„Wir wollen zeigen, dass man mit Klimaschutz Wahlen gewinnen kann“: Konservative Klimaschützer
Jüngere CDU-Politiker:innen wollen ihrer Partei beim Kampf gegen die Erderwärmung Beine machen – noch vor der Wahl im Herbst.
Mit ihren 24 Jahren gehört Wiebke Winter zur Generation Fridays for Future, und doch unterscheidet sie einiges von der Klimabewegung. Dabei könnte die Juristin aus Bremen schon bald eines der Gesichter sein, das man in der CDU mit Klimapolitik verbindet. „Ich will, dass meine Partei beim Klima ehrgeiziger wird. Das, was bisher passiert ist, reicht mir noch lange nicht“, sagt Winter am Telefon.
Als Teenagerin fuhr sie mit ihrem Vater zur Demo nach Berlin, um gegen die von Schwarz-Gelb beschlossene Laufzeitverlängerung der Atomkraft zu protestieren. Über Fridays for Future sagt Winter heute anerkennend, dass die Jugendbewegung den Klimaschutz ins Zentrum gerückt habe. Doch mit deren Gesellschafts- und Kapitalismuskritik könne sie nichts anfangen. Vor wenigen Tagen war sie in Bremen zu Besuch bei einem Klimacamp. „Die wollen zum Beispiel den Flughafen schließen“, sagt sie. „Das halte ich nicht für den richtigen Weg.“
Im Januar wurde Winter als jüngstes Mitglied neu in den Bundesvorstand der CDU gewählt. Im Herbst bewirbt sie sich um ein Direktmandat für den Bundestag. Und neulich erst gründete sie mit einer Handvoll Mitstreiter die Klima-Union – ein Verein, der das ehrgeizige Ziel formuliert, Deutschland in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren klimaneutral zu machen.
Lange war die Klimapolitik ein Thema, das die Union den Grünen überlassen hat. In den Reihen von CDU und CSU gibt es auch heute an einflussreicher Stelle noch jene, die den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv bremsen oder die im Klimaschutz nur eine Belastung für die deutsche Wirtschaft sehen und keine Chance. Doch zugleich ist in den Unionsparteien einiges in Bewegung gekommen. Immer mehr Politiker werben offen dafür, dass es mehr Anstrengungen in der Klimapolitik braucht.
Philipp Schröder hat es sich zur Aufgabe gemacht, „den Konservativen die Angst vor dem Thema zu nehmen“. Der 37-jährige war Tesla-Deutschlandchef, Geschäftsführer des Solarspeicher-Herstellers Sonnen, gründete dann das Fonds-Vergleichsportal Capinside. In die CDU trat er im vergangenen September ein. Im Frühjahr traf er bei einer Diskussion im sozialen Netzwerk Clubhouse den Berliner Fahrrad-Aktivisten Heinrich Stößenreuther, dort entstand die Idee, eine Klima-Union zu gründen. „Wir wollen zeigen, dass man mit Klimaschutz Wahlen gewinnen kann“, sagt er.
Früher war Schröder Teil der „grünen Bubble“, wie er sagt. Aufgewachsen ist er auf einem Demeter-Bauernhof in der Lüneburger Heide, unweit von Lüchow-Dannenberg, wo Ende der 70er Jahre die Anti-Akw-Bewegung stark wurde. Seine Jugend sei von den Grünen „geprägt“ gewesen, sagt er. Mit 20 Jahren wurde er Parteimitglied. Heute findet Schröder, „dass die Grünen den Kapitalismus als Hebel im Kampf gegen die Klimakrise unterschätzen“.
"Beim Klimawandel funktioniert Lagerdenken nicht"
In der CDU sieht er im Moment die größten Chancen, etwas bewirken zu können. „Beim Klimawandel funktioniert Lagerdenken nicht, da brauchen wir einen großen Konsens in der Gesellschaft“, ist er überzeugt. Ähnlich wie bei der Wiedervereinigung brauche es „breite Mehrheiten in der Mitte der Gesellschaft“, um die Dekarbonisierung in den nächsten zwei Jahrzehnten hinzubekommen – also eine Produktions- und Lebensweise, die ohne fossile Brennstoffe klarkommt.
Doch wie ernst wird die neue Vereinigung an der Parteispitze genommen? Bisher fehlen noch die ganz prominenten Namen. Und traditionell sortieren sich CDU und CSU eher nach soziologischen Gruppen – die Jungen, die Alten, der Arbeitnehmer- und der Wirtschaftsflügel. Gegen jede Form der Interessensaufspaltung, wie zuletzt mit der konservativen Werte-Union geschehen, gibt es ein gewisses Misstrauen.
Immerhin haben sich laut Mitbegründer Schröder schon über 500 Parteimitglieder der Klima-Union angeschlossen. Bis zur Bundestagswahl rechnet er damit, dass es 1000 sein werden. Seine Mitstreiterin Winter berichtet von einer „großen Neugierde“ in der Partei. Als einen ersten Erfolg sieht die Bremer Landeschefin der Jungen Union an, dass auch die Junge Union als Bundesverband sich im Wahlkampf hinter das Ziel stellen will, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.
„Wir müssen deutlich machen, dass Klimaschutz auch Heimatschutz ist“
Für Schröder geht es nicht nur darum, beim Kampf gegen die Klimakrise stärker auf Kapitalismus zu setzen. Er ist überzeugt, dass sich mit einer anderen Sprache auch konservative Milieus überzeugen lassen. Mit Begriffen wie Heimat oder dem Erhalt von Kulturlandschaften. Ähnlich sieht es der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker. „Wir müssen deutlich machen, dass Klimaschutz auch Heimatschutz ist“, sagt er.
