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Immer am Schirm. Nach dem Datenklau überdenken Prominente, aber auch private Nutzer ihren Social-Media-Konsum.
© Sebastian Gollnow/dpa

Nach Robert Habecks Social-Media-Abschied: Kommunikationsforscherin: "Brauche ich diese Kanäle überhaupt?"

Robert Habecks Ausstieg aus Twitter und Facebook sorgt für Aufsehen. Eine Kommunikationswissenschaftlerin spricht über "Nichtnutzer" und ihre Beweggründe.

Frau Kirchner, Sie forschen zu Nichtnutzern von Online-Medien. Nun hat sich der Grünen-Politiker Robert Habeck bei Twitter abgemeldet, wegen Sicherheitsbedenken und der Beobachtung, dass der aggressive Diskurs im Netz auf das eigene Kommunikationsverhalten abfärbt. Haben die von ihnen interviewten Menschen die gleichen Motive wie Habeck?

Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt ja auch die Gruppe der „Noch-nie-Nutzer“, die bestimmte onlinebasierte Angebote noch nie genutzt hat. Diese Gruppe wird tendenziell zwar immer kleiner, u.a. weil der technische Zugang niedrigschwelliger wird, sie ist aber insofern für die Forschung spannend, weil die Personen sich oftmals für eine bewusste Nichtnutzung entscheiden. Habeck bringt für seine Abmeldung nun ja hauptsächlich Gründe des Datenschutzes an. Dann gibt es auch noch Nutzer, für die insbesondere soziale Netzwerke wie Facebook immer weniger Mehrwert bringen – was sie  dort zu sehen bekommen, interessiert sie schlicht nicht (mehr) oder ihnen ist ihre Zeit zu wertvoll. Das hat auch oft mit biografischen Umbrüchen zu tun, etwa, wenn jemand eine Familie gründet oder berufstätig wird und so weniger Zeit und andere Prioritäten hat als während des Studiums bzw. der Ausbildung. Dass der bewusste Verzicht auf Medien, wenn auch nur temporär in selbst gewählten Auszeiten, an Bedeutung gewinnt, zeigen Begriffe wie „Digital Detox“ oder „Slow Media“, die uns gerade jetzt zu Jahresbeginn oder während der Fastenzeit begegnen.

Gibt es auch einschneidende Ereignisse, wie jetzt der Datenklau, der größere Gruppen von Menschen dazu bringt, Medien nicht mehr zu nutzen?

Auch in den Interviews, die ich geführt habe, wurden solche negativen Erlebnisse, wie jetzt bei Robert Habeck, thematisiert – wenngleich man zwischen Nutzern unterscheiden muss, die mit ihrem Account im öffentlichen Interesse stehen und „normalen“ Nutzern wie Du und ich, die darüber ihre private Kommunikation mit Freunden und Familie pflegen . Schließlich können auch Erfahrungen Dritter dazu führen, dass man das Internet nicht mehr als sicheren Raum wahrnimmt. Da liest man Berichte von Datendiebstahl und fragt sich „Brauche ich diese Kanäle überhaupt?“ Der NSA-Skandal war etwa so ein einschneidendes Ereignis, das die allgemeine Wahrnehmung von sozialen Medien verändert hat und die Nutzer zum Nachdenken brachte.

Juliane Kirchner hat für ihre Promotion 24 Nichtnutzer interviewt und gemeinsame Muster herausgefiltert.
Juliane Kirchner hat für ihre Promotion 24 Nichtnutzer interviewt und gemeinsame Muster herausgefiltert.
© Natalia Zumaran

Wie schmerzhaft ist denn so ein „Detox“ oder gar eine komplette Abmeldung aus den sozialen Netzwerken?

Das kommt immer darauf an, ob es Alternativen zur Nutzung gibt und wie der kommunikative Austausch im sozialen Umfeld des Einzelnen gestaltet wird.  So sind die jüngeren Nutzer bereits lieber bei Instagram oder Snapchat unterwegs und WhatsApp ist für Viele eine Alternative, um sich untereinander auf dem Laufenden zu halten. In einigen Nutzerbiografien, die ich mir angeschaut habe, gab es auch Phasen, in denen sich Nichtnutzer zwischendurch wieder angemeldet, ihren Account am Ende aber doch wieder gelöscht haben. Die Entscheidung zur Nutzung oder Nichtnutzung ist demnach eher als Prozess zu sehen, der je nach Lebenssituation und Mediennutzung im sozialem Umfeld Aushandlungsprozessen unterliegt. Ob eine Abmeldung aus einem sozialen Netzwerk spürbare Konsequenzen hat, hängt eben auch davon ab, wie intensiv Freunde und Familie das Angebot nutzen. Im Zweifel bedarf es konkreter Praktiken, um auch weiterhin Informationen aus der Gruppe zu erhalten.  

Robert Habeck hat viel über Twitter kommuniziert. Ihm werden also zwei wichtige Kanäle fehlen, über die er unabhängig publizieren konnte. Wird ihm der Ausstieg schwerfallen?

Jemand wie Habeck, der seine Accounts vorrangig beruflich nutzte, wird Berater haben, die ihm Alternativen aufzeigen. Da der Gebrauch sozialer Medien bei Vielen habituell erfolgt, bringt eine Nichtnutzung natürlich aber auch Auswirkungen auf das Alltagshandeln mit sich. Schnell die sozialen Kanäle zu checken oder einen Tweet abzusetzen, kann eben doch zur automatischen Gewohnheit  werden. Ich habe einmal ein Krisenexperiment mit Studierenden gemacht, die eine Woche lang auf soziale Netzwerke bzw. das komplette Smartphone verzichten sollten. Diejenigen, die auf das Handy verzichteten, berichteten teilweise von einem Phantomklingeln, das sie ab und zu hörten.

Sollte man denn so plötzlich auf kalten Entzug gehen wie Habeck oder ist ein langsames Ausphasen besser?

Es ist tatsächlich so, dass Menschen mit starker Nutzung ihren Ausstieg oft ankündigen, um sicher zu gehen, dass die anderen Nutzer wissen, auf welchem Weg man sie künftig erreichen kann. Im Gegensatz dazu gibt es natürlich auch noch sogenannte Karteileichen in Netzwerken, bei denen der Prozess der Nichtnutzung eher schleichend stattfand, etwa weil man das Interesse an der Nutzung verlor oder keine Zeit mehr dafür hatte. Am Experiment damals wollten nicht alle Studierenden teilnehmen, weil es einigen zu radikal war und sie befürchteten, sich von ihren sozialen Verbindungen abzuschneiden. Diejenigen, die mitgemacht haben, empfanden es aber als positive Erfahrung.

- Juliane Kirchner, (33), studierte Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt und promoviert zum Thema „Nichtnutzer in der mediatisierten Arbeitswelt“. Dafür interviewte sie 24 Menschen, die keine sozialen Netzwerke nutzen oder noch nie genutzt haben. Zurzeit ist sie Koordinatorin des kooperativen DFG-Graduiertenkollegs „Doing Transitions“ an der Goethe-Universität Frankfurt.

Nantke Garrelts

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