zum Hauptinhalt
Durch und durch grün. Renate Künast.
© dpa

Die Grünen, die neue Freiheitspartei: Künast: "Verbote können auch etwas Gutes haben"

Am Freitag veranstaltet die Grünen-Bundestagsfraktion einen Freiheitskongress. Die ehemalige Fraktions-Chefin Renate Künast aber fordert ihre Partei auf, selbstbewusster mit Verboten umzugehen. Ein Interview.

Frau Künast, aus dem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl haben die Grünen die Lehre gezogen, dass sie sich als Partei der Freiheit profilieren wollen. Soll damit das Veggie-Day-Trauma aufgearbeitet werden?

Natürlich ist es unsere Pflicht, Lehren aus der letzten Bundestagwahl zu ziehen. Wir Grüne müssen uns neu verorten und zum Beispiel definieren, was Freiheit unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts bedeutet. Ich will aber auch daran erinnern, dass das Eintreten für Freiheit nicht neu für uns ist, es zieht sich durch unsere gesamte Parteigeschichte. Wir haben uns nur früher nicht immer getraut, offensiv für Freiheit zu werben. Freiheit und Heimat, das waren Begriffe der anderen. Jetzt sind wir klüger.

War es ein Fehler, im Wahlprogramm einen fleischfreien Tag pro Woche in deutschen Kantinen zu fordern?

Wir sind an der Seite der Verbände, die für mehr vegetarisches oder veganes Essen kämpfen. In England etwa hat der Meatless Monday eine gewisse Tradition, und selbst die norwegische Armee muss jetzt einen Tag fleischfrei essen. Aber es war ein Fehler, den Veggie Day in ein Wahlprogramm zu schreiben. Wir hätten uns verkneifen sollen, den Leuten vorzuschreiben, dass es Donnerstag Mittag sein muss.

Warum?

Wir haben der politischen Konkurrenz damit ein wunderschönes Kampfthema geliefert. Und wenn man viermal hintereinander gesagt hat, es muss der Donnerstag sein, merkt man, wie kurios das klingt. Aber natürlich gibt es auch in der Wirtschaft massive Interessen, uns lächerlich zu machen. Die haben Angst davor, dass wir, nachdem wir den Atomausstieg geschafft haben, auch den Lebensmittelmarkt und Rohstoffmärkte umkrempeln könnten. Da geht es um knallharte finanzielle Interessen.

Nach dem Veggie-Day-Debakel betonen die Grünen nun stärker, dass man die Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft ändern müsse. Aber geht es aus Ihrer Sicht nicht auch darum, dass die Menschen Verzicht üben müssen?

Natürlich wollen wir, dass die Menschen weniger Fleisch essen, dass sie sich bewusster und gesünder ernähren. Wir wollen den Raubbau an der Natur und den Menschen stoppen. Deshalb kämpfen wir schon lange gegen Massentierhaltung. Und wir gehen gegen eine globale Arbeitsteilung vor, nach der in anderen Gegenden der Welt bestes Ackerland genutzt wird, nur um Futter für unsere Tiere anzubauen. Als erstes also geht es um die Strukturen.

Wie viel Freiheit verträgt eine Partei, die den Anspruch hat, die Welt retten zu wollen?

Freiheit heißt für mich, sich entfalten zu können. Zum Beispiel das Recht, nachhaltig leben zu können, nicht auf Kosten der Natur und folgender Generationen. Um bei der Ernährung zu bleiben: Manche empfinden es als Einschränkung, wenn es Auflagen für die Nahrungsmittelindustrie gibt. Oder wenn  Unternehmen verpflichtet werden sollen, mit einer Lebensmittelampel über den Nährwert ihrer Produkte zu informieren. Ich sage, es gehört zur Freiheit, zu wissen, unter welchen Bedingungen ein Nahrungsmittel produziert wurde und was drin ist.

Wer sollte diese Freiheit durchsetzen?

Mir geht es um Freiheit zu etwas, nicht nur um Freiheit von etwas. Der Staat muss dazu die Strukturen bereitstellen. Wir brauchen zum Beispiel ein Bildungssystem, das allen Kindern die Möglichkeit gibt, zum Abitur zu kommen und zu studieren. Nur dann hat die Tochter des Straßenkehrers die gleiche Freiheit, sich zu entfalten wie die Tochter des Dax-Vorstands.

Die Grünen wollen das Image der Verbotspartei loswerden. Die Bundestagsfraktion veranstaltet am Freitag einen Kongress zum Thema Freiheit. Sind denn Verbote wirklich etwas Schlechtes?

Nein. Wir Grüne sollten selbstbewusster damit umgehen. Natürlich haben manche ein Interesse daran, das Wort Verbot als etwas Schlechtes zu denunzieren. Sie wollen den Eindruck erwecken, dass es sich bei denen, die etwas verbieten wollen, um miesepetrige Leute handelt und dabei ihre Einnahmequellen sichern. Aber Verbote können auch etwas Gutes haben.

Das Verbot krebserregender Stoffe realisiert das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Etwa in Babynahrung. Und rauchfreie Räume zu schaffen heißt auch, dass andere nicht mitrauchen müssen. Ein Rauchverbot schafft also auch Freiheiten.

Cordula Eubel

Zur Startseite