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Müssten viele zu Hause bleiben, könnte es im Alltag Einschränkungen geben.
© Imago Images/Rolf Kremming

Schnelles Freitesten von Omikron?: Lauterbach deutet kürzere Quarantäne an – andere Staaten sind schon weiter

Auch Deutschland drohen steigende Infektionszahlen. Doch die Quarantäne könnte verkürzt werden – aus Sorge um Personalmangel in der kritischen Infrastruktur.

Auf den ersten Blick scheinen die offiziellen Daten des Robert Koch-Institut (RKI) für Deutschland im internationalen Vergleich noch vergleichsweise niedrig. 42.770 Neuinfektionen meldete das RKI am Donnerstagmorgen, 2157 Fälle weniger als vor einer Woche. Allerdings stieg die Sieben-Tage-Inzidenz wieder leicht auf rund 207 an. Zudem gehen RKI und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) davon aus, dass diese Zahlen nicht das wahre Infektionsgeschehen und in Deutschland widerspiegeln – und die Omikron-Variante bereits deutlich verbreiteter ist.

Hintergrund ist, dass an den Feiertagen weniger getestet wird und die Gesundheitsämter verzögert melden. Die tatsächliche Inzidenz seit etwa zwei- bis dreimal so hoch, sagte Lauterbach am Mittwoch in Berlin. „Darüber hinaus sehen wir eine deutliche Zunahme der Omikron-Fälle, die uns Sorge macht.“

In Frankreich, Spanien, Großbritannien, Italien oder auch den USA beispielsweise sind die Zahlen der Neuinfektionen wegen Omikron bereits rasant gestiegen. Viele Regierungen fürchten, dass sich wegen Omikron schon bald massenhaft Menschen isolieren müssen und es so zu Personalmangel in kritischen Bereichen der gesellschaftlichen Infrastruktur wie beispielsweise dem Gesundheitssektor oder dem öffentlichen Verkehr kommen könnte. Mehrere Staaten haben daher wegen der als noch ansteckender geltenden Virusvariante die Quarantänedauer für Infizierte ohne Symptome bereits verkürzt.

In Deutschland empfiehlt das RKI derzeit, dass sich Infizierte und ihre Kontaktpersonen für 14 Tage isolieren beziehungsweise in Quarantäne begeben sollen. Das gilt auch für Geimpfte und Genesene. Eine Möglichkeit, sich im Falle eines asymptomatischen Verlaufs freizutesten, besteht für geimpfte Personen einem Infoblatt des RKI zufolge nach fünf Tagen. Auf dem entsprechenden Dokument aus dem Mai, also vor Omikron, steht: Gilt für alle Varianten, also auch für Omikron.

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Nun schließt Lauterbach auch für Deutschland eine Verkürzung der Quarantäne nicht aus. Aus der Ausbreitung der Omikron-Variante müssten Schlüsse gezogen werden, sagte er am Mittwochabend in der ARD. Die Frage sei, „was bedeutet das zum Beispiel für die Quarantänedauer, was bedeutet das für Kontaktreduzierungen“. Der Minister verwies darauf, dass sich der Expertenrat der Bundesregierung mit der Situation befasse, ebenso das RKI. „Wir werden in der nächsten Woche sicherlich gute Vorschläge unterbreiten können, spätestens.“ Für den 7. Januar ist bereits ein erneutes Bund-Länder-Treffen zur Lage angesetzt.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hält es für denkbar, Personen die geboostert sind, ganz von der Quarantäne-Pflicht zu befreien. „Wenn sich viele Menschen anstecken und in Quarantäne müssen, besteht die Gefahr, dass wir Probleme bei der Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur bekommen“, erklärte Holetschek gegenüber dem Nachrichtenportal Watson. Denkbar wäre deshalb „eine Befreiung von der Quarantäne für geboosterte Kontaktpersonen“, sagte der derzeitige Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder.

