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Regenbogen über dem Regenwald in Malaysia.
© AFP

Klimakonferenz in Madrid: Lasst die Natur die Welt retten!

Wir müssen die bestehenden Ökosysteme der Erde selbst stärker nutzen, um die globale Erwärmung zu bekämpfen. Ein Gastbeitrag.

Sally Jewell ist Interimsvorsitzende der Naturschutzorganisation „The Nature Conservancy“. Aus dem Englischen von Sandra Pontow. Copyright: Project Syndicate, 2019.

Die internationalen Staats- und Regierungschefs tagen derzeit bei der 25. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP25) in Madrid , um konkrete Schritte zu diskutieren, wie sich die nationalen Ziele zur Verringerung der Emissionen erreichen und erhöhen lassen. Aber ebenso wichtig ist es, dass sich bei der COP25 Gelegenheit bietet, eines der mächtigsten Instrumente zur Bekämpfung des Klimawandels hervorzuheben: die Natur.

Natürliche Klimalösungen nutzen die Wälder, Wiesen, Feuchtgebiete und Böden der Welt, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Gesunde Ökosysteme absorbieren und speichern von sich aus Kohlenstoff. Und wenn sie nachhaltig geschützt, wiederhergestellt und bewirtschaftet werden, können sie für ein Drittel der Emissionsreduktionen sorgen, die notwendig sind, um das Ziel des Pariser Klimaabkommens für 2030 zu erreichen.

Anders gesagt bietet die Natur uns eine Chance, die wir nicht verpassen dürfen. Die Verringerung der Emissionen fossiler Brennstoffe ist von entscheidender Bedeutung, wird aber nicht ausreichen, um die globale Erwärmung unter 2 Grad, geschweige denn 1,5 Grad, im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu halten. Um eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten zu sichern, müssen wir Mittel für die Finanzierung naturbasierter Lösungen aufbringen. Alle Länder müssen damit beginnen, sie in ihre nationalen Klimaschutzzusagen aufzunehmen, und entsprechende Investitionen vornehmen.

Wenig Aufmerksamkeit – noch weniger Finanzierung

Vor zwei Jahren veröffentlichten Wissenschaftler der Naturschutzorganisation „The Nature Conservancy“ und ihrer Partner neue Forschungsergebnisse, die das Potenzial von naturbasierten Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels aufzeigen. Doch solchen Klimalösungen wird nach wie vor relativ wenig Aufmerksamkeit zuteil – und noch weniger Finanzierung.

Glücklicherweise könnte sich das nun ändern. Im September standen naturbasierte Lösungen im Mittelpunkt der UN-Klimawoche in New York City. Obwohl diese Veranstaltung der Forderung von UN-Generalsekretär António Guterres nach „klaren Schritten zur Verbesserung der national festgelegten Klimaschutzbeiträge bis 2020“ nicht gerecht wurde, bot sie einer neuen Generation von Klima- und Naturschützern eine Plattform. Vom internationalen Bündnis Youth4Nature bis zur schwedischen Aktivistin Greta Thunberg waren junge Menschen vor Ort, um zu fordern, dass die heutige politische Führung für die Probleme geradesteht, die ihre Generation erben wird.

Die Klimawoche hatte außerdem eine Ankündigung einer von China und Neuseeland geführten Koalition zufolge, die sich auf die Förderung naturbasierter Lösungen sowohl in den nationalen Klimaplänen als auch im Unternehmenssektor konzentriert. Und auch die Privatwirtschaft selbst ist neue Verpflichtungen eingegangen, wobei eine Gruppe von 230 internationalen Investoren (die 16,2 Billionen Dollar an verwalteten Vermögenswerten repräsentieren) Unternehmen aufforderte, Maßnahmen gegen die Entwaldung in ihren Lieferketten zu ergreifen.

