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Ken Livingstone, ehemaliger Bürgermeister von London., am Donnerstag vor seinem Haus.
© imago/i Images

Großbritannien: Labour geht nach Hitler-Äußerung gegen Ken Livingstone vor

Die Labour Party in Großbritannien geht wegen einer Hitler-Äußerung gegen den Ex-Bürgermeister von London, Ken Livingstone, vor. Die Partei hat zunehmend Probleme mit Antisemitismus und der Nähe zu Islamisten.

Nach umstrittenen Hitler-Äußerungen geht die britische Labour Partei gegen den ehemaligen Londoner Bürgermeister Ken Livingstone vor. Die Mitgliedschaft des 70-Jährigen, der von 2000 bis 2008 Bürgermeister war, wurde ausgesetzt, eine Untersuchung eingeleitet.

Er hatte zuvor in einem BBC-Interview gesagt, Hitler habe zunächst Pläne gehabt, die deutschen Juden nach Palästina umzusiedeln. Hitler „unterstütze den Zionismus, bevor er verrückt wurde und sechs Millionen Juden umbrachte“, sagte der Ex-Bürgermeister in dem Interview. Ein Labour-Parlamentarier warf Livingstone vor laufenden Kameras am Donnerstag vor, ein „Apologet der Nazis“ zu sein.

Zudem hatte Livingstone Unterstützung für die Labour-Abgeordnete Naz Shah geäußert, die ebenfalls suspendiert wurde.

"Ihre Bemerkungen waren übertrieben, aber sie ist nicht antisemitisch", sagte Livingstone. Shah hatte vor ihrer Zeit als Abgeordnete auf Facebook ein Bild veröffentlicht, auf dem Israel als Teil der USA zu sehen ist. Es trägt die Überschrift: "Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt: Verlagert Israel in die USA", versehen mit dem Kommentar "Problem gelöst". Außerdem veröffentlichte sie einen Kommentar mit dem Hashtag #IsraelApartheid mit den Worten: "Vergesst nie, dass alles, was Hitler in Deutschland getan hat, legal war."

Livingstone sagte der BBC, er sei seit 40 Jahren in der Labour-Partei und habe "nie jemanden etwas Antisemitisches sagen hören", sagte Livingstone weiter. "Ich habe viel Kritik über den Staat Israel und seine Misshandlung der Palästinenser gehört, aber ich habe nie einen gehört, der antisemitisch war."

Londoner Bürgermeisterwahl im Schatten des Islamistenvorwurfs

In anderthalb Wochen wählen die Londoner einen neuen Bürgermeister. Auch wenn die Wahl im Schatten des Brexit-Referendums Ende Juni steht, wird mit härtesten Bandagen gekämpft. Favorit für die Nachfolge des konservativen Politpromis Boris Johnson ist Sadiq Khan von der Labour-Partei, ein Muslim mit pakistanischen Wurzeln. Premierminister David Cameron versucht, Khan mit Islamisten in eine Ecke zu stellen, um die Hauptstadt für seine Tories halten zu können.

Johnson eroberte das Londoner Rathaus 2008 für die Tories und wurde 2012 wiedergewählt. 2015 ließ er sich ins britische Unterhaus wählen, nun tritt er nicht mehr bei der Bürgermeisterwahl an. Sein unausgesprochenes Ziel, so mutmaßen viele, ist die Nachfolge von Regierungschef Cameron.

Johnson wirbt für den Brexit, den britischen Ausstieg aus der EU. Damit hätte der charismatische Politiker mit dem unkonventionellen Image eine gute Position für den Kampf ums Regierungsamt, sollte Cameron mit seinem Werben für den EU-Verbleib scheitern.

Für die Tories tritt im Rennen um Johnsons Nachfolge als Londoner Rathauschef Zac Goldsmith an, Sohn des Milliardärs Jimmy Goldsmith. Bislang ist es ihm nicht gelungen, zu Busfahrer-Sohn Khan aufzuschließen. Umfragen sehen Goldsmith bei 27 Prozent, acht Punkte hinter dem Labour-Kandidaten.

Um für seine Konservativen den Verlust Londons nach acht Jahren und kurz vor dem Brexit-Referendum abzuwenden, hat sich Cameron selbst in die Schlacht geworfen - und schwere Geschütze aufgefahren: Bei einer Fragestunde im Unterhaus warf er Khan vor, neun Mal an der Seite des muslimischen Geistlichen Suleiman Ghani aufgetaucht zu sein. Dabei unterstütze Ghani die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), sagte Cameron.

"Wenn wir nicht nur den gewalttätigen Extremismus verurteilen wollen, sondern auch den Extremismus, der Gewalt in jeder Form zu rechtfertigen sucht, ist es sehr wichtig, nicht diese Leute zu unterstützen und uns nicht an ihrer Seite zu zeigen", sagte der Regierungschef. Er sei "beunruhigt", dass Kahn "wieder und wieder und wieder" mit Ghani aufgetaucht sei.

Die Labour-Abgeordneten unterbrachen Cameron bei diesen Ausführungen lautstark, manche warfen Cameron vor, er sei ein Rassist. Parteichef Jeremy Corbyn nannte die Unterstellungen skandalös. Die Methoden der Konservativen gereichten Donald Trump zu Ehren, sagte die Labour-Parlamentarierin Chuka Umunna mit Blick auf den rechtspopulistischen Präsidentschaftsanwärter der US-Republikaner.

Dossier über Kontakte zu Schwulengegnern und Antisemiten

Khan beklagte sich seinerseits über die "schmutzige" Kampagne, mit der Zweifel an seiner Integrität geweckt werden sollten. Zwar habe er Extremisten getroffen, doch sei dies stets im Rahmen seiner Arbeit als Spezialanwalt zur Verteidigung der Menschenrechte geschehen. Er bedauere, wenn dadurch der Anschein erweckt worden sei, "dass ich ihren Parolen beipflichte". Dabei habe er klargemacht, dass er extremistische Sichtweisen "abstoßend" finde.

Doch kaum hatte Cameron im Parlament gesprochen, habe das Team von Goldsmith ein "Dossier" über "die Verbindungen Herrn Khans zu verurteilten Terroristen, Hasspredigern, Schwulengegnern und Antisemiten" verbreitet, berichtete die Zeitung "The Guardian". Die Wahlkampfstrategen seien offenbar der Meinung, Goldsmith könne die Wahl am 5. Mai noch gewinnen, wenn sie seinen Gegner in Verbindung mit radikalen Muslimen bringen, spekulierte die Zeitung.

Doch der Schuss könnte nach hinten losgehen, ahnt der Politikwissenschaftler Tony Travers. Khan sei "offenkundig ein moderner, fortschrittlicher Muslim". Angriffe, die seine Religion in Verruf bringen, könnten denjenigen, die sie starten, auf die Füße fallen.

Khan selbst ist auf der Hut. In seiner Familie seien alle Boxer gewesen, berichtete er der Zeitung "New Statesman". "Das gibt einem Selbstvertrauen, wenn man gereizt wird." (AFP/dpa)

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