Wenn Fallzahlen weiter so rasant steigen: Lauterbach hält Ausgangssperren für vielleicht unvermeidbar
Der SPD-Politiker plädiert für härtere Maßnahmen als die, die bis zum 7. März galten. Die Zeit, bis die Impfungen an Tempo aufnähmen, müsste überbrückt werden.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält eine nächtliche Ausgangssperre zur Eindämmung der Corona-Pandemie noch nicht für zwingend notwendig – bei weiter rasant steigenden Fallzahlen dürfte sie aber kaum zu vermeiden sein, warnte der studierte Epidemiologe am Sonntagabend bei „Bild live“. Grund dafür sei, dass die sich ausbreitende Corona-Mutation B.1.1.7 auf einen Monat betrachtet „vier- bis achtmal so ansteckend“ sei wie das bisherige Virus.
„Bisher ist es keinem Land gelungen, die viel schnellere Pandemie mit dieser Mutation in den Griff zu bekommen, ohne dass es Ausgangsbeschränkungen im Lockdown gegeben hätte“, sagte Lauterbach. Gleichwohl müsse klar sein: „Ausgangsbeschränkungen sind die Ultima Ratio, man muss versuchen, das zu verhindern.“ Die einzige Chance dazu biete ein „sehr strenges Testkonzept“ mit zwei Tests pro Woche in allen Schulen und Betrieben. Die Kapazitäten hierfür würden „gerade fieberhaft aufgebaut“.
Lauterbach fordert angesichts stark steigender Corona-Infektionszahlen eine Rücknahme der jüngsten Lockerungsschritte und schärfere Maßnahmen, als sie bis Anfang März gegolten hatten. „Wir brauchen eigentlich einen härteren Lockdown, als wir ihn bis Anfang März hatten - und zwar jetzt bis Mitte April“, sagte Lauterbach am Sonntag im „Welt“-Interview vor den Bund-Länder-Beratungen am Montag.
Es gehe darum, die Zeit zu überbrücken, bis die Impfungen an Tempo aufnähmen und flächendeckend in allen Schulen und Betrieben Schnelltests zur Verfügung stünden. „Ideal wäre ein kurzer, harter Lockdown für drei bis vier Wochen, bis das Testen in Schulen und Betrieben richtig steht.“ Schulen sollten erst öffnen, wenn dort zweimal pro Woche Schnelltests gemacht werden könnten.
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Lauterbach warnte eindringlich vor den Folgen der Ausbreitung der Virus-Variante B.1.1.7. Diese sei ansteckender und tödlicher. Daher steckten sich auch Kinder leichter an, und 70-Jährige würden fast so häufig wie früher 80-Jährige sterben.
Nur ein Sechstel der Zunahme der Infektionszahlen ließe sich auf den verstärkten Einsatz von Schnelltests zurückführen. Wenn Deutschland es nicht schaffe, das Infektionsgeschehen zu entschleunigen, könne schon in wenigen Wochen ein bundesweiter Inzidenzwert von 200 erreicht sein.
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„Alle Länder, die die Mutation B.1.1.7 in den Griff bekommen haben, brauchten dazu einen härteren Lockdown, als wir ihn derzeit haben. Niemand kam dabei ohne Ausgangssperren aus“, sagte der SPD-Politiker. "Der Laie unterschätzt, wie schnell jetzt die Intensivkapazitäten volllaufen werden. Und wie deutlich dann die Zahl der Todesfälle steigt." (Tsp/dpa)