Nur vier Prozent der Klimaschutzmittel für natürliche Lösungen

Die politischen Entscheidungsträger müssen diese Dynamik jetzt beibehalten, indem sie sich eingehender damit beschäftigen, was die Natur tun kann, um den Klimawandel abzuschwächen. Eine vielversprechende Lösung ist beispielsweise die nachhaltige Agroforstwirtschaft, bei der neben einheimischen Bäumen auch landwirtschaftliche Nutzpflanzen angebaut werden. Die Ausweitung dieser Praxis kann die Ernährungssicherheit erhöhen, das Einkommen in ländlichen Gemeinden steigern und gleichzeitig die Bodengesundheit wiederherstellen, Kohlenstoff binden und Wildtiere nähren.

Australien, wo massive Buschbrände Menschen und Wildtiere gefährden – und enorme Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre freigesetzt werden –, ist Wegbereiter für eine weitere naturbasierte Lösung. „The Nature Conservancy“ arbeitet gemeinsam mit indigenen Gemeinschaften daran, die Gesundheit der Grassavanne zu verbessern und die Gefahr katastrophaler Waldbrände zu verringern. Indigene Ranger, die auf traditionelles Wissen zurückgreifen, das Tausende von Jahre zurückreicht, entfachen kleine, kontrollierte Feuer, um zu verhindern, dass Ansammlungen von trockenem Gras entstehen, die größeren, heißeren Buschbränden als Nahrung dienen. Dieses Programm trägt zu gesünderen Graslandschaften bei und generiert Einkommen für indigene Gemeinschaften durch den Verkauf von Emissionszertifikaten.

Obwohl natürliche Systeme eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des Klimas spielen, erhalten naturbasierte Lösungen immer noch weniger als vier Prozent der gesamten öffentlichen Mittel für Klimaschutzmaßnahmen. Frankreich, Schweden, Südkorea, das Vereinigte Königreich und einige andere Länder haben sich verpflichtet, die Mittel für internationale Bemühungen zum Schutz der Umwelt und ihre Wiederherstellung zu erhöhen. Aber wenn nicht mehr Länder ähnliche Verpflichtungen eingehen, werden natürliche Klimalösungen nicht die notwendige Größenordnung erreichen.

Natürliche Systeme sind immer größeren Bedrohungen ausgesetzt

Schlimmer noch: Natürliche Systeme, die Teil der Lösung der Probleme des Klimawandels sein könnten, sind immer größeren Bedrohungen ausgesetzt. Wir alle haben die jüngsten Bilder von Bränden gesehen, die im Amazonas-Regenwald wüten, der eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Weltklimas spielt. Rekordtemperaturen, Umweltverbrechen, schwache Kontrollen, ineffektive Brandbekämpfung und andere Faktoren haben die Anfälligkeit von Systemen erhöht, die einen überproportionalen Anteil am Kohlenstoff des Planeten speichern.

Die Umwandlung und Zerstörung von Naturflächen und Meereslebensräumen ist weltweit im Gange. Solche Praktiken untergraben unsere Fähigkeit, uns an Klimaeffekte wie den steigenden Meeresspiegel anzupassen. Und sind eine unmittelbare Bedrohung für unsere Ernährungssicherheit, da Arten ausgerottet werden, die Pflanzen bestäuben, zur Bodengesundheit beitragen und Lebensräume für Fische und andere Meereslebewesen bieten.

Die COP25 bietet den Staats- und Regierungschefs der Welt die Möglichkeit, diese Themen im Hinblick auf das Jahr 2020 aufzugreifen, das ein wahres „Superjahr der Umwelt“ sein wird. Neben dem Abschluss eines internationalen Abkommens zum Schutz der Hohen See und der Schaffung eines neuen Rahmens für das UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt werden die Regierungen zudem ihre Klimaverpflichtungen auf der COP26 in Glasgow überprüfen.

Aber alle Verpflichtungen, die die Länder bei diesen Treffen eingehen, werden ohne konkrete Pläne zu ihrer Unterstützung wenig bringen. Wir haben die Wissenschaft, und wir haben die Lösungen. Was wir jetzt brauchen, sind Maßnahmen, die sich die Kraft der Natur zunutze machen. Unsere gemeinsame Existenz auf diesem Planeten hängt davon ab.

Sally Jewell

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