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Mogelpackung: Nur ein kleiner Teil der Labour-Abgeordneten ist gegen den Brexit. Die Mehrzahl kommt aus Wahlbezirken, die für den Austritt aus der EU gestimmt haben.
© Oli Scarff/AFP
Update

EU-Austritt Großbritanniens: Labour fordert zweites Brexit-Referendum

Die britische Opposition unterstützt die Forderung nach einem neuem Brexit-Referendum. EU-Spitzenbeamte wollen den Verhandlern im Unterhaus mehr Zeit geben.

Die britische Labour-Partei stellt sich hinter die Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum. Das teilte die größte Oppositionspartei in Großbritannien am Montagabend auf ihrer Webseite mit. Zuvor will die Labour-Partei jedoch versuchen, die Regierung von ihren eigenen Brexit-Plänen zu überzeugen.

Mit dem Schritt solle ein „schädlicher Tory-Brexit auf der Grundlage von Theresa Mays mehrheitlich abgelehntem Deal“ verhindert werden, wurde Labour-Chef Jeremy Corbyn in der Mitteilung zitiert. Seine Partei werde einen entsprechenden Antrag entweder selbst vorlegen oder mittragen, betonte Corbyn. Unklar blieb, ob eine Abkehr vom Brexit dabei eine Option sein soll.

Am Mittwoch wolle die Partei bei der anstehenden Abstimmung über die weiteren Brexit-Schritte jedoch zunächst versuchen, die Regierung auf die Labour-Forderungen einzuschwören, betonte Corbyn der Mitteilung zufolge. Außerdem werde die Partei einen Vorstoß unterstützen, der May zum Verschieben des EU-Austritts zwingen soll, falls bis Mitte März kein Austrittsabkommen ratifiziert ist. Damit soll ein ungeregelter EU-Austritt abgewendet werden.

Verschiebung im Gespräch

Der Druck auf die britische Premierministerin Theresa May wächst, den EU-Austritt des Landes notfalls zu verschieben. Sollte sie im Unterhaus keine Mehrheit für das von ihr mit Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen erhalten, mehren sich die Stimmen sowohl in London als auch in Brüssel, unter allen Umständen einen No-Deal-Brexit zu vermeiden. In Brüssel kursieren nach einem Medienbericht der englischen Zeitung "The Guardian" sogar weitreichende Verschiebungspläne. Danach plädieren Spitzenbeamte der EU-Kommission dafür, den Brexit gleich um zwei Jahre zu verschieben. Auch der EU-Ratspräsident Donald Tusk hält eine Verschiebung für eine "vernünftige Lösung".

May verhandelt mit der EU um Nachbesserungen und versichert weiter, das sei im vorgegebenen Zeitrahmen auch möglich: „Es ist in Reichweite, am 29. März mit einem Vertrag zu gehen, und darauf sind all meine Energien fokussiert“, sagte May am Montag. Eine Abstimmung über den Austrittsplan soll laut May bis spätestens zum 12. März abgehalten werden. Großbritannien soll nach bisherigem Stand die Staatengemeinschaft am 29. März verlassen. Doch Mitte Januar hatte eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten im Unterhaus gegen den May-Deal gestimmt.

Die britische Premierministerin Theresa May sparch mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Rande des Treffens der EU und der arabischen Liga auch mal wieder über den Brexit.
Die britische Premierministerin Theresa May sparch mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Rande des Treffens der EU und der arabischen Liga auch mal wieder über den Brexit.
© Francisco Seco/POOL/AFP

Drei Minister aus Mays Kabinett fordern Verschiebung

Am Wochenende hatten bereits drei Minister aus ihrem Kabinett die britische Premierministerin aufgefordert, eine Verlängerung der Austrittsfrist nach Artikel 50 der EU-Vertrages zu beantragen, sollte sie im Unterhaus scheitern. Sie drohten damit, sonst im Parlament gegen sie zu stimmen.

