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Tausende Menschen auf den Straßen von Belarus.
© - / TUT.BY / AFP

Zehntausende demonstrieren erneut in Minsk: Langwieriger Machtkampf in Belarus - ohne Ende?

Die vierte Woche in Folge kommt es zu Massenprotesten gegen Lukaschenko. Dessen Geheimdienst hat die Oppositionelle Kowalkowa außer Landes geschafft.

Der Druck bleibt hoch – auf beiden Seiten. Einen Monat nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus ringen Präsident Alexander Lukaschenko und die Demokratiebewegung, die ihm massiven Wahlbetrug vorwirft, um die Macht. Bewegung gibt es kaum: Lukaschenko sieht sich, vor allem durch die Unterstützung aus Moskau, weiter an der Spitze. Die Opposition auf der Straße erwartet einen langwierigen Machtkampf.

Am Sonntag demonstrierten trotz Verbot und Warnungen wieder Zehntausende in der Hauptstadt Minsk. Die Demokratiebewegung hatte zu einer Großveranstaltung dem Unabhängigkeitsplatz unter dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ aufgerufen.

Sicherheitskräfte sperrten das Zentrum ab. Panzerfahrzeuge waren auf den Straßen zu sehen. Auch in anderen Städten gab es Proteste und Festnahmen.

Zuvor waren am Samstag mehrere Tausend Frauen mit Flaggen und Blumen durch Minsk gezogen. Die Polizei griff nicht ein. Einsatzkräfte gehen ansonsten immer wieder gegen Aktivisten vor. Auf Videos in sozialen Medien war zu sehen, wie Menschen bei kleineren Protestaktionen in Minibusse gezerrt wurden. Staatsmacht und Bürger lieferten sich Rangeleien und Verfolgungsjagden zu Fuß.

Brutal gingen Polizisten gegen Studenten seit Semesterbeginn in der vergangenen Woche vor. Aufnahmen zeigten rabiate Festnahmen in einer Hochschule. Auch als später Kommilitonen friedlich im Minsker Zentrum gegen das Vorgehen demonstrierten, griffen Maskierte ein und pferchten Demonstranten in Transporter. Das Bildungsministerium kündigte an, Kontrollen an den Universitäten zu verstärken.

Sicherheitskräfte gehen im Zentrum von Minsk in Stellung.
Sicherheitskräfte gehen im Zentrum von Minsk in Stellung.
© imago images/ITAR-TASS

Mit „langer Haft“ gedroht

Nicht zimperlich zeigen sich die Behörden auch gegenüber den Anführern der Opposition. Am Samstag schilderte in Warschau Olga Kowalkowa, Präsidiumsmitglied des Koordinierungsrates für einen friedlichen Machtwechsel, ihre Erlebnisse. Sie war Ende August – wie auch Mitstreiter Sergej Dylewski festgenommen und zu mehreren Tagen Gefängnis verurteilt worden.

Nun berichtete sie, sie sei bedroht und dann mit einem Auto des Geheimdienstes KGB vom Gefängnis zur polnischen Grenze gebracht worden.

Olga Kowalkowa musst nach Polen fliehen. Der Geheimdienst brachte sie bis an die Grenze.
Olga Kowalkowa musst nach Polen fliehen. Der Geheimdienst brachte sie bis an die Grenze.
© imago images/ITAR-TASS

Während der Fahrt habe sie am Boden liegen müssen. Am Grenzübergang sei sie freigelassen worden, von dort habe sie ein polnischer Busfahrer mitgenommen. Alles was ihr in den vergangenen Tagen und Wochen passiert sei, erachte sie als „Folter“, sagte Kowalkowa. Immer wieder habe man ihr mit „langer Haft“ gedroht, so die 36-Jährige.

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„Jeder entscheidet für sich, was er machen will“

Kowalkowa war vor der Wahl aktiv im Wahlkampfteam von Lukaschenkos Konkurrentin Swetlana Tichanowskaja. Die war kurz nach Abstimmung auf Druck der Behörden nach Litauen geflohen. Eine weitere führende Oppositionelle, Veronika Zepkalo, war aus Angst vor Verhaftung kurz vor der Wahl nach Moskau ausgereist.

Die Behörden versuchen Druck auf die Opposition auszuüben. Die aber organisiert sich zu großen Teilen selbstständig über das soziale Netzwerk Telegram. „Jeder entscheidet für sich, was er machen will“, sagte Maria Kolesnikowa, eine der bekanntesten Aktivistinnen, kürzlich dem Tagesspiegel. „Man weiß nie, wie der Protest aussieht.“

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