Nach dem Fall Hoeneß: Kommt das Steuerabkommen mit der Schweiz doch noch?
Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz scheiterte im Dezember am Widerstand der Opposition. Der Fall Hoeneß heizt die Debatte um Steuersünder erneut an. Gibt es einen weiteren Anlauf?
Die Nachricht vom Schweizer Angebot für neue Verhandlungen über ein Steuerabkommen lässt die deutschen Sozialdemokraten jubilieren. Nachdem FC-Bayern-Chef Uli Hoeneß seine Selbstanzeige mit dem Scheitern des bereits ausgehandelten Steuerabkommens zwischen Deutschland und der Schweiz begründet hat, wird über den Kampf gegen Steuerhinterziehung wieder breit diskutiert.
Wie stehen die Sozialdemokraten zu erneuten Verhandlungen?
Die SPD fühlt sich bei dieser Debatte gegenüber Union und FDP endlich einmal im Vorteil, weil sie das von der Bundesregierung vorgelegte Abkommen mit der Schweiz stets scharf kritisiert hatte. „Ich habe das schon vor eineinhalb Jahren gesagt, dass die Schweiz dazu bereit sein werde“, frohlockte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Mittwoch – und behauptete stolz, durch seine Drohung mit der Kavallerie erst richtig auf das Thema aufmerksam gemacht zu haben. Die klare Zuspitzung im Streit um das Steuerabkommen und die Bestätigung der SPD-Position durch die aktuelle Entwicklung sei im Wahljahr „sehr, sehr hilfreich“, heißt es im Willy-Brandt-Haus.
Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble befinden sich nach dieser Interpretation dagegen in der Defensive. Merkel und Schäuble wollten jetzt „von ihrem Image als Schutzpatron der Steuerhinterzieher“ wegkommen, spottete der SPD-Finanzexperte Joachim Poß. „Wir erleben hier eine Wende von CDU/CSU und FDP sowie andererseits der Schweiz, dass das Schweizer Bankgeheimnis im Kern aufgehoben werden muss“, sagte der Fraktionsvize. Tatsächlich argumentierte die SPD schon Ende 2012 bei der Ablehnung des Abkommens im Bundesrat, der wachsende Druck aus dem Ausland werde die Schweiz irgendwann dazu zwingen, das Verstecken von Vermögen aus dem Ausland auf ihren Banken zu beenden – weshalb das Abkommen zu kurz greife.
Umfassende Transparenz gehört zu den Bedingungen, die Sozialdemokraten für ein neues Abkommen formulierten. „Es darf kein Abkommen sein, das die Interessen der Steuerhinterzieher und der Schweizer Banken vertritt“, forderte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans, der trotz harter Kritik aus Union und FDP mehrere CDs mit Daten von Steuerflüchtlingen aufgekauft hatte. Die Steuersünder sollen nach dem Willen der SPD nicht anonym bleiben können, der Aufkauf weiterer Daten-CDs soll möglich bleiben. Zudem müsse sich die Schweiz einer europäischen Regelung für einen erweiterten automatischen Informationsaustausch unterwerfen.
Die FDP will, die CDU eher nicht
Wie verhält sich die Regierungskoalition?
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) drehte den Spieß um. Er begrüßte, „dass die Opposition jetzt einlenken will“ und erklärte diplomatische Verhandlungen für allemal erfolgreicher „als Drohungen mit der Kavallerie“. Die Union allerdings schlug das Angebot des Schweizer Außenministers Didier Burkhalter, sich nach dem Fall Hoeneß nochmals an einem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen zu versuchen, am Donnerstag aus. Eine Neuverhandlung stehe „im Augenblick nicht auf der Tagesordnung“, sagte der finanzpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Klaus-Peter Flosbach, dem Tagesspiegel. SPD und Grüne hätten einen „sehr vernünftigen Vorschlag“ für ein Abkommen zum Scheitern gebracht. Die dadurch erzwungene Nachversteuerung wäre „deutlich teurer gekommen als eine Selbstanzeige“. Nun konzentriere man sich auf eine umfassendere Lösung. Zwar seien bilaterale Verhandlungen für die Zukunft nicht grundsätzlich auszuschließen, sagte der CDU-Experte. Vorzuziehen wäre dem aber „eine generelle europäische Lösung“, bei der etwa das vorhandene EU-Zinsabkommen mit der Schweiz überarbeitet würde. Ähnlich äußerte sich das Finanzministerium. Im Vordergrund stehe jetzt das Bemühen, „eine Lösung auf EU-Ebene zu finden“, sagte ein Sprecher. Das Verhandlungsmandat müsse die EU- Kommission erhalten.
