Kampf gegen "Islamischen Staat": Kurden vertreiben IS aus der nordsyrischen Stadt Kobane
Kurdische Einheiten haben die nordsyrische Stadt Kobane fast vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Kämpfe mit dem Islamischen Staat gebe es nur noch am Stadtrand.
Im Syrien-Konflikt steht möglicherweise eine Entscheidung mit hoher Symbolwirkung bevor: Die kurdischen Verteidiger der nordsyrischen Stadt Kobane haben nach Angaben einer Beobachtergruppe fast im gesamten Stadtgebiet die Dschihadisten-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) zurückgedrängt und stehen kurz davor, die vor einem halben Jahr gestartete Belagerung des IS zu beenden. Ein Sieg der Kurden in Kobane könnte erhebliche Auswirkungen auf den Krieg in Syrien haben.
Kurdische Medien verbreiteten am Montag bereits Bilder von Freudentänzen kurdischer Kämpfer und von kurdischen Fahnen, die auf ehemals vom IS beherrschten Hügeln in der Stadt gehisst wurden.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, die Dschihadisten seien inzwischen aus dem inneren Stadtgebiet vertrieben worden. Kurdische Truppen verfolgten die Einheiten des IS in östlichen Außenbezirken der Stadt, doch im Zentrum von Kobane gebe es keine Kämpfe mehr, sagte der Direktor der Bebobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, der Nachrichtenagentur AFP.
Die Schlacht wurde vor den Augen der Welt ausgetragen
Kobane war nach Beginn der Kämpfe im September zum Symbol des Widerstandes gegen den IS geworden, der scheinbar unbesiegbar immer mehr Teile von Syrien und des Nachbarlandes Irak eroberte und seinem „Kalifat“ einverleibte. Die Schlacht um Kobane wurde vor den Augen von Kamerateams und Reportern aus aller Welt geschlagen, die von der türkischen Grenze aus das nur wenige hundert Meter entfernte Kampfgeschehen beobachteten.
Mit der Einnahme von Kobane wollten die IS-Dschihadisten die Kontrolle über einen zusammenhängenden Gebietsstreifen entlang der türkischen Grenze vervollständigen und die Nachschubwege für den erwarteten Angriff auf die südlich gelegene Wirtschaftsmetropole Aleppo sichern.
Nachdem der IS die Kurden in Kobane zeitweise stark zurückdrängte und die Türkei eine Intervention zugunsten der Kurden verweigerte, begannen die USA sowie einige arabische Partner mit Luftangriffen auf die belagerte Stadt. Zudem brachten nordirakische Kurdenverbände, die auf dem Landweg über die Türkei entsandt wurden, wichtige Unterstützung für die Kurdenmiliz YPG, die Kobane verteidigt. Die Türkei hatte der Verstärkung aus dem Nordirak nur unter internationalem Druck zugestimmt: Die YPG wird als Ableger der türkisch-kurdischen Rebellengruppe PKK von Ankara mit Misstrauen betrachtet.
Der Unbesiegbarkeits-Mythos der Dschihadisten wäre dahin
Auch der IS schickte Verstärkungen nach Kobane und stand zeitweise kurz davor, den Grenzübergang von der Stadt in die Türkei einzunehmen, konnte den Verteidigungsring aber nicht sprengen. In den vergangenen Wochen hatten die Dschihadisten immer weiter zurückweichen müssen und dabei auch schwere Waffen an die Kurden verloren. Erst vor kurzem hatte der IS die Kontrolle über einen strategisch wichtigen Hügel nahe der Stadt verloren, was es den Kurden ermöglichte, Nachschubwege der Belagerer unter Beschuss zu nehmen.
Sollte der IS in Kobane endgültig unterliegen, könnte das weit reichende Folgen haben: Der Unbesiegbarkeits-Mythos der Dschihadisten wäre dahin, die Kampfmoral und die Attraktivität für ausländische Gotteskrieger könnten geschwächt werden. Gleichzeitig dürften die kurdischen Ansprüche auf Eigenständigkeit in Nordsyrien wachsen – was der Nachbar Türkei überhaupt nicht gerne sieht.
Ankara sah sich in den vergangenen Monaten dem Vorwurf ausgesetzt, einen Erfolg des IS in Kobane in Kauf nehmen zu wollen, weil dadurch die kurdischen Ambitionen in der Region geschwächt würden. Die türkische Regierung wies dies zurück, insbesondere von kurdischer Seite wurden aber immer wieder Vorwürfe erhoben. Der regierungskritische türkische Fernsehsender IMC-TV meldete am Montag, IS-Kämpfer hätten auf der Flucht vor den vorrückenden Kurdentruppen in Kobane in der Türkei Zuflucht finden können.