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Juan Guaido, selbsternannter Interimspräsident.
© AFP

Venezuela: Kommt es zu einer Konfrontation USA - Russland?

In Venezuela eskaliert ein dramatischer Machtkampf Richtung Bürgerkrieg. Wie gefährlich ist das für die Weltlage? Fragen und Antworten zum Thema.

Nachdem sich Venezuelas Parlamentschef Juan Guaido am Mittwoch vor Hunderttausenden Demonstranten zum Interims-Präsidenten erklärt hat, ist ein offener Machtkampf in dem Land ausgebrochen. Gegner und Befürworter des Regimes von Nicolas Maduro stehen sich gegenüber – auch im Ausland, wo der Westen und Russland massiv Partei ergreifen und Drohungen ausstoßen.

Wer kämpft gegen wen?

Auf der einen Seite ist die bürgerliche Opposition, die von Sozialdemokraten bis zu Rechtskonservativen reicht. Zeitweise war es der Opposition gelungen, ein breites Bündnis zu schmieden, den Tisch der Demokratischen Einheit (MUD). Die MUD ist jedoch in den letzten zwei Jahren durch personelle Rivalitäten und strategische Differenzen zerbrochen. Der neue Parlamentspräsident Juan Guaido, ein erst 35 Jahre alter ehemaliger Studentenführer, hat die Opposition nun wieder geeint, ihr Hoffnung und eine klare Richtung gegeben.

Auf der anderen Seite steht die Regierung unter Nicolas Maduro. Er hat in den vergangenen Jahren in einer Säuberungsaktion loyale Gefolgsleute um sich geschart und diejenigen entmachtet, die ihn kritisierten. Sie werden für die Misswirtschaft verantwortlich gemacht, die zur Flucht von Millionen Menschen in Nachbarländer geführt hat. Maduros Hauptstützen sind das Militär einerseits, dem er die Kontrolle der Wirtschaft überlassen hat, also das Erdölgeschäft, aber auch die Finanzwelt und lukrative Import-Export-Geschäfte. Eine Schlüsselfigur ist Verteidigungsminister Vladimir Padrino. Eine andere Stütze ist Kuba, das nicht nur Maduros persönliche Sicherheitsgarde stellt, sondern ihn auch bei strategischen politischen Entscheidungen berät. Eine dritte Stütze ist die bewaffnete Miliz.

Warum stehen Militär und Sicherheitskräfte auf Maduros Seite?

Weil sie daraus wirtschaftliche Vorteile ziehen. Generäle kontrollieren heute Export- und Importgeschäfte, das Erdöl, die Devisenzuteilung, den Zoll, die Goldvorkommen, den Drogenhandel. Sie sind dabei mit mafiösen Gruppen vor allem aus Kolumbien, verbunden. Den niedrigeren Rängen überlassen sie es, Straßensperren aufzubauen, an denen diese dann Schmiergelder von denen kassieren, die irgendwelche Waren schmuggeln. Von Sozialismus kann keine Rede mehr sein, Venezuela ist heute ein Mafiastaat.

Wie gefährlich ist das für die Weltlage?

Es besteht die akute Gefahr, dass sich die Staatskrise zu einem internationalen Konflikt ähnlich wie in Syrien ausweiten könnte. Der größte Druck auf das Land kommt aus den USA. Nur wenige Minuten, nachdem sich Guaido zum Präsidenten ausgerufen hatte, wurde er von Washington anerkannt. Es folgten Kanada und südamerikanische Länder. Die Bundesregierung forderte am Donnerstag ebenso wie die EU Neuwahlen, erkannten den neuen Interimspräsidenten aber nicht an. Dagegen sicherten Russland und die Türkei Maduro ihre Unterstützung zu. Moskau hat die Regierung in Caracas in den letzten Jahren mit Milliardensummen gestützt, im Gegenzug soll sich der russische Staatskonzern Rosneft Beteiligungen an der Ölförderung gesichert haben. Das russische Außenministerium warnte US-Präsident Donald Trump vor einer Militärintervention. Moskau reagierte auf eine Äußerung Trumps, der auf die Frage nach einem US-Militäreinsatz in Venezuela gesagt hatte, alle Optionen lägen auf dem Tisch. Daraufhin brach Venezuela die diplomatischen Beziehungen zu den USA ab. US-Außenminister Mike Pompeo erklärte, er werde das diplomatische Personal zunächst nicht abziehen. „Die Vereinigten Staaten erkennen das Maduro-Regime nicht als Regierung Venezuelas an“, teilte Pompeo mit. Folglich habe „der frühere Präsident“ auch nicht die Befugnis, diplomatische Beziehungen abzubrechen oder US-Diplomaten zu unerwünschten Personen zu erklären. Die Frage ist, was passiert, wenn Maduro gegen US-Diplomaten vorgehen sollte.

China reagierte in dem Konflikt verhaltener und sprach sich gegen Einflussnahme von außen und gegen Sanktionen aus.

Welche Rolle spielen die USA?

Die US-Regierung hat sich lange in Venezuela zurückgehalten. Mit US-Präsident Donald Trump hat sich das geändert. Dort herrscht die Meinung vor, Venezuela könnte zum Brückenkopf einer chinesischen, russischen oder arabischen Infiltration in Lateinamerika werden. Seither arbeiten die USA aktiv an einem Regimewechsel in Venezuela. Zum einen haben sie Sanktionen gegen ranghohe Mitglieder der Regierung verhängt, zum anderen üben sie Druck auf Staaten in Mittelamerika und der Karibik aus, damit sich diese von Venezuela distanzieren.

Wie sind die Chancen der Opposition?

Die Opposition hat zum ersten Mal seit langem in diesem Machtkampf mit Maduro einen klaren strategischen Vorteil. Die wirtschaftliche Lage ist derart desaströs, dass die Bevölkerung des Regimes überdrüssig ist, und dieser Druck wird anhalten oder zunehmen. Allerdings hängt der Ausgang dieser Krise und wie blutig das Ganze verläuft, vom Geschick der Oppositionsführer ab. Also davon, ob sie es schaffen, einen Keil zwischen Maduro und das Militär zu treiben.

Wie ist es zu diesem Konflikt gekommen?

Maduros Mentor Hugo Chavez hat 1998 gewonnen, weil die Venezolaner der Korruption der Altparteien überdrüssig waren und auf eine Verteilung des Erdölreichtums hofften. Das hat Chavez dank der Hausse der Erdölpreise zunächst auch geschafft. Aber nachdem die Opposition versucht hatte, ihn mit einem Streik und mit einem Putsch aus dem Amt zu drängen, konzentrierte er sich auf Machterhalt. Hauptsächlich vertraute er dem Militär, das immer mehr Einfluss gewann. Im Militär breitete sich daraufhin eine gigantische Korruption aus. All das ist explodiert, als nach Chavez Tod die Erdölpreise in den Keller fielen. Maduro hatte nie die Unterstützung im Volk, die Chavez hatte.

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