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Die Kurden gehören zu den schlagkräftigsten Gegnern des "Islamischen Staats".
© Aboud Hamam/Reuters

Kampf gegen den IS: Kurden drohen mit Freilassung von Islamisten

Syriens Kurden fürchten eine türkische Offensive im Norden des Landes. Nun nutzen sie inhaftierte IS-Kämpfer als Faustpfand, um einen Angriff zu verhindern.

Beim „Islamischen Staat“ (IS) nannte er sich Abu Ibrahim al Almani: Ein 31-jähriger Deutscher mit dem bürgerlichen Namen Lucas Glaß ist als IS-Kämpfer von der kurdischen Miliz YPG in Syrien gefasst worden. Zusammen mit dem Deutschen kamen sieben andere ausländische Kämpfer in kurdische Haft.

In Lagern werden bis zu 1100 Dschihadisten festgehalten, darunter etliche Extremisten aus dem Westen. Und Europa wie die USA wollen IS-Mitglieder wie „al Almani“ nicht wieder in ihren Ländern sehen. Die Kurden aber drohen damit, die Gefangenen im Fall einer türkischen Militärintervention in Syrien freizulassen.

Kürzlich erklärte die kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien, sie werde nicht in der Lage sein, Häftlinge zu bewachen, sollten Ankaras Truppen angreifen.

Der amerikanische Geheimdienst CIA schätzte die Zahl westlicher IS-Kämpfer in den vergangenen Jahren auf etwa 2000; auch mehrere Tausend Fundamentalisten aus Russland haben sich den „Gotteskriegern“ angeschlossen.

Bis zu 110 IS-Kämpfer in kurdischen Gefängnissen

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge hält die mit den USA verbündete und von den Kurden dominierte Rebellenallianz SDF bis zu 1100 ausländische IS-Soldaten und 2000 Familienmitglieder fest. Die Kämpfer stammen demnach aus 31 Ländern außerhalb Syriens. Nach kurdischen Angaben liegt die Zahl der inhaftierten IS-Kämpfer bei rund 800.

Bisher sind sie in etwa einem halben Dutzend Internierungslagern im Osten und Norden Syriens interniert. Aus westlicher Sicht wäre ihre Rückkehr ein hohes Sicherheitsrisiko. Das wissen auch die syrischen Kurden. Sie setzen den Hinweis auf die drohende Gefahr für das Ausland jetzt ein, um eine türkische Intervention zu verhindern.

Ankara betrachtet die YPG als Terrororganisation und will sich auch durch amerikanische Einwände nicht von einem militärischen Vorgehen gegen die kurdische Autonomiezone in Syrien abbringen lassen.

Bisher haben die rund 2000 amerikanischen Soldaten in Syrien den Einmarsch verhindert. Doch der von Präsident Donald Trump befohlene Rückzug lässt die Frage nach dem Umgang mit den festgehaltenen IS-Kämpfern dringender werden.

Trumps Regierung denkt denn auch Medienberichten zufolge darüber nach, einige der gefährlichsten IS-Kämpfer ins US-Lager Guantanamo auf Kuba zu bringen und andere Extremisten in Gefängnisse im benachbarten Irak zu stecken.

Idlib - von Islamisten kontrolliert

Doch nicht nur der IS wird wieder zu einem ernsthaften Problem. Auch die Terrororganisation Hayat Tahrir al Scham (HTS) ist auf dem Vormarsch. Vor allem in der Region um Idlib – der letzten Bastion der Aufständischen gegen Syriens Machthaber Baschar al Assad – haben sie ihre Machtposition ausbauen können.

Nach mehrtägigen Kämpfen ist es dem Al Qaida nahestehenden Milizenbündnis offenbar sogar gelungen, das Gebiet vollständig unter seine Kontrolle zu bringen. Das geht aus einem Abkommen hervor, das die radikalen Islamisten der früheren Nursra-Front jetzt mit der rivalisierenden „Nationalen Befreiungsfront“ (NFL) geschlossen haben soll.

Die Islamisten der Hayat Tahrir al Scham, hier ein Propagandabild, haben die syrische Provinz unter ihrer Kontrolle.
Die Islamisten der Hayat Tahrir al Scham, hier ein Propagandabild, haben die syrische Provinz unter ihrer Kontrolle.
© Omar Haj Kadour/AFP

Das ist insbesondere für die Türkei eine herbe Niederlage. Ankara unterstützt nicht nur die Rebellen der NFL, sondern hat sich gegenüber Russland verpflichtet, die Einhaltung einer Waffenruhe in Idlib zu überwachen. Dazu gehört nicht zuletzt die Aufgabe, den Einfluss der HTS zurückzudrängen.

Das ist offenkundig nicht gelungen. Die Extremisten haben sogar Berichten zufolge in den von ihnen beherrschten Gebiete sogar schon eigene Gerichte und eine Verwaltung geschaffen.

Auch die vereinbarte entmilitarisierte Pufferzone rund um die Provinz steht mehr oder weniger nur auf dem Papier.

Damit wächst die Gefahr einer großangelegten Bodenoffensive. Syriens Regime und Russland hatten diese vorerst abgesagt – unter der Bedingung, dass Idlib nicht zu einer Terroristenbastion wird.

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