„IG-Metall-Cap fehlt“: Kühnert gibt Böhmermann Tipps für seine SPD-Bewerbung
Der Satiriker Böhmermann kandidiert für den SPD-Vorsitz – doch dafür müsste er erstmal Mitglied werden. Kevin Kühnert wünscht sich mehr Sozi-Folklore.
„Du musst es machen“, habe ihn der tote Willy Brandt im Traum gebeten, wie der Satiriker Jan Böhmermann am Donnerstag in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ sagte. Und er macht es: Der Moderator will SPD-Vorsitzender werden. Im Ernst. Auf die angekündigte Bewerbung des Satirikers reagierten nur manche Politiker mit Humor, etwa der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert.
Zumindest in seinem Heimatort Köln-Ehrenfeld hat Böhmermann schlechte Karten, wenn er es mit der Bewerbung um den SPD-Vorsitz ernst meinen sollte. Der sozialdemokratische Bezirksbürgermeister von Ehrenfeld, Josef Wirges, hat die Zulassung einer Kandidatur von Jan Böhmermann für den SPD-Vorsitz in seinem Beritt ausgeschlossen.
Wenn Böhmermann SPD-Vorsitzender werden wolle, müsse er erst einmal Mitglied werden, sagte Wirges am Freitag der dpa. „Dann bedarf das ja einer Aufnahme in die Partei, und darüber entscheidet der zuständige Ortsverein, in diesem Fall der Ortsverein Ehrenfeld, in dessen Vorstand ich auch tätig bin. Sicherlich werde ich dort sagen: „Der Herr kann machen, was er will, aber aufnehmen tun wir ihn nicht.““
Böhmermann wohne zwar in Ehrenfeld, genauer gesagt in Neuehrenfeld, aber die ganze Aktion diene ja nur dem Zweck, „ein bisschen Show zu machen“, sagte Wirges. „Der Mann hat keine Erfahrung. Er soll sich auf das konzentrieren, was er macht, auf seine Fernsehsendung, da hat er ja auch viel Spaß.“ Der 67 Jahre alte Wirges ist seit 22 Jahren Bürgermeister des Kölner Bezirks Ehrenfeld, in dem Böhmermanns Sendung auch produziert wird. Er ist seit 1970 in der SPD: „Mit 18 bin ich eingetreten“, sagte er. Bislang ist bei der SPD kein Aufnahmeantrag von Böhmermann eingegangen, heißt es aus der Partei.
Kühnert gibt Tipps
„Kluge Kampagne“, kommentierte Juso-Chef Kevin Kühnert das Video von Böhmermanns Bewerbungsrede auf Twitter. Kühnert ließ allerdings durchblicken, dass es bei den Details hapere: „Es fehlen noch AWO-Tischdecke und IG-Metall-Cap“, schrieb er. Zudem sollte Böhmermann mehr Willy-Brandt-Zitate verwenden, schlug Kühnert vor.
Auch andere jüngere SPD-Mitglieder reagierten mit souveräner Ironie. „Wenn Jan Böhmermann um Mitternacht nicht die Internationale singt, gibt's von uns keine Chance auf Unterstützung“, twitterten die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, in ihrem offiziellen Kanal.
Dazu kam es nicht, aber zumindest Optik und Tonfall der SPD hat Böhmermann bereits drauf, wie neustart19.de, die Website von Böhmermanns Kampagne, beweist: Das Logo dort sieht dem der SPD zum Verwechseln ähnlich, auch sonst geht das Layout sicher als typisch sozialdemokratisch durch.
Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli scherzte sogar, sie hätte sich Böhmermann als Ergänzung einer eigenen Bewerbung vorstellen können. Dafür sei es jetzt aber viel zu spät.
Alexander Schweitzer aus dem SPD-Bundesvorstand sagte der „Bild“-Zeitung, er finde es gut, wenn der Moderator SPD-Mitglied werde. „Allerdings sollte er beim Mitgliedsbeitrag nicht zu knauserig sein und sich das mit dem Vorsitz schnell wieder abschminken.“
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil versuchte es mit Humor der besserwisserischen Art. Er verwies Böhmermann darauf, dass er nicht etwa eine Landesvertretung als Unterstützer seiner Kandidatur brauche, sondern einen Landesverband. Landesvertretungen sind keine Parteigremien, sondern so etwas wie Botschaften der Bundesländern in Berlin.
