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Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu (CDU, l) macht auf einer Wahlparty seiner Partei ein Selfie mit einem Wahlkampfhelfer.
© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Die Morgenlage aus der Hauptstadt: Kramp-Karrenbauer bedankt sich verspätet für Wahlhilfe in Görlitz

CDU-Politiker setzt sich in Görlitz gegen AfD-Kandidaten durch. Klimaneutralität in der EU soll bis 2050 erreicht werden. Unser Nachrichtenüberblick am Morgen.

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Worüber redet die Hauptstadt? Heute mal über Görlitz. Aufatmen bei den Nicht-AfD-Anhängern, plötzlich war die Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt in der deutsch-polnischen Grenzstadt zur Signalwahl für den Zustand der Demokratie erklärt worden. Am Ende verhinderte der CDU-Politiker Octavian Ursu dank der Unterstützung sogar von Grünen und Linken mit 55,2 zu 44,8 Prozent in der Stichwahl den ersten AfD-OB Deutschlands.

Die Stichwahl bescherte ganz besondere Premieren an der Urne: „Ich habe es getan, zum ersten Mal in meinem Leben CDU gewählt, kein gutes Gefühl, aber heute wirklich alternativlos“, meinte der Linken-Abgeordnete im sächsischen Landtag, Mirko Schultze.

Der Grünen-Politiker Sven-Christian Kindler warf CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer vor, Linken und Grünen nicht zu danken. „Das ist echt wenig souverän.“ Auf Twitter ergänzte Kramp-Karrenbauer einen Dankestweet etwa eine Stunde nach ihrer ersten Nachricht zu Görlitz.

Im Wahlprogramm des unterlegenen Polizeioberkommissars Sebastian Wippel tauchten viele Dinge auf, die auch CDU-Anhänger hätten unterschreiben können, gerade im Kampf gegen die Grenzkriminalität. Die CDU von Regierungschef Michael Kretschmer hofft nun, auch einen AfD-Sieg bei der sächsischen Landtagswahl am 1. September zu verhindern. Auch spannend: In Rostock wird es erstmals in Deutschland einen EU-Ausländer auf einem OB-Posten geben: der dänische Möbelunternehmer Claus Ruhe Madsen (Parteilos) regiert künftig die Hansestadt. Und Niedersachsen bekommt mit Anna Kebschull in der CDU-Hochburg Osnabrück die erste grüne Landrätin.

Wer hat ein Problem? Die Grünen. Sie eilen von Umfragehoch zu Umfragehoch, doch sie befinden sich in akuter Überreizungsgefahr. Ein Überblick über Forderungen in den letzten sieben Tagen: „Grüne wollen Onlinehändlern Vernichtung von Retouren verbieten“; „Grüne wollen zehn Milliarden Euro in bessere Leistungen für Kinder investieren“; Grüne fordern jährlich Bau von zusätzlich 100.000 bezahlbaren Wohnungen; Grüne fordern milliardenschweren staatlichen Klimafonds – Baerbock für „Bürgerenergiegeld“.

„Opposition ist Mist“, sagte zwar SPD-Mann Franz Müntefering. Aber viele in der SPD sehnen sich ja genau danach. Das Blaue (oder Grüne) vom Himmel versprechen, aber nicht an den Friktionen der Koalitions-Realität scheitern. Der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel prophezeit den Grünen bereits eine harte Bruchlandung, sollten sie im Bund in Regierungsverantwortung kommen. All die Vorschläge und Versprechen der Grünen sollten sich die Wähler jedenfalls gut abhefteten und auf Wiedervorlage legen.

Wer streitet? Nun ja, eigentlich kaum noch: Die große Koalition. Denn die Angst vor Neuwahlen schweißt nach Aussagen von Koalitionären zusammen – es werde ergebnisorientiert wie lange nicht gearbeitet. Erstmals konnte Angela Merkel am Sonntagabend beim Koalitionsausschuss gleich ein SPD-Quintett begrüßen – wegen des Doppel-Rücktritts von Andrea Nahles. Neben Vizekanzler Olaf Scholz Interims-Fraktionschef Rolf Mützenich sowie die Übergangs-Parteichefs Malu Dreyer, Manuela Schwesig sowie Thorsten Schäfer-Gümbel.

Themen unter anderem: Der Haushalt 2020 und die bei der Grundsteuer geplante Öffnungsklausel für Länder wie Bayern, die Immobilien lieber nur nach der Fläche und nicht nach dem individuellen Wert berechnen möchten. Union wie SPD ringen aber vor allem um einen großen Wurf in der Klimapolitik bis September – es hapert zwar bei den Maßnahmen, dafür gibt es nun ein neues Ziel (nachdem das für 2020 schon nicht erreicht wird): Merkel will auf EU-Ebene unterstützen, dass eine Klimaneutralität bis 2050 erreicht wird, also nur noch wenig Treibhausgas ausgestoßen wird – und dieser Ausstoß durch Aufforstungen oder umstrittene Maßnahmen wie das unterirdische Verpressen von CO2 kompensiert wird.

Was erschüttert? Wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke von einem rechtsextremen Täter getötet? Sofort kommt die Erinnerung an den NSU in den Sinn, Lübcke wurde wegen seiner Flüchtlingspolitik bis über den Tod hinaus von der rechten Szene angefeindet. Nun wurde ein 45-Jähriger festgenommen. Sicherheitskreise sagten dem Tagesspiegel, vermutlich habe sich der Tatverdächtige früher in rechtsextremen Kreisen bewegt. Es sei aber unklar, ob Lübcke aus einem rechtsextremen Motiv getötet wurde.

Was bringt die Woche? Womöglich einige wichtige Entscheidungen. Vor allem hat Manfred Weber noch eine Chance als EU-Kommissionschef? Angela Merkel und Emmanuel Macron müssen beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag ausloten, wer mehrheitsfähig ist. In Brüssel beraten die EU-Außenminister, wie es mit dem Iran nach den jüngsten Spannungen und dem Atomabkommen weiter soll; in Bonn wird der Klimagipfel Ende des Jahres in Chile vorbereitet – ein Knackpunkt, wie kann ein globaler Handel mit CO2-Emissionen funktionieren, also Länder belohnt werden, die wenig ausstoßen – aber einen modernen Ablasshandel soll es nicht geben.

Der 37. Evangelische Kirchentag beginnt am Mittwoch in Dortmund. Auch hier dürfte das Thema Klima und Kirche eine Rolle spielen. Und was macht Angela Merkel sonst so? Sie besucht am Mittwoch Goslar, unter anderem um mit Schülern zu diskutieren. In Goslar verkündete Gerhard Schröder, Deutschland werde sich nicht an einem Krieg (Abenteuer) im Irak beteiligen. Und dort wohnt Merkels vorheriger Vizekanzler Sigmar Gabriel, dessen Ruf in der SPD mit einigen Blutgrätschen gegen Andrea Nahles zuletzt arg gelitten hat.

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