Krise in der Ukraine: Lassen Sie uns reden, Herr Putin
Mehr als 300 Menschen sind laut UN-Angaben bei Kämpfen in der Ostukraine seit Anfang September gestorben. Nun wollen Putin und Poroschenko offenbar wieder verhandeln, bei einem persönlichen Treffen.
Im Ukraine-Konflikt geht es ein wenig voran. Immerhin hat nun Präsident Petro Poroschenko Gespräche mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin kommende Woche in Mailand angekündigt. „Ich erwarte nicht, dass es einfache Verhandlungen werden“, sagte der ukrainische Präsident am Samstag in Charkow. Dabei solle es sowohl um Frieden in der Ostukraine als auch um den Gasstreit zwischen Kiew und Moskau gehen, sagte Poroschenko weiter. Er werde außerdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Regierungschefs Italiens und Großbritanniens, Matteo Renzi und David Cameron, treffen, sagte er örtlichen Medien zufolge.
Eine Bestätigung des Kreml lag zunächst nicht vor. Ein Gespräch beim europäisch-asiatischen Gipfeltreffen (Asem) in Mailand am 16. oder 17. Oktober sei aber nicht ausgeschlossen, hatte ein Berater Putins zuvor gesagt.
Gouverneur von Donezk gefeuert
Poroschenko hatte am Freitag Polizeigeneral Alexander Kichtenko zum Nachfolger des entlassenen Donezker Gouverneurs Sergej Taruta ernannt, der mehrfach seinen Friedensplan kritisiert hatte. Die Führung in Kiew bereitet nach dem Wechsel des Gouverneurs in der umkämpften Konfliktregion Donezk die Parlamentswahlen auch im Separatistengebiet vor. Das Militär werde deswegen nicht mit den Aufständischen kämpfen, sagte der neue Kiew-treue Chef des Gebiets Donezk. „Aber wir werden die Wahlen auf jeden Fall in den Gebieten abhalten, die die ukrainischen Behörden kontrollieren“, fügte Kichtenko russischen Agenturen zufolge hinzu. Die moskautreuen Separatisten in Donezk und Lugansk wollen sich an den Wahlen zur Obersten Rada am 26. Oktober nicht beteiligen. Sie planen eigene Wahlen Anfang November und wollen damit ihre Forderung nach Unabhängigkeit bekräftigen. Die Regierung in Kiew schließt eine Abspaltung der Ostukraine aus. Kichtenko kündigte Verhandlungen mit den Aufständischen an. Die Separatisten lehnten Gespräche mit ihm aber entschieden ab. Die Gebietshauptstadt Donezk und weite Teile der Region seien unter ihrer Kontrolle, sagte Separatistenführer Andrej Purgin. Purgin forderte eine Einhaltung der vor fünf Wochen vereinbarten Waffenruhe. Sowohl die Armee als auch die prorussischen Separatisten warfen sich gegenseitigen Beschuss in der Nacht zum Samstag vor.
Angriffe aus Zivilisten?
Separatistenführer Alexander Sachartschenko rief eine „absolute Waffenruhe“ aus. Wenn diese eingehalten werde, solle in wenigen Tagen der vereinbarte Abzug schwerer Kriegstechnik von der Front beginnen, sagte er. Sicherheitsratssprecher Andrej Lyssenko teilte mit, Kiew sei zu einem Rückzug seiner Geschütze bereit, sobald auch die Aufständischen ihre Waffen zurückzögen. Russland warf der Ukraine vor, mit tödlichen Angriffen auf Zivilisten gegen die Feuerpause zu verstoßen. Zwar seien die Gefechte im Konfliktgebiet zuletzt zurückgegangen, doch setzten Regierungstruppen den Beschuss in Donezk, Lugansk und anderen Orten fort, sagte der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin in einer vom Außenministerium in Moskau veröffentlichten Rede. Kiew gab zunächst keine Stellungnahme ab.
Unterdessen sind bei Kämpfen im Osten der Ukraine am Samstag fünf Menschen getötet worden. In Donezk starben drei Zivilisten bei Gefechten, weitere Opfer gab es laut Armee- und Behördenangaben in der Region Lugansk
Schon mehr als 300 Tote
Die Armee teilte mit, ihre Stellungen in den Regionen Donezk und Lugansk seien in der Nacht angegriffen worden. Die Industriestadt Donezk wird seit Monaten größtenteils von prorussischen Separatisten kontrolliert. Der Flughafen im Norden sowie mehrere Dörfer im Osten der Stadt werden jedoch von den Regierungstruppen gehalten.
Auch aus der benachbarten Region Lugansk wurden am Samstag Gefechte gemeldet. Laut dem Provinzgouverneur wurde ein älterer Mann beim Einschlag einer Granate in sein Haus in Popasne getötet. Südlich von Donezk starb nach Armeeangaben ein Soldat bei einem Angriff auf einen Konvoi der Grenzschutztruppen. Laut den Behörden in Kiew wurden damit seit Anfang September 120 Soldaten und Zivilisten getötet; die UN beziffern die Opferzahl auf mehr als 300. (dpa/AFP)