Umfrage-Rekord: Können Grüne auch Kanzler?
Nach dem Erfolg in Baden-Württemberg sind die Grünen in der Wählergunst bundesweit auf einen Rekordwert geschnellt und liegen vor der SPD. Es ist ein theoretischer Fall, aber Grün-Rot hätte derzeit eine Mehrheit - und die Grünen könnten den Kanzler stellen.
Die Umfragewerte für die Grünen gehen weiter steil nach oben. Im "Stern"-RTL-Wahltrend vom Mittwoch kletterten sie im Vergleich zur Vorwoche um sieben Prozentpunkte auf 28 Prozent. Die SPD fiel um zwei Punkte auf 23 Prozent. Union und FDP erlitten in der Forsa-Umfrage dramatische Einbußen und liegen im Bund 18 Punkte hinter Grün-Rot. Grüne und SPD erreichten zusammen erstmals seit der Bundestagswahl 2009 eine absolute Mehrheit von 51 Prozent.
Wäre jetzt Wahl könnten die Grünen als stärkere Partei sogar den Kanzler stellen. Allerdings ist der nächste reguläre Wahltermin im Bund erst 2013. Schon im Herbst 2010 hatten die Grünen vor der SPD gelegen, Rot-Grün hatte auch damals eine Mehrheit vor Schwarz-Gelb und Linken - allerdings nicht mit so großem Abstand.
Union und FDP verloren nach dem Wahldebakel im Südwesten und der Führungskrise bei den Freidemokraten deutlich. Die Union sank um drei Punkte auf 30 Prozent. Die FDP verlor zwei Punkte auf wieder nur noch 3 Prozent - sie käme nicht mehr in den Bundestag. Die Linke stieg um einen Punkt auf 9 Prozent.
Das Institut Forsa befragte für den Wahltrend vom 28. März bis zum 1. April insgesamt 2505 repräsentativ ausgesuchte Bürger. Die Befragung erfolgte also vor dem Führungswechsel bei der FDP. Forsa-Chef Manfred Güllner führte die Stärke der Grünen vor allem auf die anhaltenden Debatten über die Atomkraft zurück, was ein originäres Thema der Grünen sei. Die Kehrtwenden von Union und FDP würden dagegen vom Bürger als unglaubwürdig empfunden.
Forsa-Chef: Westerwelle auch "als Außenminister negativ beurteilt"
Skeptisch äußerte sich Güllner dazu, ob es der FDP gelingen werde, mit Hilfe des Wechsels an der Parteispitze aus der Krise herauszukommen. Der bisherige Parteichef Guido Westerwelle werde auch "als Außenminister negativ beurteilt". Gebe er nicht auch dieses Amt auf, werde sich für die FDP wenig ändern. Für das Amt des FDP-Chefs hatte am Dienstag Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler seine Kandidatur angemeldet.
Der spektakuläre Wahlerfolg der Grünen in Baden-Württemberg wird in der Umfrage sehr positiv bewertet. 51 Prozent finden es gut, dass das Bundesland mit Winfried Kretschmann künftig von einem Grünen regiert wird. Sogar 29 Prozent der Unionsanhänger und 33 Prozent der FDP-Wähler begrüßen dies. 57 Prozent aller Bürger trauen Kretschmann nach ihrem ersten Eindruck zu, dass er seine Sache gut machen wird. Auch 53 Prozent der Unions- und 49 Prozent der FDP-Wähler gewähren ihm Vorschusslorbeeren.
Unter dem Grünen-Spitzenpersonal auf Bundesebene bekommt Fraktionschefin Renate Künast die größte Zustimmung: 48 Prozent der Befragten meinen, dass sie in der bundesdeutschen Politik eine wichtige Rolle spielen solle. Parteichef Cem Özdemir kommt mit 46 Prozent auf den zweiten Platz, gefolgt von Co-Fraktionschef Jürgen Tritten mit 40 Prozent. Auf Platz vier kommt Kretschmann mit 39 Prozent. Parteichefin Claudia Roth schneidet mit 36 Prozent am schwächsten ab. (dpa/AFP)