Vertrauliche Sitzungen im Kanzleramt: Kramp-Karrenbauer durfte Kanzlerin üben
Wer an der „Morgenlage“ teilnimmt , war Merkels Geheimnis. Nach einer Tagesspiegel-Auskunftsklage ist klar: CDU-Funktionären standen die Türen offen.
Auch ohne ein Regierungsamt hat die amtierende Verteidigungsministerin und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer regelmäßig an vertraulichen Dienstsitzungen im Bundeskanzleramt teilgenommen.
Zudem standen seit Beginn der Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Türen zur sogenannten Morgenlage für weitere Parteifunktionäre aus der Union offen. Dies bestätigte das Bundeskanzleramt nach einer Auskunftsklage des Tagesspiegels vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg. Die Regierung gab damit erstmals Informationen zu dieser Zusammenkunft preis.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Marco Buschmann, dessen Anfragen zum Thema die Regierung im Frühjahr abgeblockt hat, kritisierte die Praxis: „Angela Merkel hat offenbar eine immer weitere Verschmelzung von Staats- und Parteiapparat herbeigeführt.“
Als Beispiel nannte Buschmann die Arbeit des damaligen Kanzleramtschefs Peter Altmaier für das CDU-Wahlprogramm sowie Kanzleramtsmitarbeiter, die als Minijobber in der CDU-Parteizentrale tätig gewesen seien. Jetzt stelle sich heraus, dass CDU-Generalsekretäre bei der Morgenlage ein- und ausgingen. Dies sei aus Sicht politischer Hygiene eine „höchst fragwürdige Praxis“, weil sich auch die Mehrheitspartei keine wettbewerbswidrigen Vorteile im demokratischen Wettstreit verschaffen dürfe.
Die FDP spottete über die "Kanzlerin im Praktikum"
Kramp-Karrenbauer war dennoch erst als Generalsekretärin und später als CDU-Vorsitzende geladen. Die FDP spottete seinerzeit über eine „Kanzlerin im Praktikum“. Offenbar als Reaktion auf parlamentarische Anfragen zog sie sich im Frühjahr aus der Runde zurück. Heute wäre eine Teilnahme weniger problematisch, da Kramp-Karrenbauer seit Sommer ein Ministerium führt und damit zur Regierung gehört. Ob CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak oder andere Parteivertreter aktuell teilnehmen, lässt das Kanzleramt im Unklaren. In der Vergangenheit hätten aber neben Parteichefs und Stellvertretern CDU-Generalsekretäre und die CDU-Bundesgeschäftsführer Zugang gehabt. Zwischen 2005 und 2009 durfte sogar der damalige Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, dabei sein.
Auch der Regierungssprecher und Merkels Medienberaterin sind dabei
Bei den morgendlichen Besprechungen nehmen neben der Kanzlerin unter anderem die Staatsminister sowie Regierungssprecher Steffen Seibert, Merkels Medienberaterin Eva Christiansen und ihre Büroleiterin Beate Baumann teil. Das Treffen diene „im Wesentlichen einem Überblick über die Presselage und dem aktuellen Geschehen“, heißt es. Ob dabei auch als Verschlusssachen eingestufte Vorgänge Thema sind, ist nicht bekannt, dürfte aber wahrscheinlich sein. Die Regierung betont, zu nachrichtendienstlichen Informationen hätten nur Befugte Zugang.
Die Gerichte sahen zunächst kein öffentliches Interesse - das wurde korrigiert
Die Regierung hatte Näheres geheim gehalten, weil die Sitzungen zum geschützten „Kernbereich der Exekutive“ zählten. Das Verwaltungsgericht hatte die Eilklage noch abgelehnt, da es am nötigen öffentlichen Interesse fehle (Az.: VG 27 L 171.19). Das OVG korrigierte diesen Beschluss nach einer Beschwerde des Tagesspiegels (OVG 6 S 47.19). Die Öffentlichkeit müsse von einer „möglicherweise ungerechtfertigten Kenntniserlangung an vertraulichen Regierungsinformationen“ erfahren dürfen. Das Kanzleramt habe nicht darlegen können, dass die Regierungsarbeit durch Auskünfte zur Morgenlage beeinträchtigt sei.