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Dominic Cummings, der Chefberater des britischen Premiers Boris Johnson, Anfang August in London.
© Simon Dawson/REUTERS

No-Deal-Brexit: Kritiker werfen Johnsons Chefberater Cummings Bulldozer-Methoden vor

Der Berater des britischen Premiers Johnson, Dominic Cummings, geht in die Offensive. Kritiker werfen ihm vor, Gegner eines No-Deal-Brexit mundtot zu machen.

Wenn es jemanden in der britischen Regierung gibt, der einen No-Deal-Brexit auf Biegen und Brechen durchziehen will, dann ist das Dominic Cummings. Der 47-Jährige, den der britische Premier Boris Johnson vor zwei Wochen zu seinem Chefberater ernannt hat, baut seinen Einfluss kontinuierlich aus. In britischen Medien ist bereits unter Berufung auf konservative Insider in der Downing Street die Rede davon, dass Cummings dabei sei, ein „Terrorregime“ in der Regierungszentrale zu installieren.

Einerseits ist das etwas übertrieben. Denn in Großbritannien, das zu den ältesten Demokratien der Welt gehört, existieren immer noch genügend politische Gegenkräfte, die sich den Umtrieben einzelner Brexit-Hardliner wie Cummings entgegenstellen. Andererseits soll der Chefberater jüngst erklärt haben, er werde jeden aus dem Umkreis des Premierministers, der für Durchstechereien an die Presse verantwortlich ist, entlassen.

Kontroverse mit Ex-Generalstaatsanwalt Grieve

Auch eingefleischte Brexit-Gegner haben es inzwischen schon mit Cummings zu tun bekommen. Der Oxford-Absolvent gilt als Mastermind hinter Johnsons Strategie, einen ungeregelten Austritt am 31. Oktober anzupeilen und damit die EU zu Zugeständnissen zu bewegen. Der frühere Generalstaatsanwalt Dominic Grieve beklagte jüngst, dass Johnsons Chefstratege offenbar der Meinung sei, der Premierminister könne auch nach einem Misstrauensvotum im Unterhaus problemlos weiterregieren. Cummings erklärte daraufhin, dass sich Politiker nicht einfach aussuchen könnten, welche Volksentscheide sie respektieren wollten. Johnsons Einflüsterer glaubt, dass die Referendumsentscheidung von 2016 jetzt umgesetzt werden müsse – koste es, was es wolle.

Verachtung gegenüber gewählten Politikern

Zudem hat er eine tief sitzende Verachtung gegenüber gewählten Politikern. Der Politikberater betont in seinem Blog, nie Mitglied einer Partei gewesen zu sein. Ein vorsichtiges Abwägen der Vor- und Nachteile des Brexit, wie es in der Beamtenschaft im britischen Regierungsapparat verbreitet ist, ist ihm ebenfalls ein Gräuel. Wie man statt dessen ein öffentlichkeitswirksames Spektakel inszeniert, zeigte Cummings beim EU-Referendum vor gut drei Jahren.

Cummings war für die berüchtigte Bus-Kampagne verantwortlich

Damals leitete Cummings die „Leave“-Kampagne und war damit für den berüchtigten Bus verantwortlich, mit dem die Brexit-Befürworter durchs Land tourten. Auf dem Gefährt war zu lesen, dass die 350 Millionen Pfund, welche Großbritannien pro Woche für die EU ausgebe, besser in den Nationalen Gesundheitsdienst gesteckt werden sollten. Die Zahl war frei erfunden.

Damals wie heute spinnt Cummings am liebsten im Hintergrund seine Fäden. Trotzdem ist ein größeres Publikum indirekt mit ihm vertraut. Seine Rolle bei der „Leave“-Kampagne wurde im Fernsehspiel „Brexit - The Uncivil War“ durch den Schauspieler Benedict Cumberbatch verewigt. Der Film ist beklemmend realistisch – bis hin zu Cummings’ nordenglischem Akzent.

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