Gedenkort für Polen im Zentrum Berlins: Krolloper oder Askanischer Platz
Im Herzen der Hauptstadt soll ein Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen entstehen. Heiko Maas für raschen Baubeginn als Teil des Koalitionsvertrags.
Deutsche und polnische Experten haben das Konzept für einen Ort des Gedenkens an die Opfer der deutschen Verbrechen in Polen am Mittwoch im Auswärtigen Amt vorgestellt. Laut Beschluss des Bundestags soll es im Zentrum Berlins entstehen.
Die Kommission ließ zwei zentrale Fragen offen. Als Standort schlagen sie den Askanischen Platz oder den Platz der ehemaligen Krolloper vor. Die Entscheidung soll nun im Bundestag nach einer breiten gesellschaftlicher Debatte fallen.
Die Kommission legte sich auch nicht auf einen Wortlaut der Inschrift des Denkmals fest.
Außenminister Heiko Maas erinnerte daran, dass der Vernichtungskrieg im Osten das Grauen der Zerstörung an anderen Fronten weit übertraf. Das Ziel der „Zerstörung ganzer Städte, der Umsiedlungen und Massenmorde“ sei gewesen, „Polen von der Landkarte zu tilgen“.
Jahrelanger Streit der Außen- und der Kulturpolitiker
Ein Ort des Erinnerns und der Begegnung sei wichtig als „Geste an die Opfer“ und als „Schritt, um die Erinnerungskulturen in Deutschland und Polen anzunähern“, sagte Maas. Er fordert, ein Baubeginn in der kommenden Legislaturperiode soll „Teil des Koalitionsvertrags werden, wer auch immer ihn schließt“.
Ursprünglich sollte der Gedenkort vor dem 80. Jahrestag des deutschen Angriffs auf Polen am 1. September 2019 Gestalt annehmen. Außen- und die Kulturpolitiker konnten sich aber nicht einigen, ob es einen separaten Gedenkort Polen überhaupt geben solle.
Auf Intervention von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble beschloss das Parlament im Oktober zwei Projekte: einen Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen und ein Dokumentationszentrum der Besatzungsherrschaft in Europa.
Deutsche wissen wenig über die Dimension der Verbrechen
Seit Januar hatte eine Kommission aus polnischen und deutschen Fachleuten im Dialog mit einem politischen Beirat sowie Historikern, Überlebenden und Opferverbänden das Konzept ausgearbeitet. Der Auftrag des Bundestags lautet, einen Ort zu schaffen, der die Erinnerung an die Opfer mit der Begegnung insbesondere junger Deutscher und Polen sowie der Bildungsarbeit verbindet.
Die breitere deutsche Öffentlichkeit weiß wenig über das Ausmaß der deutschen Verbrechen im Osten, haben Studien ergeben. Für Wolfgang Thierse, Ex-Bundestagspräsident und gebürtiger Breslauer, ist das Denkmal noch wichtiger als Bildung und Begegnung. Er sieht eine „Leerstelle“ im deutschen Gedenken: „den Opfern der deutschen Verbrechen in Polen unseren Respekt zu erweisen, weil wir das bisher nicht getan haben“.
"Ich bin 78 und will das noch erleben"
Rolf Nikel, Leiter der Kommission und zuvor Botschafter in Polen, sagte, die beiden Standortorschläge hätten Vor- und Nachteile. Thierse bevorzugt den Askanischen Platz wegen der Nähe zum Zentrum für Vertreibung und dem Exilmuseum. „Ich bin 78 und will das noch erleben. Das ist nach der statistischen Lebenserwartung möglich, wenn wir zügig vorankommen.“
Peter Loew, Direktor des Deutschen Polen-Instituts, zieht den Platz der Krolloper vor, eine Freifläche südlich des Kanzleramts. Dort habe Hitler 1939 die Rede zur Rechtfertigung des Überfalls auf Polen gehalten. Und dort gebe es mehr Gestaltungsspielraum.
Piotr Cywinski, Leiter des Museums Auschwitz-Birkenau, hält sich aus der Standort-Debatte heraus. "Mir ist wichtig, dass der der Gedenkort im Zentrum Berlins entsteht, nicht in der Peripherie. Und wo das Herz Berlins schlägt, wissen die Berliner besser als ich." Der größte Erfolg für ihn war „der Austausch in der Kommission und das gemeinsame Ergebnis“.
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Bei der Vorstellung wurde ein Film mit Testimonials älterer und jüngerer Polinnen und Polen gezeigt: Eine Studentin wünscht sich, dass junge Menschen nach einem Besuch des Gedenkorts "verstehen, was Krieg bedeutet: Das waren Menschen, die leben, studieren, feiern wollten", aber sterben mussten.
Eine ältere Dame bedauert: "Schade, dass der Gedenkort so spät kommt." Eine andere sinniert: Wenn man sich bemühe, könne man "andere Menschen verstehen. Und wenn man befreundet ist, öffnet sich die Welt."
Ein Veteran des Warschauer Aufstands äußert Genugtuung: "Das ist ein Zeichen der Freundschaft. Ein Haus der polnischen Geschichte. Und eine Mahnung, was Krieg bedeutet."
Ein abschreckendes Lehrbeispiel: Kindheit im Krieg
Claudia Weber, Historikerin an der Viadrina in Frankfurt (Oder), freut sich auf den Moment, "wenn die ersten Konferenzen mit meinen Studenten dort stattfinden". Und sie mit jungen Menschen reflektieren kann, was Kindheit im Krieg und Jugend im Krieg bedeuten.
Parallel zur Vorstellung des Konzepts für den Gedenkort beschwerten sich Vertreter polnischer Opferverbände erneut in einem offenen Brief an Minister Maas und Ex-Botschafter Nikel, man habe ihnen "nicht die Möglichkeit eingeräumt, sich effektiv an der Entwicklung des Konzepts zu beteiligen".
Nikel wies dies zurück. Die Kommission habe sich drei Mal mit den Beschwerdeführern zum Gedankenaustausch getroffen. Ihre Anregungen seien in das Konzept eingeflossen.
Die Auswahl der polnischen Experten belegt zudem, dass die Perspektive der polnischen Opfer in der Kommission vertreten war, unter anderem durch Piotr Cywinski, Leiter des Museums Auschwitz-Birkenau und Mitglied des Internationalen Auschwitz-Komitees.
Wie geht es nun weiter
Es werden noch Jahre vergehen bis zur Eröffnung. Nach Diskussion über den Konzeptvorschlag im Bundestag und der Entscheidung über den Standort folgt ein Architektenwettbewerb. Und die Grundsteinlegung "hoffentlich noch in der neuen Legislaturperiode", so Minister Maas.
Claudia Weber fände es "schön, wenn das Stereotyp widerlegt wird, dass in Deutschland alles besonders lange dauert."