Greenpeace-Aktivisten in russischer Haft: Kumi Naidoo will Russlands Präsident Putin treffen
Russische Behörden behaupten, auf dem Greenpeace-Schiff Drogen gefunden zu haben. Die Umweltorganisation sieht das als Rufmordkampagne. Die 30 Aktivisten sind bereits seit drei Wochen in Haft. Eine Freilassung auf Kaution hat das Gericht in Murmansk schon abgelehnt.
Seit drei Wochen sitzen 30 Greenpeace-Aktivisten nun bereits in Untersuchungshaft. Sie hatten versucht, eine Ölplattform des russischen Energiekonzerns Gazprom in der Arktis zu besetzen, um so gegen die Ölförderung in dem sensiblen Ökosystem im hohen Norden zu demonstrieren. Die russische Küstenwache enterte ihren Eisbrecher "Arctic Sunrise" und nahm die Aktivisten fest. Am Mittwoch haben die russischen Behörden neue Vorwürfe gegen die festgenommenen Greenpeace-Aktivisten erhoben. Auf der „Arctic Sunrise“ seien Drogen und andere illegale Güter entdeckt worden, teilten die Ermittler in Moskau mit. Einige der Umweltschützer, denen bereits „bandenmäßige Piraterie“ zur Last gelegt wird, müssten daher mit Anklagen wegen weiterer „schwerer Verbrechen“ rechnen.
Auf der am 19. September in der Arktis aufgebrachten „Arctic Sunrise“ sei „offenbar Mohn und Morphium“ aufbewahrt worden, hieß es in einer Erklärung der Ermittler. Außerdem seien verdächtige Ausrüstungsgegenstände an Bord gefunden worden, die „nicht nur zu Umweltschutz-Zwecken genutzt“ werden könnten. Es handele sich um sogenannte Dual-Use-Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden könnten.
Die 30 Umweltschützer kommen aus 18 Ländern. Seit dem 18. September sitzen die wegen „bandenmäßiger Piraterie“ angeklagten Umweltschützer in Untersuchungshaft in Murmansk. Bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu 15 Jahre Gefängnis. Greenpeace-Sprecher Aaron Gray-Block wollte sich zunächst nicht zu den neuen Vorwürfen äußern. Die Greenpeace-Zentrale in Amsterdam veröffentlichte jedoch eine Stellungnahme: "Wir können nur annehmen, dass die russischen Behörden sich auf die medizinische Ausrüstung beziehen, die unsere Schiffen entsprechend des Seerechts mit sich führen müssen", heißt es darin. Greenpeace weist darauf hin, dass die russischen Behörden das Schiff bereits vor drei Wochen gründlich durchsucht hätten. "Deshalb nehmen wir an, dass diese Erklärung dazu gedacht ist, die internationale Aufmerksamkeit und die wachsende Wut über die fortgesetzte Inhaftierung der Gefangenen abzuwehren", heißt es in der Greenpeace-Erklärung weiter. "Vorwürfe, dass illegale Drogen gefunden wurden, sind Teil einer Rufmordkampagne, nichts weiter", schreibt Greenpeace.
Bei den weiteren Ermittlungen geht es nach Angaben der Justizbehörden auch darum, die Umweltschützer zu identifizieren, die „absichtlich Motorboote der Küstenwache gerammt“ hätten. Damit hätten sie die Sicherheitskräfte in Gefahr gebracht und diese an der „Erfüllung ihrer Pflichten“ gehindert.
Greenpeace-Chef Kumi Naidoo bietet sich im Austausch an
Greenpeace-Chef Kumi Naidoo bat am Mittwoch um ein Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Naidoo bot in einem offenen Brief, den der britische "Guardian" dokumentiert, an Putin außerdem an, im Falle ihrer Freilassung persönlich für die Umweltschützer zu bürgen. Er sei bereit, bis zur Klärung der Angelegenheit nach Russland zu ziehen, schrieb Naidoo. Sollten sie auf Kaution entlassen werden, biete er sich als „Garant“ für die „gute Führung“ der angeklagten Aktivisten an.
Naidoo reagierte mit seinem offenen Brief darauf, dass das Gericht in Murmansk am Dienstag die Anträge der 28 Greenpeace-Aktivisten und zwei Journalisten auf eine Freilassung gegen Kaution abgelehnt hatte. Naidoo schreibt, Greenpeace stehe nicht über dem Gesetz: "Wir sind bereit, die Verantwortung für das zu tragen, was wir getan haben." Zudem bat Naidoo darum, die beiden Journalisten, den Kameramann Kieron Bryan aus Großbritannien und einen weiteren freien Journalisten, "sofort freizulassen". Kumi Naidoo wies noch einmal darauf hin, dass er selbst vor einem Jahr an einer nahezu identischen Aktion teilgenommen hatte. Damals habe die Küstenwache sie geweigert, einzugreifen, nachdem Gazprom sie dazu aufgefordert hatte, "weil sie verstanden hatte, dass unsere Aktion keine Gefahr für Menschen oder Besitz darstellte", schreibt Kumi Naidoo.
Die Haftbedingungen der Greenpeace-Aktivisten sind hart. Kieron Bryan schrieb an seine Eltern einen Brief, aus dem der britische "Guardian" zitiert, dass das Gefängnis "erträglich" sei. Allerdings würden die Zellen nicht geheizt, und es werde täglich kälter. Zudem seien die Gefangenen 23 Stunden täglich in ihre Zellen eingesperrt. Er selbst teile seine Zelle mit einem russischen Gefangenen, die beiden könnten sich nicht verständigen, berichtet Bryans Mutter Ann.
Den Haag entschuldigt sich bei Moskau wegen Festnahme eines Diplomaten
Die Niederlande, unter dessen Flagge das Greenpeace-Schiff fährt, haben schon unmittelbar nach der Festnahme der Aktivisten gegen das Vorgehen der russischen Behörden protestiert. Nun ist es zu weiteren Spannungen zwischen den Niederlanden und Russland gekommen. Die Niederlande haben sich am Mittwoch bei Russland entschuldigt, weil ein russischer Diplomat in Den Haag am Wochenende von der Polizei vorübergehend festgenommen worden war. Außenminister Frans Timmermans sei aufgrund von Polizeiinformationen zu dem Schluss gekommen, dass die Festnahme des russischen Diplomaten ein Verstoß gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen gewesen sei, teilte ein Ministeriumssprecher in einer E-Mail mit. „Daher entschuldigen sich die Niederlande bei der Russischen Föderation.“ Der russische Präsident Wladimir Putin hatte die vorübergehende Festnahme am Dienstag als groben Verstoß gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen bezeichnet und eine Entschuldigung der Niederlande gefordert.
Nach Medienberichten war Dmitri Borodin am Samstag in Den Haag mehrere Stunden von der Polizei festgehalten worden. Nachbarn riefen demnach die Polizei, weil der Diplomat seine Kinder misshandele. Bei ihrer Ankunft hätten die Beamten den Diplomaten schwer betrunken angetroffen und mitgenommen. Nach russischen Angaben sei der Diplomat bei einem Verhör geschlagen worden. mit AFP