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Polizeianwärter sollen künftig häufiger auch vom Verfassungsschutz in den Blick genommen werden. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
© picture alliance / Bernd von Jut

Schärfere Kontrollen von Polizeianwärtern: Länder planen Regelabfragen beim Verfassungsschutz

Polizeibewerber sollen künftig stärker auf ihre Verfassungstreue hin geprüft werden. Was sehen die Pläne genau vor?

Seinen ablehnenden Kurs zu einer polizeiinternen Rassismus-Studie hat er nicht aufgegeben, aber in der Sache gibt es Bewegung: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat am Dienstag angekündigt, eine Studie zu Rassismus im Alltag in Auftrag geben zu wollen.

Daneben soll der Arbeitsalltag von Polizisten näher unter die Lupe genommen werden. Zuvor hatte SPD-Vizekanzler Olaf Scholz überraschend im WDR Cosmo-Podcast „Machiavelli“ angekündigt, die Bundesregierung wolle polizeiinternen Rassismus jetzt doch unabhängig untersuchen lassen. Offensichtlich gibt es intern noch Redebedarf.

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Jenseits von widersprüchlichen Ankündigungen zu geplanten Studien gibt es Änderungen, die bereits beschlossene Sache sind. So verschärfen etwa mehrere Bundesländer derzeit ihre Gesetze, um Polizeibewerber künftig noch stärker auf ihre Verfassungstreue zu prüfen. Konkret geht es um die sogenannte Regelabfrage beim Verfassungsschutz.

Standardmäßig und ohne Anfangsverdacht soll der Verfassungsschutz künftig Daten über Bewerber liefern, so der Plan. In fünf Bundesländern - Bremen, Niedersachsen, Bayern, Saarland und Mecklenburg-Vorpommern - ist nach Angaben der dortigen Innenministerien die Einführung einer solchen Regelabfrage vorgesehen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnt nach wie vor eine Studie, die ausschließlich Rassismus in den Reihen der Polizei untersucht, ab.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnt nach wie vor eine Studie, die ausschließlich Rassismus in den Reihen der Polizei untersucht, ab.
© imago images/Jürgen Heinrich

In Mecklenburg-Vorpommern sieht das geplante Gesetz, das Anfang 2021 in Kraft treten soll, vor, dass künftig auch eine Regelabfrage für alle Beamten des Justizdienstes gelten soll, also nicht nur für Polizeibewerber. In Bayern betrifft die Regelprüfung bereits alle Polizeianwärter ab dem kommenden Frühjahr 2021.

Regelabfrage nicht unumstritten

Die Maßnahme ist nicht unumstritten. Sechs weitere Bundesländer prüfen derzeit, ob sie die Datenabfrage zum Standard machen. Das sächsische Innenministerium, das zu diesen sechs Ländern gehört, gibt auf Anfrage zu bedenken, dass die „Regelabfragen in die Grundrechte der Bewerber auf informationelle Selbstbestimmung und freie Berufswahl eingreifen“. Auch Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hessen befinden sich noch im Abstimmungsprozess.

Das hessische Innenministerium betont, dass man eine künftige Standard-Abfrage nicht ausschließe, derzeit aber das Urteil der im September einberufenen Expertenkommission abwarte. Diese war eingesetzt worden, nachdem mehrere Vorfälle mit rechter Gesinnung unter Polizeibeamten bekannt wurden, unter anderem ging es um unerlaubte Abfragen persönlicher Daten auf Polizeicomputern in Frankfurt und Wiesbaden.

Die Kommission soll im Frühjahr Ergebnisse liefern. Dann entscheidet sich, ob auch Hessen mitzieht und Polizeianwärter künftig immer durch den Verfassungsschutz überprüfen lässt.