Der 36-Jährige hat im März mit rund 30 Abgeordneten einen Appell veröffentlicht, zu den Unterzeichnern gehört auch Norbert Röttgen. Mit „ein bisschen mehr Rad fahren und weniger in den Urlaub fliegen“ werde das Klima nicht gerettet, sagt Whittaker. Die ganze Wirtschafts- und Lebensweise müsse nachhaltig umgestellt werden.
Sein Plädoyer: Steuern und Abgaben auf Energie sollen ebenso abgeschafft werden wie klimaschädliche Subventionen. Stattdessen soll der CO2-Preis stärker ansteigen – ein „Preissignal an die Wirtschaft“. Zugleich wirbt Whittaker für eine „grüne Null": Mit sinkenden Emissionen gehen auch die Einnahmen des Staates aus einem CO2-Preis zurück und sollen aus seiner Sicht nicht an anderer Stelle wieder reingeholt werden – ein schrittweises Entlastungsprogramm für Bürger und Unternehmen.
Der Druck aus der Partei wächst, sich vernünftig auf einen Klimawahlkampf vorzubereiten. Zu den Unterstützern der Klima-Union gehört Unions-Fraktionsvize Andreas Jung. Der CDU-Politiker vom Bodensee kam schon früh mit Umweltthemen in Berührung: Auch ihn prägten die Auseinandersetzungen um die Atomkraft im nahe gelegenen Wyhl. Seit 2005 gehört der heute 45-Jährige dem Umweltausschuss an, 2019 entwickelte er ein Klimakonzept für die Partei.
Jung ist schon länger der Auffassung, dass die Union im Wahlkampf beim Klima noch drauflegen müsse. Er setzt sich unter anderem dafür ein, den CO2-Preis stärker anzuheben als bisher geplant. Bestärkt kann er sich nun durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sehen, das die Freiheitsrechte der jungen Generation durch die Klimagesetze der großen Koalition zu stark beschnitten sieht. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung noch nicht auf nationale Ebene übersetzt hat, was sich aus den gerade verschärften EU-Einsparzielen beim CO2-Ausstoß ergibt.
Mit Epico Klimainnovationen gibt es eine konservative Denkfabrik für Klimapolitik
Jung will deshalb den Petersberger Klimadialog in dieser Woche nutzen, um Aufmerksamkeit für ein anderes Vorhaben zu schaffen: Er sitzt im Beirat der neu gegründeten Denkfabrik Epico Klimainnovationen. Unter Leitung von Bernd Weber, früher beim Wirtschaftsrat der CDU, setzt der konservative Thinktank auf Start-up-Methoden, um Vorschläge für einen schnellen Weg zur Klimaneutralität zu entwickeln. Der „Policy Accelerator“, sprich: Politikbeschleuniger, soll im Vorfeld des Klimadialogs vorgestellt werden.
Doch welche Rolle sieht Kanzlerkandidat Armin Laschet im Wahlkampf für die Klimaschützer in den eigenen Reihen vor? In der Auseinandersetzung mit CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur war die Rollenteilung schnell klar. Auf der einen Seite der bayerische Ministerpräsident Söder, der sich beim Umarmen von Bäumen fotografieren lässt und in der Diskussion über den Kohleausstieg ein früheres Ausstiegsdatum für möglich hielt, nun sogar Bayern schon bis 2040 klimaneutral machen will. Auf der anderen Seite Laschet, der als NRW-Ministerpräsident Verständnis für die Ängste der Kohlekumpel äußerte und deutlich machte, dass er den Grünen nicht hinterherrennen wolle.
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Die Bremerin Winter hätte zwar lieber Söder als Kanzlerkandidaten gesehen, doch nun setzt sie auf Laschet. Im Bundesvorstand habe der CDU-Chef gesagt, dass die Gründung der Klima- Union eine „großartige Idee“ sei, sagt sie. Laschets Kurs, so deutet sich an, dürfte der Versuch eines Mittelwegs sein: Auf der einen Seite weiß er, dass die Union im Wahlkampf keine offene Flanke bieten darf. Auf der anderen Seite will er sich deutlich von den Grünen abgrenzen. Mit dem Sauerländer Friedrich Merz hat er zudem einen konservativen Vertreter des Wirtschaftsflügels in sein Wahlkampfteam geholt. Ob er sich auch jemanden mit Klimaprofil holt, ist noch unklar.
Der Politikwissenschaftler Christian Stecker ist der Auffassung, dass keine Partei das Thema ignorieren könne. Laut Politbarometer-Daten sehe die große Mehrheit der Deutschen den Klimawandel als wichtiges Problem und erwarte entsprechend von Vollprogrammparteien Antworten. Allerdings, so der Wissenschaftler, hätten die „Nachzügler“ gegenüber den Grünen einige Nachteile. Die klaren Vorsprünge in puncto Glaubwürdigkeit und Kompetenz seien nicht über Nacht aufzuholen.
Zum anderen sei es für nicht-grüne Parteien oft schwieriger, das Thema in die eigene Agenda einzubetten, ohne dabei interne Konflikte heraufzubeschwören oder bestimmte Wählergruppen abzuschrecken. Für Teile der Union gelte Klimapolitik zunächst als Gefahr für wirtschaftliches Wachstum. Für die Partei sei daher wichtig, inwiefern sie Klimapolitik als Innovationsmotor oder gar „Überlebensgarantie“ für die deutsche Wirtschaft umwidmen könne.
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