Gesundheitsminister Gröhe und sein Staatssekretär: Kompetenz belebt das Geschäft
Gesundheitsminister Hermann Gröhe ist fachfremd. Staatssekretär Karl-Josef Laumann könnte ihm die Schau stehlen. Und nicht nur er.
Die Konstellation gab es vor vier Jahren schon einmal. Ein fachlich unbedarfter Politiker wird Gesundheitsminister. Um in dem schwierigen Ressort Fuß zu fassen, bekommt er einen ausgewiesenen Fachmann als Staatssekretär zur Seite gestellt. Der Nothelfer für Philipp Rösler hieß Daniel Bahr, er brachte es zwei Jahre später selber zum Ressortchef. Hermann Gröhes fachlicher Rückhalt heißt Karl-Josef Laumann. Doch womöglich wird die Sache diesmal ein wenig komplizierter.
Das fängt schon damit an, dass der Sozialpolitiker aus dem Westfälischen keineswegs nur Gröhes Befehlsempfänger und rechte Hand sein will. Der Rang als beamteter Staatssekretär dient vor allem dazu, Laumanns eigentlichen Posten, nämlich den des Patienten- und Pflegebeauftragten, politisch aufzuwerten. Das war ausdrücklicher Wunsch der Bundeskanzlerin, die dem wichtigen gesellschaftlichen Thema Pflege dadurch Gewicht und auch ein Gesicht geben wollte. Der 56-Jährige soll dem neuen Minister einerseits mit all seiner Erfahrung dabei helfen, die schwierige Pflegereform anzuschieben. Als Anwalt der Kranken und Pflegebedürftigen agiert er aber gleichzeitig als unabhängige Institution.
Kein Büro beim Minister
Um darüber keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, hat Laumann von Anfang an auf räumlicher Trennung bestanden. Kein Schreibtisch im Ministerium am Friedrichstadtpalast. Der Beauftragte bleibt mit seinem Team – das er, wenn es ihm der Haushaltsausschuss erlaubt, noch gehörig aufzustocken gedenkt – im früheren Ministerquartier in der Mohrenstraße 62. Sein Büro liegt dort im zweiten Stock, wo schon die SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt saß. Zur „Morgenlage“ beim Minister brauche er eine Viertelstunde, sagt Laumann, frische Luft schade nicht. Und wenn er rauchen will, geht er in jenes Glashäuschen, das sich der einstige Arbeitsminister Franz Müntefering in den Hof stellen ließ – nachdem seine Parteifreundin ihm und allen anderen das Qualmen am Arbeitsplatz untersagt hatte.
Mit Laumanns Berufung hat die Bundeskanzlerin auch die Personalquerelen in Nordrhein-Westfalen entschärft. Die Doppelspitze – hier der Landesvorsitzende Armin Laschet, dort Laumann als Fraktionschef im Landtag – hätte auf längere Sicht die Landespartei zerrissen. Und an der Qualifikation des gelernten Maschinenschlossers gab es ohnehin keinen Zweifel. Laumann war nicht nur fünf Jahre lang nordrhein-westfälischer Gesundheitsminister. Er hat vor 20 Jahren schon die Pflegeversicherung mitentwickelt – und steht seit langem an der Spitze der CDU-Sozialausschüsse. Die sehen sich nun vor der schwierigen Aufgabe, die Union sozialpolitisch nicht ganz hinter der SPD-Konkurrenz verschwinden zu lassen. Zur Personifikation dieses Unionsanspruchs war der bullige Westfale die erste Wahl. Und welches Thema hätte sich besser dafür geeignet als der gesellschaftliche Dauerbrenner Pflege?
Dreamteam oder Hahnenkampf?
Die Frage, die sich Beobachtern seit Laumanns Ernennung stellt, ist eine andere. Eignet sich einer wie Laumann tatsächlich für die zweite Reihe? Formiert sich im Gesundheitsministerium jetzt tatsächlich ein sozialpolitisches Dreamteam oder entwickelt sich die Sache zum Hahnenkampf? Laumann sei „ein Alphatier“, er werde sich unter Gröhe nicht kleinmache, prophezeien manche. Wenn er nicht überziehe, werde ihn der Minister aber wohl gewähren lassen. Schließlich sei er froh über Laumanns Fachkompetenz. Zudem gilt Gröhe als persönlich aufrichtig und uneitel – sich groß ins Rampenlicht zu stellen habe er nie nötig gehabt.
Gröhes Achillesferse ist offensichtlich: Weder er noch die meisten aus seinem engeren Team hatten bisher mit Gesundheitspolitik zu tun. Sein künftiger Strippenzieher als beamteter Staatssekretär, der Helmut-Kohl-Intimus Lutz Stroppe, kommt aus dem Familienministerium, sein neuer Leiter der Zentralabteilung, Ingo Behnel, und seine Sprecherin Katja Angeli ebenso. Auch Gröhes parlamentarische Staatssekretärin Ingrid Fischbach ist Familienpolitikerin und neu im Metier. Über Erfahrungswissen verfügt neben Laumann einzig Fischbachs Kollegin Annette Widmann-Mauz. Sie ist schon seit 2009 im Ministerium, allerdings unter Rösler und Bahr eher farblos geblieben. Ihre neuerliche Berufung sei, so sagen manche, vor allem als Dankeschön dafür zu verstehen, dass sie der Union unter Schwarz-Gelb die Ärzte warmgehalten habe. Zudem habe sich nur mit ihr ein Staatssekretär Jens Spahn verhindern lassen.
Experten außen vor
Der langjährige Gesundheitsexperte der Union, der sich auch gern mal mit den Rentnern anlegt, gilt manchen in der CDU als unberechenbar. Nachdem er in der vergangenen Legislatur als gesundheitspolitischer Sprecher der stärksten Fraktion schon eine Art heimlichen Minister gegeben hatte, wäre er es diesmal gerne auch wirklich geworden. Tatsächlich aber wurde Spahn im Personalpoker übergangen – und so mutmaßen nun manche, dass er Gröhe im Gespann mit seinem SPD-Gegenüber Karl Lauterbach das Leben schwer machen könnte.
Spahn und Lauterbach haben den gesundheitspolitischen Part des Koalitionsvertrages ausgehandelt, sie strotzen vor fachpolitischer Kompetenz. Doch Gröhe hat andere Trümpfe. Er gilt als lernbegierig und alles andere als beratungsresistent. Als Ex-Staatsminister und Generalsekretär ist er bestens vernetzt, anders als Bahr werden ihm Fraktion und Kanzleramt nicht in den Rücken fallen. Im Zweifel steht sein mitgliederstarker Landesverband hinter ihm. Mit den Ministerialdirektoren Ulrich Orlowski (Krankenversicherung), Erhard Schmidt (Arznei) und Karin Knufmann-Happe (Gesundheitsschutz) hat er weithin anerkannte Abteilungsleiter. Und politisch bringt den Minister, wenn es gut läuft, sein Parteifreund aus der Mohrenstraße auf die Spur – bei den anstehenden hochkomplexen Krankenhausverhandlungen mit den Ländern ebenso wie beim Großthema Pflege.