Merkel-Nachfolge in der Union: Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn arbeiten an ihren Defiziten
Die drei Kandidaten für die Nachfolge von Angela Merkel in der Union versuchen dort zu punkten, wo sie Nachholbedarf sehen.
Dem Wettrennen um Angela Merkels Erbe aus dem Weg zu gehen, ist im Moment nicht leicht. Talkshows, Interviews – kein Tag mehr, ohne dass sich einer der drei Aussichtsreichen für den CDU-Vorsitz zu Wort meldet. Am Freitag sieht man sie erstmals alle drei nebeneinander. Die Frauen-Union hat Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn zum Vorstellungsgespräch geladen. Es liegt in der Natur der Sache, dass es die zwei Männer hier schwerer haben, zumal sich die CDU-Frauenvereinigung schon klar für die Frau im Trio ausgesprochen hat. Umso wichtiger ist der Termin für die beiden Männer. Aber auch bei Kramp-Karrenbauer ist derzeit Arbeit am Defizit angesagt.
Vom Start weg gehen die Ex-Generalsekretärin und Merz, der Ex-Politaussteiger, aus der Pole-Position in das Rennen. Das sehen viele in der Partei so, auch die Demoskopen stützen ihren Favoritenstatus. Das jüngste „Politbarometer“ ermittelt unter CDU-Anhängern praktisch Gleichstand zwischen Kramp-Karrenbauer und Merz mit leichtem Vorsprung für die Saarländerin: 35 zu 33 Prozent. Gesundheitsminister Spahn landet abgeschlagen bei sieben Prozent.
Liest man diese Zahlen politisch, liegt Merz vorn. Der CDU-Vorsitz entscheidet sich im Zweifel in einer Stichwahl, und da dürften die meisten Spahn-Wähler ins Lager des anderen Konservativen wandern. Wenn allerdings die Delegierten so denken wie die Anhänger, dann sind 14 Prozent nicht festgelegt. Außerdem sind es noch vier lange Wochen bis zum Hamburger Parteitag. Da verschieben sich leicht noch mal Gewichte. So oder so können Unentschiedene den Ausschlag geben.
Die Kandidaten versuchen darum dort zu punkten, wo sie Nachholbedarf vermuten. Merz traf sich diese Woche mit jungen Abgeordneten. Organisiert hatte das der Mannheimer Nikolas Löbel, ein 32-Jähriger, der den Politiker Merz nur noch vom Hörensagen kannte. Mitgenommen haben Teilnehmer des Treffens, dass der 62-Jährige wirklich ein zündender Redner ist – und was er alles nicht sein will. Kein konservativer Revolutionär zum Beispiel, keiner, der Merkels umstrittene Entscheidungen zurückdrehen wolle, keiner, der nicht mit der Noch- Kanzlerin auskäme, kurz: Er ist nicht mehr der gleiche Friedrich Merz wie vor 17 Jahren, als er den Fraktionsvorsitz verlor. Spahn versichert übrigens ebenfalls per Interview, mit ihm als CDU-Chef hätte die Kanzlerin kein Problem; es würde bei vertrauensvoller Zusammenarbeit bleiben.
Für Kramp-Karrenbauer ist umgekehrt die Nähe zu Merkel ein Problem. Die scheidende Generalsekretärin versucht einen Spagat. „Ich will mich nicht künstlich distanzieren“, sagt sie der „FAZ“ und erzählt, dass sie die Kanzlerin schon bei ihrem Wechsel nach Berlin gebeten habe, sie nicht in Nachfolgeüberlegungen einzuweihen: „Ich wollte guten Gewissens sagen können, dass ich nicht mir ihr über diese Pläne gesprochen habe.“ Zugleich bekräftigt sie den Vorsatz, als CDU-Chefin – und dann womöglich nächste Kanzlerin – der Partei künftig bei wichtigen Entscheidungen den Vortritt vor der Regierung zu lassen.
Kramp-Karrenbauer liegt unausweichlich ein Stück links von Merz und Spahn
Kramp-Karrenbauers zweites Problem liegt in der Flügel-Logik der CDU. In dem Dreierfeld landet sie unausweichlich ein Stück links von Merz und Spahn. Umso deutlicher erinnert die 56-Jährige daran, dass sie auch schon Innenministerin war, als erste Frau in Deutschland. Asylbewerber, die wegen schwerster Straftaten verurteilt sind, sollten abgeschoben und selbst nach Verbüßung ihrer Haft nie wieder nach Europa einreisen dürfen: „Im grenzenlosen Schengen-Raum erwarten die Menschen auch grenzenlose Sicherheit.“
Am Freitagnachmittag stehen sie auf der Tribüne im Foyer des Adenauer-Hauses – links Merz, die Hand in der Hosentasche, rechts Spahn, geradeaus lächelnd, in der Mitte Kramp-Karrenbauer, klein neben den beiden Riesen. Frauenunionschefin Annette Widmann-Mauz freut sich, dass sie alle da sind, dann erhält jeder kurz das Wort. Kramp-Karrenbauer nutzt ihren Vorteil. Hinten im Foyer hat sie Rita Süssmuth entdeckt. „Ohne Frauen ist kein Staat zu machen“, zitiert sie die Altbundestagspräsidentin und erweitert den Spruch kurzerhand noch ein bisschen: „Gegen Frauen und ohne Frauen ist keine Wahl zu gewinnen.“ Spahn ist als Nächster dran und zeigt sich empathisch: Als Bundesgesundheitsminister habe er noch einmal „einen ganz anderen Blick“ auf das Frauenthema gewonnen – in den Heil- und Pflegeberufen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Merz ist als Letzter dran. Er freut sich erst mal, dass er einmal wieder in der CDU-Zentrale ist, und versichert, dass er in seinen 20 Abgeordnetenjahren „immer auch ein engagierter Familienpolitiker“ gewesen sei, würde dann aber gerne vom Speziellen doch rasch aufs Allgemeine kommen. Als er in die Politik gegangen sei, sagt der 62-Jährige, hätten die beiden Volksparteien bei Bundestagswahlen acht von zehn Stimmen bekommen; heute lägen sie so grade bei vier von zehn. Sicher, die Welt habe sich geändert, „ich übrigens auch“; trotzdem wolle er das „Ausfransen zu den Rändern“ verhindern und die CDU wieder zurückführen zu alter Stärke. Ansonsten: „Ich stimme ausdrücklich allen zu: Ohne Frauen geht es nicht.“
Hinten im Foyer guckt sich Rita Süssmuth den Auftritt an. Ob sie nicht auch noch kandidieren wolle, flachst einer. Süssmuth lacht: „Wir Greisinnen?“ Nee.