Zwei Länder, Thüringen und Sachsen-Anhalt, sehen auch künftig von einer Regelabfrage ab: Der Verfassungsschutz wird dort weiterhin erst bei einem begründeten Verdacht gegen Bewerber aktiv, Polizeianwärter müssen der Überprüfung zustimmen. Zu letzterem ist allerdings ein Hinweis wichtig: Wenn ein Bewerber einer potenziellen Überprüfung durch den Verfassungsschutz nicht zustimmt, wird er aus dem Bewerbungsprozess ausgeschlossen. Das bestätigen mehrere Innenministerien auf Anfrage.

Regelabfragen existieren bereits

In Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hamburg existieren die Regelabfragen bereits. In NRW, wo kürzlich dutzende Fälle von rechter Gesinnung unter Polizeibeamten bekannt wurden, gibt es sie seit 2018. Wie es dennoch zu 104 rechtsextremen Verdachtsfällen seit 2017 kommen konnte, erklärt das dortige Innenministerium damit, dass es sich um Beamte handele, die schon länger im Dienst waren. Die Regelabfrage gelte nur für Polizeianwärter.
Eine Schwachstelle, die auch die Innenbehörde in Brandenburg benennt. Ein Sprecher gibt zu bedenken, dass es bislang unklar sei, welche Konsequenzen eine Meldung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen durch den Verfassungsschutz habe, wenn sich ein Mitarbeiter bereits im Beamtenverhältnis befinde.

In Brandenburg liegen die im Bundesvergleich weitreichendsten Änderungen auf dem Verhandlungstisch. Nach dem Willen des brandenburgischen Innenministers, Michael Stübgen (CDU), soll es künftig eine verdachtsunabhängige Prüfung aller Anwärter im öffentlichen Dienst geben. Darüber hinaus auch eine „Nachberichtspflicht“, also ein Melden von Auffälligkeiten, die erst später bekannt werden. „Wir müssen für den gesamten öffentlichen Dienst sicherstellen können, dass sich keine Extremisten einschleichen“, sagte Stübgen dem Tagesspiegel.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Konstantin Kuhle, plädiert bei der Einstellung von Personal in Sicherheitsbehörden für eine bundesweite Regelabfrage beim Verfassungsschutz. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Konstantin Kuhle, plädiert bei der Einstellung von Personal in Sicherheitsbehörden für eine bundesweite Regelabfrage beim Verfassungsschutz. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa
© dpa

Forderung nach bundesweit einheitlichen Regeln

Auch der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle plädiert für die Ausweitung der Regelabfrage auf alle Sicherheitsbehörden und für eine bundesweit einheitliche Regelung. „Es kann nicht sein, dass Innenminister in Sonntagsreden sagen ‚Wir nehmen das Thema Rechtsextremismus ernst', aber dabei keinen Konsens bei der Regelanfrage hinbekommen“, sagte Kuhle dem Tagesspiegel.

Die Regelabfrage sei kein „Allheilmittel“, aber ein "wichtiger Baustein in einer Gesamtstrategie". Wenn bestimmte Länder ausscheren, sei das "kontraproduktiv".

Verfassungsschutz hält sich zurück

Das Bundesamt für Verfassungsschutz äußert sich in der Sache zurückhaltend. "Wir mischen uns nicht in die politische Debatte ein", sagt ein Sprecher auf Tagesspiegel-Anfrage. Es sei zum jetzigen Zeitpunkt schwierig, zur genauen Ausgestaltung der Regelanfrage Stellung zu beziehen. Hier verweist die Behörde auf das Bundesinnenministerium.

Auch auf die Frage, ob eine flächendeckende Regelabfrage die Kapazitäten der Verfassungsbehörden sprengen würde, weist das Amt lediglich darauf hin, dass dies "vom Einzelfall abhängig" sei. Schon jetzt gibt es in allen Bundesländern Kontrollmechanismen, die auf die Prüfung von Verfassungstreue bei Polizeianwärtern abzielen. Ob sich die Regelabfrage als zusätzliches Mittel durchsetzen und für welche Gruppen sie gelten wird, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

Fatima Abbas

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