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Gegen Didier Reynders wurde eine Voruntersuchung durch die belgische Staatsanwaltschaft eingeleitet.
© AFP

Neue EU-Kommission: Korruptionsverdacht gegen belgischen Kommissionskandidaten

Im November will die neue EU-Kommission mit Ursula von der Leyen starten. Aber der von Belgien vorgesehene Kommissar muss sich kritischen Fragen stellen.

Der von der designierten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen für das Thema Rechtsstaatlichkeit vorgeschlagene Kommissar Didier Reynders sieht sich nach belgischen Medienberichten mit Vorwürfen wegen Korruption und Geldwäsche konfrontiert. Damit gibt es kurz vor den Befragungen durch die EU-Parlamentarier Bedenken gegen ein weiteres Kommissionsmitglied von der Leyens.

Gegen Didier Reynders, der derzeit noch als Außenminister in der belgischen Interimsregierung tätig ist, wurde eine Vorermittlung durch die Staatsanwaltschaft eingeleitet, berichteten die Zeitungen „L‘Echo“ und „De Tijd“.

Enthüllungen, die angeblich von einem ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter geleakt worden sind, zeigen Ungereimtheiten darüber auf, wie öffentliche Aufträge unter Reynders‘ Aufsicht vergeben wurden. Dazu gehört beispielsweise der Bau der belgischen Botschaft in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo.

Reynders sagte noch am Sonntag, er habe bisher „keine Kenntnis von einer Untersuchung“. Seine Rechtsvertreter wollten jedoch so schnell wie möglich „Klarheit“ schaffen. Ein Sprecher des Ministers legte nahe, der ehemalige Agent wolle vermutlich versuchen, Reynders politischen Schaden zuzufügen. Im Rahmen der Vorermittlung wird entschieden, ob es genügend Beweise gibt, um den Minister oder andere beteiligte Personen anzuklagen.

Von der Leyen hatte Reynders in der vergangenen Woche als ihren Kandidaten für die Überwachung der Rechtsstaatlichkeit in der EU benannt. Zunächst war spekuliert worden, die tschechische Kandidatin Vera Jourová könnte den Job erhalten. Schlussendlich war es von der Leyen aber scheinbar politisch zu riskant, eine Vertreterin aus Mittelosteuropa zu nominieren. Stattdessen wird Jourová jedoch die Arbeit von Reynders im Rahmen ihres Aufgabenbereichs als Vizepräsidentin koordinieren.

[Bearbeitet von Zoran Radosavljevic und Tim Steins. Übersetzung: Tim Steins. Erschienen bei EurActiv. Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.]

Ob es dazu kommt, hängt allerdings auch davon ab, ob das EU-Parlament den 26 nominierten Kommissionsmitgliedern nach einer längeren Überprüfung bis Ende Oktober das Vertrauen ausspricht. Darauf folgt eine Vertrauensabstimmung im Parlament, bevor die neue Kommission unter von der Leyen am 1. November ihr Amt antreten soll.

Sollten die Ermittlungen wegen angeblicher Korruptions- und Geldwäscheaktivitäten gegen Reynders tatsächlich fortgeführt werden, könnte dies die EU-Abgeordnete dazu veranlassen, seine Nominierung abzulehnen.

Stellungnahme des Parlaments wird praktisch immer berücksichtigt

Obwohl das Parlament nicht im Alleingang einzelne Kandidaten ausschließen kann, wird seine Stellungnahme praktisch immer berücksichtigt, bevor eine neue Kommission ernannt wird. Schließlich verfügt das Parlament über ein Vetorecht bei der endgültigen Zusammensetzung.

Weitere potenzielle Kollegen von Reynders werden ebenfalls noch warten müssen, bis das Parlament in Straßburg seine Gutachten vorlegt und ihnen damit grünes Licht gibt. Bei einigen Kandidaten gibt es deutliche Vorbehalte und Zweifel.

Benennung des ungarischen Kandidaten Trócsányi wirft Fragen auf

So soll der Ungar László Trócsányi das Erweiterungsressort der neuen Kommission erhalten; aufgrund der Kontroversen um die Rechtsstaatlichkeit in seinem Heimatland wurde dies jedoch bereits mit Kritik auf breiter Front bedacht. Eine seiner zukünftigen Aufgaben wäre es schließlich, EU-Beitrittskandidaten bei der Verbesserung ihrer Justiz- und Rechtssysteme zu unterstützen.

Derweil wird auch gegen den Polen Janusz Wojciechowski ermittelt. Die Anti-Korruptionsbehörde der EU (Olaf) untersucht dubiose Ausgaben während Wojciechowskis Amtszeit als MEP. Der potenzielle Agrarkommissar hat hingegen mehrfach betont, er habe „nichts zu verbergen“. Derweil wird der designierten rumänischen Kommissarin Rovana Plumb Amtsmissbrauch vorgeworfen.

Die Anhörungen des Parlaments sollen am 30. September beginnen und mit einer Schlussabstimmung am 23. Oktober enden. Es ist noch unklar, ob die zuständigen Ausschüsse auch die drei geschäftsführenden Vizepräsidenten der Exekutive befragen werden oder ob diese stattdessen lediglich von den Fraktionsvorsitzenden der im Parlament vertretenen Parteien „gegrillt“ werden.

Sam Morgan

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