklagten argumentiert Diemer unterschiedlich. Der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben soll mit zwölf Jahren Haft für die Beschaffung der Pistole Ceska 83 büßen. Mit der Waffe hatten Böhnhardt und Mundlos neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen. Wohlleben ist auch heute noch Rechtsextremist, er bestreitet den Tatvorwurf. Doch Diemer schreibt ihm eine „bestimmende Rolle“ zu.
Bei Carsten S. hingegen, der die Pistole im Frühjahr 2000 den Terroristen übergeben hatte und wie Wohlleben der Beihilfe zu neunfachem Mord angeklagt ist, reichen der Bundesanwaltschaft drei Jahre Jugendstrafe aus. Carsten S. war zur Tatzeit erst 20, er hat sich bald danach von der rechtsextremen Szene gelöst und nach seiner Festnahme im Februar 2012 ausgepackt. Ohne die Angaben von Carsten S. „hätte die Anklage nicht erhoben werden können“, sagt Diemer. Dennoch verlangt er, S. müsse nochmal in den Strafvollzug. Der Angeklagte hatte nur vier Monate in Untersuchungshaft verbracht.
Zu den Mitangeklagten Holger G. und André E., die den NSU unterstützt haben sollen, will sich Diemer nach der Mittagspause äußern.