Mit Ralf Stegner äußerte sich auch einer der bekannteren Bewerber zur möglichen Konkurrenz. Zum Schmunzeln finde er die Kampagne, twitterte er. Stegner ist stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. Auf Twitter ist er hingegen mit etwas mehr als 50.000 Followern keine Größe im Vergleich zu Böhmermanns 2,1 Millionen.
Auch der Investor Frank Thelen („Höhle der Löwen“) twitterte am Freitag eine Antwort auf die Ankündigung: „Großartig! Ich kann Deinen Argumenten folgen, mit Dir als CEO würde ich schwach.“
„Sich über Politik und Parteien lustig zu machen, war mal mutig“
Der in der Partei gut vernetzte frühere Sprecher des Parteivorstands, Tobias Dünow, äußerte Unverständnis: „Sich über Politik und Parteien lustig zu machen, war mal mutig. Heute ist es ,Mainstream', in der Politik würde man sagen: Populismus“, schrieb Dünow, inzwischen Dienststellenleiter der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin, am Freitag auf Twitter. Böhmermann lebe wie jeder Künstler von der Grenzüberschreitung. „Aber die große Kunst besteht darin zu wissen, welche Grenzen man nicht überschreitet“, schrieb Dünow. Denn Demokratie brauche ein Mindestmaß an Würde. „All das müsste ein kluger Mensch wie Böhmermann wissen“, schrieb er weiter. In Klammer fügte er an: „P.S. Natürlich sind wir auch selbst Schuld.“
Mit Blick auf Böhmermanns Schmähgedicht über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan, das für diplomatische Verwicklungen gesorgt hatte, schrieb Dünow: „Böhmermann hat sich sehr darüber erschrocken, als er mal aus Versehen eine Staatskrise ausgelöst hat. Kann passieren. Sollte man aber daraus lernen.“
Drei formelle Anforderungen muss Böhmermann für eine Kandidatur erfüllen, wie der 38-Jährige auf der Website schreibt:
„1. Formell muss die Kandidatur für den Parteivorsitz bis Sonntag um 18 Uhr eingereicht sein. 2. Ich brauche bis dahin die Unterstützung von fünf SPD-Unterbezirken, einem Bezirk oder einem Landesverband. 3. Ich brauche bis dahin eine gültige Mitgliedschaft in der SPD.“
Laut eigener Darstellung vom Freitagnachmittag hat Böhmermann hat für seine angekündigte Bewerbung um den SPD-Vorsitz schon vier der fünf nötigen Unterbezirke hinter sich. Sie alle hätten ihm dafür ihre Unterstützung zugesichert, sagte der TV-Moderator in einer Online-„Bürgersprechstunde“. Böhmermann nannte keine Namen. Es gibt deutschlandweit 393 Unterbezirke der Partei.
Sollte der Komiker tatsächlich genug Unterstützer haben, wäre damit aber noch nicht sein Problem gelöst, erst SPD-Mitglied werden zu müssen.
Sonneborn: SPD nicht reformierbar
Der Satire-Politiker und Europa-Abgeordnete Martin Sonneborn hat sich auch noch eingeschaltet. Er findet die angekündigte Bewerbung des Komikers Jan Böhmermann um den SPD-Vorsitz gut. „Böhmermanns Schritt begrüße ich, unter Olaf Scholz - angeblich Sozialdemokrat - hätte die SPD keine Chance mehr“, sagte Sonneborn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag).
Über die Erfolgsaussichten äußerte sich der Vorsitzende der Bewegung Die Partei und frühere „Titanic“-Chefredakteur allerdings skeptisch: „Ich habe auf Anfragen der Medien bezüglich einer Übernahme der SPD immer abgewunken“, erklärte er. „Die SPD ist nicht reformierbar.“ (mit dpa)