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Ein Künstlerin gedenkt bereits am Vorabend des 4. Juni in Causeway Bay mit einem Kunstprojekt der Opfer des Tiananmen-Massakers.
© AFP/Isaac Lawrence

Trotz Verbot wollen Hongkonger an das Tiananmen-Massaker erinnern: „Lasst uns Geschichte nicht vergessen“

Trotz Verbot der Mahnwache wollen Hongkonger an das Tiananmen-Massaker vom 4. Juni 1989 erinnern. Dabei drohen in diesem Jahr bis zu fünf Jahre Haft.

Nirgendwo ist in den vergangenen Jahrzehnten Hongkongs politisches Prinzip „ein Land, zwei Systeme“ sichtbarer geworden als alljährlich am 4. Juni auf den sechs Kunstrasenplätzen im Victoria Park. Ab der nördlichen Grenze zur chinesischen Millionenstadt Shenzhen war und ist das Tiananmen-Massaker vom 4. Juni 1989 in Peking ein Tabuthema, Angehörige der Opfer werden in Festlandchina rund um den Jahrestag unter Hausarrest gestellt, jedes öffentliche Gedenken ist verboten. Im Hongkonger Victoria Park hingegen versammelten sich jährlich bis zu 180 000 Menschen, um der Toten und Verletzten jenes Tages mit einer Kerzenlicht-Mahnwache zu gedenken. Die zahlreichen Yuan-Noten in den Geldsammlungen bewiesen, dass auch Besucher aus Festlandchina unter den Teilnehmern waren. Das ist nun vorbei.

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In diesem Jahr ist die jährliche Mahnwache zum zweiten Mal in Folge von der Stadtregierung verboten worden. Offiziell wegen der Corona-Ansteckungsgefahr. Tatsächlich aber geht es Verwaltungschefin Carrie Lam eher darum Hongkong mit Festlandchina gleichzuschalten und auch in der ehemaligen britischen Kronkolonie das öffentliche Gedenken an die blutige Niederschlagung der chinesischen Studentenbewegung durch die Volksbefreiungsarmee zu verhindern. „Wir haben den Eindruck, dass die Regierung entschlossen ist, das Ereignis auszulöschen“, sagte Chow Hang Tung von der Allianz zur Unterstützung der demokratischen Bewegungen in China bei der Bekanntgabe des Verbots. „Es ist Teil eines breiteren harten Vorgehens.“ Die Organisatoren hätten vergeblich zugesagt, Regeln zum Mindestabstand einzuhalten.

Dass es eher darum geht, das Gedenken zu verhindern, beweisen auch die Ereignisse um das kleine „Tiananmen-Museum“ in Hongkong. Dieses existierte zwar schon zehn Jahre, musste aber vor wenigen Tagen schließen, weil es auf einmal keine Betriebserlaubnis habe, wie der Betreiber berichtete. Das Büro für Lebensmittel- und Umwelthygiene habe nach einer entsprechenden Beschwerde Ermittlungen aufgenommen, sagte er.

In sieben katholischen Kirchen sind Gedenkmessen geplant

Im vergangenen Jahr hatten trotz des Verbots mehrere tausend Menschen im Victoria Park des Massakers gedacht. Doch das war vor dem Inkrafttreten des neuen Sicherheitsgesetzes, mit dem viele Aktivitäten der Demokratiebewegung kriminalisiert wurden. Diesmal drohen Verhaftungen und bis zu fünf Jahre Haft für die Teilnahme an der Mahnwache. Der bekannte Demokratie-Aktivist Joshua Wong hat bereits für seine Anwesenheit 2020 im Victoria Park weitere zehn Monate Haft erhalten. Eine als „Großmutter Wong“ bekannte ältere Aktivistin wurde am Wochenende wegen „Teilnahme an einer ungenehmigten Versammlung“ verhaftet – dabei hatte sie ganz alleine an das Tiananmen-Massaker erinnert.

Trotz der Haftandrohung wollen auch an diesem Freitag Menschen in Hongkong „Liu Si“, wie der Tag auf Mandarin heißt, gedenken. Wie 2020 werden in sieben katholischen Kirchen Gedenkmessen unter Berücksichtigung der Corona-Abstandsregeln stattfinden. Die Ankündigung der Messen ist mit großer Vorsicht geschrieben, wie das „Wall Street Journal“ berichtet. Auf Plakaten heißt es: „Aus verschiedenen Gründen, die wir nicht weiter ausführen können: Aber lasst uns nicht die Geschichte vergessen.“ Auch private Gedenkveranstaltungen sind geplant. Die Bezirksabgeordnete Debby Chan will mit einer Gedichtlesung in ihrer Nachbarschaft erinnern. Im Internet finden sich Aufrufe an die Hongkonger, am Freitagabend überall in der Stadt innezuhalten und ein Kerze anzuzünden oder ein Handylicht anzuschalten. Einige Demokratie-Aktivisten wollen im Victoria Park spazieren gehen, schreibt das „Wall Street Journal“. Doch die Polizei wird nach „RTHK“-Informationen rund 3000 Beamte im Park haben, insgesamt sollen rund 7000 Polizisten die Stadt kontrollieren.

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