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Marina Owsjannikowa mit einer Kette in den Farben Russlands und der Ukraine.
© Instagram
Update

„Ich erkenne meine Schuld nicht an“: Kriegsgegnerin nach Protest zu Geldstrafe verurteilt

Die Journalistin Owsjannikowa hatte eine TV-Sendung mit einer Protestaktion gestürmt. Für ein zuvor aufgenommenes Video muss sie nun eine Geldstrafe zahlen.

Die Journalistin Marina Owsjannikowa, die am Montagabend durch eine Protestaktion während einer Nachrichtensendung im russischen Fernsehen für Aufsehen gesorgt hatte, ist zu einer Geldstrafe verurteilt und vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Ein Gericht in Moskau verurteilte sie am Dienstag zur Zahlung von 30.000 Rubel (rund 250 Euro).

Owsjannikowa stand am Dienstag allerdings nicht wegen ihres Auftritts während der TV-Sendung vor Gericht, sondern wegen des von ihr zuvor aufgenommenen Videos, in dem sie „zur Teilnahme an unkoordinierten öffentlichen Veranstaltungen“ aufrufe – was als Ordnungswidrigkeit gilt.

Das Gerichtsverfahren für ihren Fernsehprotest steht erst noch bevor, bislang ist unklar, ob die Journalistin dafür vor ein Straf- oder Verwaltungsgericht kommt.

„Ich erkenne meine Schuld nicht an“, sagte Owsjannikowa im Gerichtssaal, wie eine Journalistin AFP berichtete. „Ich bin überzeugt, dass Russland ein Verbrechen begeht“, sagte sie weiter. Russland sei „der Aggressor in der Ukraine“, fügte sie hinzu. 

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Am Montagabend hatte die Journalistin Owsjannikowa im russischen Staatsfernsehen für eine Unterbrechung der abendlichen Hauptnachrichtensendung gesorgt. Sie war während der Sendung „Wremja“ des Senders Perwy Kanal plötzlich hinter der Nachrichtensprecherin Jekaterina Andrejewa aufgetaucht und hatte ein Schild mit der Aufschrift „Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen“ in die Kamera gehalten.

Die Demonstrantin, selbst eine Mitarbeiterin des Senders, rief außerdem „Stoppt den Krieg!“, bevor die Live-Übertragung abbrach und ein Bericht über Krankenhäuser ausgestrahlt wurde.

Perwy Kanal (deutsch: Ester Kanal) ist der wichtigste Fernsehsender des Landes. Die Nachrichtensendung „Wremja“ wird seit Jahrzehnten um 21.00 Uhr ausgestrahlt und ist vergleichbar mit der Tagesschau.

TV-Kanal kündigt interne Prüfung an

Der Videoausschnitt verbreitete sich umgehend in den sozialen Netzwerken. Vor allem russische Oppositionelle lobten die Frau für ihren Mut.

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach ihr Anerkennung aus. Er sei jenen Russen dankbar, „die nicht aufhören, die Wahrheit zu sagen“, sagte Selenskyj unter Verweis auf Anti-Kriegs-Proteste in Russland und nannte als Beispiel die Protestierende im Staatsfernsehen.

Der Sprecher des EU-Chefdiplomaten Josep Borrell fügte am Dienstag hinzu, dass dieser Protest das jüngste Beispiel einer mutigen Haltung sei, welche die Lügen und Propaganda des Kremls widerlege. Russlands Regierung setze ihre Unterdrückung der einheimischen Opposition und der friedliebenden Bevölkerung fort und verweigere ihnen Grundrechte wie die Meinungsfreiheit.

Der Kreml hat die Aktion scharf verurteilt. „Was dieses Mädchen angeht, das ist Rowdytum“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. Der Fernsehsender müsse die Angelegenheit regeln, es sei nicht Aufgabe des Kreml.

Der erste russische Fernsehkanal sprach in einer Mitteilung lediglich von einem „Vorfall“ während der Sendung „Wremja“ und kündigte eine interne Prüfung an.

In Russland ist es Medien verboten, den russischen Einmarsch in die Ukraine als „Krieg“ oder „Invasion“ zu benennen. Stattdessen ist offiziell von einer „militärischen Spezialoperation“ die Rede.

Marina Owsjannikowa und ihr Anwalt Anton Gaschinskij vor Gericht.
Marina Owsjannikowa und ihr Anwalt Anton Gaschinskij vor Gericht.
© Telegram-Kanal VLager

Auf ihrem Instagram-Kanal hatte Marina Owsjannikowa zuvor ein Video hochgeladen. „Ich schäme mich, dass ich zugelassen habe, dass Lügen über den Bildschirm liefen. Geht protestieren. Habt keine Angst vor irgendetwas. Sie können uns nicht alle wegsperren“, sagte sie darin.

„Was in der Ukraine geschieht, ist ein Verbrechen“, sagte sie weiter. Verantwortlich für die Aggression sei nur Russlands Präsident Wladimir Putin. Sie rief ihre Landsleute dazu auf, gegen den Krieg zu protestieren.

„Es liegt nur an uns, diesen ganzen Wahnsinn zu beenden.“ Owsjannikowa hat laut eigener Aussage einen ukrainischen Vater und eine russische Mutter. Sie selbst wurde 1978 im ukrainischen Odessa geboren, das sich aktuell auf einen Sturm der russischen Armee vorbereitet.

Das Lager des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny will die Frau unterstützen. Man wolle die Strafen übernehmen, die gegen sie verhängt werden könnten, schrieb Maria Pewtschich von Nawalnys Organisation FBK am Dienstag bei Twitter. (Agenturen)

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