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Einfacher wird der Gang zum Jobcenter auch nach den Änderungen nicht.
© picture alliance / dpa

Bundesregierung will Bürokratie abbauen: Kritik an Hartz-IV-Vereinfachungen

DGB und Grüne sehen in den Regierungsvorschlägen zum Bürokratieabbau bei Hartz IV keine Verbesserung und befürchten Kürzungen der Leistungen.

Nach mehr als anderthalb Jahren Beratung hat die Bundesregierung jetzt Vorschläge zur Rechtsvereinfachung von Hartz IV vorgelegt. Am Mittwoch will das Kabinett über einen Gesetzentwurf aus dem Arbeitsministerium beraten, der dem Tagesspiegel vorliegt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund bezeichnete das Ergebnis als enttäuschend. „Wenn das Gesetz so kommt, sind neue Rechtsstreitigkeiten vorprogrammiert“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach dem Tagesspiegel. Der Gesetzentwurf werde seinem Ziel nicht gerecht. „Einige Vorschläge führen zwar im Detail zu Vereinfachungen, durch andere wird jedoch der Verwaltungsaufwand eher noch zunehmen“, prognostiziert die Gewerkschafterin.

Auch die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer hat Zweifel daran, dass es absehbar einen spürbaren Bürokratieabbau in den Jobcentern geben wird. So rechnet die Bundesregierung in ihrem Entwurf nur mit einer finanziellen Entlastung der Jobcenter in Höhe von 39 Millionen Euro. Angesichts eines Gesamtverwaltungskostenaufwands von 4,5 Milliarden Euro im Jahr 2014 und vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl von Flüchtlingen in den Jobcentern sei das „mehr als dürftig“, sagte Pothmer dem Tagesspiegel. „So werden keine Kapazitäten im System freigesetzt, um die Betreuung und Vermittlung der Arbeitslosen zu verbessern.“ Dabei seien die Jobcenter vom Idealzustand „meilenweit entfernt“. Ursprünglich sei geplant gewesen, dass sich 80 Prozent der Beschäftigten um die Integrationsarbeit kümmern sollten, 20 Prozent um die Leistungsberechnung. „Tatsächlich sind aber im Schnitt nur 41 Prozent des Personals in den Jobcentern damit beschäftigt, Arbeitslose zu vermitteln“, kritisiert Pothmer.

Die Vereinfachung bei Hartz IV steht schon seit langem auf der Tagesordnung

Die Vereinfachung der Hartz-IV-Vorschriften steht seit Langem auf der politischen Tagesordnung: Bereits im Juni 2014 hatte eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, an der auch Kommunalvertreter und die Bundesagentur für Arbeit beteiligt waren, eine konkrete Liste mit 36 Vorschlägen vorgelegt. Die Reform kam in der großen Koalition jedoch lange nicht voran, weil Union und SPD sich in zentralen Fragen nicht einigen konnten.

Einzelne Punkte hat das Arbeitsministerium nun in dem Gesetzentwurf aufgegriffen. Dazu gehört, dass der Bewilligungszeitraum für Hartz-IV-Leistungen von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert werden soll. Außerdem sollen bestimmte Leistungen stärker pauschaliert werden. Der DGB warnt allerdings davor, dass dies zu „Kürzungen der Leistungen durch die Hintertür“ führen werde. Bei den Heizkosten dürfe es keine Pauschalierung geben, forderte Buntenbach. „Im konkreten Einzelfall führt das schnell zu einer Kürzung des Existenzminimums“, sagte sie. Heizkosten müssten immer im Einzelfall, abhängig von Wohnung, Heizung und Haushaltskonstellation gewährt werden.

Andere Vorschläge von der Liste der Bund-Länder-Arbeitsgruppe fehlen komplett: Dazu gehört die von Fachleuten seit Langem geforderte Entschärfung der Sanktionen für junge Leute. Derzeit kann das Jobcenter Hartz-IV-Beziehern unter 25 Jahren bei Pflichtverletzungen den Regelsatz für drei Monate komplett streichen. Bei der dritten Pflichtverletzung können auch die Unterkunftskosten gestrichen werden. Das zwinge junge Leute zur Verschuldung oder fördere die Kleinkriminalität, heißt es in einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), in der auch Jobvermittler nach ihren Erfahrungen befragt wurden. Ein abgestuftes Sanktionssystem wie bei erwachsenen Arbeitslosen hätte einen größeren erzieherischen Effekt. Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Sanktionsregeln für Jugendliche zu überprüfen. Doch wegen des Widerstands der CSU kam es nicht zu einer Änderung.

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