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Labour-Chef Jeremy Corbyn am Mittwoch beim Parteitag in Liverpool.
© REUTERS

Brexit: Labour-Chef Corbyn stellt May Bedingungen

Der Chef der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, will einem Brexit-Deal zustimmen - wenn Großbritannien dabei in der EU-Zollunion bleibt.

Die Labour-Partei bleibt in der Brexit-Frage tief gespalten. Bei der Konferenz der größten britischen Oppositionspartei in Liverpool fiel der Unterhausabgeordnete Ben Bradshaw dadurch auf, dass er ein Hemd mit gelben Europa-Sternen trug. Bradshaw ist fest davon überzeugt, dass sich der Brexit mit einem zweiten Referendum noch verhindern lässt. Auf der anderen Seite gibt es einflussreiche Labour-Politiker wie John McDonnell. Der Schatten-Finanzminister warnte in Liverpool davor, dass die Labour-Partei treue Wähler und Brexit-Anhänger verlieren könnte, wenn ein zweites Referendum abgehalten werde.

Zwischen beiden Positionen lavierte während des Parteitages der Labour-Chef Jeremy Corbyn. Die Frage des Senders BBC, wie er bei einem zweiten Referendum abstimmen würde, wollte Corbyn nicht beantworten. „Wir wissen nicht, welche Frage bei einem Referendum gestellt wird, deshalb ist es eine hypothetische Frage“, antwortete er.

Corbyn ist EU-Skeptiker. Ein zweites Referendum, bei dem die Entscheidung zum Austritt aus der EU vom Juni 2016 revidiert werden könnte, sieht er sehr kritisch. Dabei sind es nicht nur Parteilinke wie Corbyn, die Probleme mit einer möglichen Wiederholung der Abstimmung haben. Auch Anhänger des Remain-Lagers geben zu bedenken, dass man den Willen der britischen Bevölkerung nicht einfach ignorieren könne. Inzwischen haben aber immer mehr Briten Bedenken, ob sie 2016 richtig entschieden haben. Denn der Brexit wirft seine Schatten voraus: Der Autobauer Jaguar Land Rover stellte aus Sorge vor einem ungeordneten Austritt und wegen der Dieseldebatte jüngst seine Produktion mit 2000 Mitarbeitern auf eine Drei-Tage-Woche um.

In dieser Situation hatte die Partei am Dienstagabend in Liverpool einen Beschluss gefasst, der die Möglichkeit einer neuerlichen Volksabstimmung offen lässt – aber mehr auch nicht. Für den Fall, dass Labour gegen Ende des Jahres nach einer möglichen Ablehnung eines Austrittsvertrages durch das Unterhaus keine Neuwahlen erzwingen kann, soll dem Beschluss zufolge auch die Option eines Referendums auf dem Tisch bleiben. Der Beschluss macht aber deutlich, dass die Labour-Partei rasche Neuwahlen für entscheidender hält als ein weiteres EU-Referendum. Damit sind die Chancen, dass die Briten bei den laufenden Austrittsverhandlungen noch den Rückwärtsgang einlegen, nach dem Labour-Parteitag nur unwesentlich gestiegen.

Dass Neuwahlen das eigentliche Ziel von Labour sind, wurde auf dem Parteitag auch angesichts der sechs Prüfsteine der Partei für die Austrittsvereinbarung klar. Sobald der Austrittsvertrag einen der Tests nicht besteht, will Labour die Zustimmung im Unterhaus verweigern. Einer der Prüfsteine lautet, dass die von Regierungschefin Theresa May geplante Vereinbarung mit der EU exakt dieselben Vorteile beinhalten müsse wie die derzeitige Mitgliedschaft im europäischen Binnenmarkt und der EU-Zollunion. Damit hat die Labour-Partei eine Hürde aufgebaut, die für May nur schwer zu nehmen sein dürfte.

Da die Regierungschefin nur über eine hauchdünne eigene Mehrheit im Unterhaus verfügt, sind damit ein Scheitern der Vereinbarung im Parlament und anschließende Neuwahlen ein durchaus mögliches Szenario. Labour werde einer Vereinbarung zustimmen, die einen Verbleib in der Zollunion vorsehe und nicht zu einer „harten Grenze“ im Norden der irischen Insel führe, sagte Corbyn am Mittwoch in seiner Rede zum Abschluss des Parteitags. Anderenfalls, so Corbyn, müsse May ihren Platz räumen.

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