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In den USA hatte die Seuchenschutzbehörde CDC die Verkürzung der Quarantäne so begründet: „Die Mehrheit der Übertragungen von Sars-CoV-2 finden zwei bis drei Tage nach der Infektion statt.“ Deswegen könne man die Quarantäne-Regeln lockern. Für Infizierte wurde die Isolation daher von zehn auf fünf Tage verkürzt. Kontaktpersonen müssen sich in den USA nur noch in Quarantäne begeben, wenn sie ungeimpft sind oder ihre Zweitimpfung länger als sechs Monate zurückliegt.

Auch europäische Staaten reagierten bereits. In England können Infizierte bereits nach sieben statt nach zehn Tagen ihre Quarantäne verlassen. Voraussetzung dafür ist, dass Schnelltests an Tag sechs und sieben negativ ausfallen, wie die britische Regierung vor Weihnachten mitteilte. Damit sollen Ausfälle im Gesundheitssystem und anderen systemrelevanten Branchen reduziert werden.

Die neue Regelung solle „die Störungen im Alltag der Menschen reduzieren“, sagte der britische Gesundheitsminister Sajid Javid kurz vor Weihnachten. Es sei wichtig, dass alle sich regelmäßig testeten und sich bei positivem Ergebnis isolierten. In London, wo die Omikron-Variante besonders rasant um sich greift, sind bereits in etlichen Krankenhäusern und Rettungsdiensten viele Beschäftigte gleichzeitig ausgefallen.

Auch Spanien reduzierte die Quarantäne-Dauer von zehn auf sieben Tage. Und am Mittwochabend beschloss auch die Regierung in Rom, die bisherige zehntägige Quarantäne für geimpfte oder genesene Kontaktpersonen abzuschaffen. Nicht geimpfte Personen müssen weiterhin eine zehntägige Quarantäne einhalten. Nicht geimpfte Personen müssen weiterhin eine zehntägige Quarantäne einhalten. Diese Lockerung der Quarantänevorschriften soll verhindern, dass kritische Sektoren wie das Transportwesen lahmgelegt werden, wo eine große Zahl unter Quarantäne stehender Angestellter bereits zu zahlreichen Zugausfällen geführt hat.

Die Regierung in Paris will bis Ende der Woche darüber entscheiden, ob die Quarantäne-Dauer verkürzt werden soll, damit das Wirtschaftsleben nicht mehr als nötig ausgebremst wird.

Die Zahl der Infektionen mit der Omikron-Variante ist inzwischen auch in Deutschland weiter gestiegen. Wie das RKI am Donnerstag mitteilte, erhöhte sich die Gesamtzahl der erfassten Fälle binnen eines Tages um 28 Prozent auf 16.748. Damit gab es 3619 Fälle mehr als am Mittwoch. Erfasst wurden den Angaben zufolge auch Nachmeldungen aus den vergangenen Wochen.

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Dass Omikron auch in Deutschland wohl bald dominanter werden wird, legt auch ein Blick auf die regionalen Zahlen nahe. Lauterbach zufolge breitet sich die Virusvariante derzeit besonders im Norden Deutschlands aus. „Wir sehen sehr stark steigende Zahlen in Bremen, in Hamburg, in Schleswig-Holstein, auch in Nordrhein-Westfalen“, sagte er in der ARD. Dies hänge zum Teil mit der Nähe zu Dänemark und den Niederlanden zusammen, die gegenwärtig von der Variante besonders betroffen seien.

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Gemessen an der Zahl der Einwohner am stärksten von der Ausbreitung betroffen ist derzeit Hamburg. Insgesamt wurden hier vom RKI bislang 1684 Omikron-Fälle registriert, 218 davon sind per Sequenzierung bestätigt, bei 1466 besteht der Verdacht auf die Variante. Auf 100.000 Einwohner entfallen in Hamburg somit 91 Omikron-Infektionen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 16.

Hamburgs Sozialbehörde teilte dem „Spiegel“ hierzu mit: „Die räumliche Nähe zu europäischen Nachbarländern, in denen die Omikron-Variante bereits einen wesentlichen Teil des Infektionsgeschehens ausmacht – darunter Dänemark, die Niederlande und Großbritannien – und die in Hamburg regelmäßig hohe Mobilität dürfte der stärkeren Verbreitung und dem Eintrag der Omikron-Variante in Hamburg Vorschub leisten.“

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