Justiz: Kriminelle werden bestraft - auch wenn die Polizei provoziert
Müssen Täter ins Gefängnis, wenn staatliche Lockspitzel sie zu Verbrechen verleiten? Ja, sagt das Bundesverfassungsgericht in einem Drogenfall - aber nicht so lang.
Kriminelle müssen mit Strafen rechnen, auch wenn sie von V-Leuten oder verdeckten Ermittlern zu ihren Taten verleitet wurden. Mit einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht Beschwerden von Drogenhändlern zurückgewiesen, die in Berlin zu Haftstrafen verurteilt worden waren. Nötig sei allerdings, das Strafmaß entsprechend zu reduzieren, wie es bei den Betroffenen geschehen sei. Eine Einstellung des Verfahrens sei nur „in extremen Ausnahmefällen“ denkbar.
Der Beschluss bedeutet jedoch nicht, dass die Verfassungsrichter das Verhalten der staatlichen Lockspitzel gutheißen würden: Ermittler hätten Straftaten aufzuklären und nicht selbst herbeizuführen, hieß es. Ein solches „Fehlverhalten“ sei rechtsstaatswidrig und müsse Auswirkungen auf den weiteren Prozess haben. Bei einem Beschwerdeführer sei die Annahme eines Verfahrenshindernisses „nicht fernliegend“ gewesen.
In dem Fall ging es um ein Geschäft mit knapp einhundert Kilo Kokain. Lockspitzel hätten den Deal angeregt, Zweifel zerstreut und einen der Täter erheblich unter Druck gesetzt. Nachdem das Kokain per Schiff eingetroffen war, griff ein Polizeikommando zu. Die Beteiligten bekamen mit Blick auf die „rechtsstaatswidrige Tatprovokation“ Haftstrafen zwischen drei und vier Jahren statt zwischen fünf und sieben.
Dennoch sei die Tat nicht ausschließlich staatlicherseits verursacht worden, stellten die Richter fest. Der Haupttäter sei von Anfang an wegen Drogendelikten verdächtig gewesen. Trotz Einwirkungen habe er frei entschieden, sei weder bedroht noch in einer Notsituation ausgenutzt worden. Seine Mittäter und er seien daher nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns geworden.
Die Verurteilten hatten sich auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte berufen, der bei solchen Tatprovokationen einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren erkennt. Dieser Verstoß könne allerdings durch die deutlich reduzierte Strafe und eine eingeschränkte Beweisverwertung kompensiert werden, meinten jetzt die Karlsruher Richter.