Bislang hat May dies kategorisch abgelehnt. Nun zieht sie offenbar selbst notfalls eine Verschiebung um bis zu zwei Monate in Betracht, sollte sie bis Mitte März keine Mehrheit im Parlament finden. Im Kabinett würden verschiedene Optionen durchgespielt, sagte ein Regierungsvertreter am Montag. Darauf angesprochen sagte Verteidigungs-Staatssekretär Thomas Ellwood der BBC: "Wenn wir diesen Vertrag nicht über die Ziellinie bringen können, stehen wir vor der Entscheidung, verlängern zu müssen."

Eine Debatte darüber im Kabinett solle am Dienstag stattfinden. May werde das Ergebnis anschließend an das Parlament übermitteln. Die Zeitung "The Sun" berichtete ihrerseits, May werde vorschlagen, einen Austritt ohne ein Abkommen formell ausschließen. Dies könnte zu einer Verschiebung der Frist um mehrere Monate führen.

Wer in den vergangenen zweieinhalb Jahren seit dem Referendum keine praktikable Brexit-Strategie entwickeln konnte, schafft das auch nicht in weiteren zwei Jahren. Dann lieber Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende.

schreibt NutzerIn frieke

Am Rande des EU-Gipfels mit der Arabischen Liga im ägyptischen Scharm el-Scheich sondierte May in Gesprächen mit Kanzlerin Angela Merkel, EU-Ratspräsident Donald Tusk und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte Möglichkeiten, mit welchen Zusicherungen sie eine Mehrheit im Unterhaus sichern könnte. Die Berichte über einen möglichen Brexit-Aufschub stützten das Pfund-Sterling.

Dieses Heranrücken der Entscheidung immer näher an den Brexit-Termin bringt die Abgeordneten auf den Plan, die einen ungeordneten Austritt mit all seinen politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen um jeden Preis verhindern und die Regierung zum Antrag auf Aufschub zwingen wollen. Die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper rief die Parlamentarier auf, ihren genau darauf abzielenden Resolutionsentwurf zu unterstützen. Die Ankündigung Mays mache es noch unerlässlicher, "dass das Unterhaus für unser Gesetz stimmt, mit dem wir versuchen, wieder etwas gesunden Menschenverstand in den Prozess einzubringen". Für die Regierung dürfte aber ein Entwurf zweier Konservativer Abgeordneter attraktiver sein, den Brexit bis zum 23. Mai, dem Beginn der Europawahl, zu verschieben, sollte die Ratifizierung des Brexit-Vertrags am 12. März nicht zustandekommen. Ein Regierungsvertreter nannte den Vorschlag "hilfreich".

Tusk bringt ebenfalls eine Verschiebung ins Spiel

Knapp fünf Wochen vor dem geplanten EU-Austritt Großbritanniens hat Ratspräsident Donald Tusk eine Verschiebung ins Spiel gebracht. Ein Aufschub des Brexit wäre eine "vernünftige Lösung", sagte Tusk am Montag am Rande einer internationalen Konferenz im ägyptischen Scharm el Scheich. Nach bisheriger Planung soll Großbritannien am 29. März die EU verlassen.

Tusk begründete seine Empfehlung mit einem Verweis auf "die Situation, in der wir uns gerade befinden" - damit spielte der Ratspräsident auf die festgefahrene politische Lage an: Der zwischen London und Brüssel ausgehandelte Vertrag hat keine Aussicht auf die Billigung des britischen Unterhauses; die von Großbritannien geforderten Änderungen lehnt die EU allerdings ab. Beide Seiten wollen aber auch einen ungeregelten Brexit ohne Vertrag verhindern.

Tusk war in Scharm el Scheich zu vertraulichen Beratungen mit der britischen Premierministerin Theresa May über den Brexit zusammengekommen. Beide Politiker halten sich wegen des Gipfeltreffens der EU mit der Arabischen Liga in dem Badeort auf dem Sinai auf. May wollte dort noch weitere europäische Politiker zu bilateralen Gesprächen treffen, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Eine Regierungssprecherin in Berlin erklärte, "dass die Bundesregierung alles daran setzt, dass es zu einem geregelten Austritt kommt". Voraussetzung für eine Verschiebung des Brexit wäre ein entsprechender Antrag aus London. Dieser liege aber nicht vor. (AFP/dpa/Reuters)

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