Unabhängig davon wollte Kanzlerin Angela Merkel Strafverschärfungen zumindest geprüft haben. Eine dafür gegründete Arbeitsgruppe der Union unter Leitung von Finanzminister Wolfgang Schäuble trifft sich am kommenden Dienstag. Mit dabei sind seine Kollegen aus den unionsgeführten Bundesländern sowie die Fraktionsexperten Michael Meister und Klaus-Peter Flosbach. Bei den Beratungen geht es insbesondere um die Frage, ob die Straffreiheit im Falle einer Selbstanzeige auch für diejenigen gelten soll, die jahrelang und systematisch Steuern hinterzogen und ihr Geld ins Ausland geschafft haben. Man werde sich die Regelung „ergebnisoffen ansehen“ und ausloten, ob man nicht eine stärkere Differenzierung hinbekomme, hieß es in Teilnehmerkreisen.
Der Fall Hoeneß hat auch in der Schweiz einiges bewegt
Wieso ist die Schweiz jetzt zu Gesprächen bereit?
„Wenn Deutschland oder Europa darüber diskutieren wollen, sind wir offen“, sagte der Schweizer Außenminister Didier Burkhalter am Mittwoch im Bezug auf das Schweizer Steuerabkommen. Für die Schweizer Regierung war die Ankündigung ihres Außenministers schon sehr viel. Im vergangenen Jahr kamen noch ganz andere Töne aus Bern. Als das bereits ausgehandelte Abkommen mit Deutschland zu kippen drohte, machte die damalige Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf klar: „Dieses Abkommen oder keines.“ Bern werde „Nachverhandlungen“ mit Berlin nicht zustimmen.
Doch Schweizer Banker äußern sich skeptisch über die Chancen für ein neues Abkommen. Eine Übereinkunft, die dem alten, gescheiterten Vertrag entspreche, werde nicht zustande kommen, orakeln sie. „Das kann man vergessen“, heißt es in Bankenkreisen. Der Grund: Die deutsche Öffentlichkeit und ihre Politiker hätten längst die Geduld mit Steuerflüchtlingen verloren. Die Affäre um Hoeneß, habe die letzten Befürworter eines schonenden Umgangs mit Abgaben-Hinterziehern hoffnungslos in die Defensive gedrückt. Das gescheiterte Abkommen Berlin-Bern nämlich sah einen sehr behutsamen Umgang mit Steuersündern vor: Im Kern wären sie dadurch in den Genuss von Straffreiheit gekommen. Im Gegenzug hätten sie anonym Abgaben an die deutschen Finanzämter zahlen müssen – ein Modell, auf das der Fc-Bayern-Präsident nach eigener Aussage bis zuletzt gehofft hatte.
Dass die Schweiz jetzt in die Offensive geht, liegt auch am Fall Hoeneß: Die Politiker wollen das Land vom schädlichen Image des Schwarzgeldtresors befreien. Und den Banken wird ihr eigenes Geschäftsmodell zu heiß: Jahrelang hatten sie sich auf das Horten von Schwarzgeld spezialisiert. Von den 5300 Milliarden Franken, die in Zürich, Genf und Lugano verwaltet werden, stammen rund 2700 Milliarden Franken aus dem Ausland. Nach Schätzungen kommt rund die Hälfte der fremden Vermögen aus dunklen Kanälen oder ist unversteuert.
Eine Bank nach der anderen drängt jetzt ihre deutsche Klientel, nichtversteuertes Geld beim Fiskus in Deutschland zu melden. Wenn die Kunden nicht nachgeben, lösen Institute die Geschäftsbeziehung auf. Die Großbank UBS verschickte bereits im vergangenen Jahr eindeutige Briefe an ihre amerikanischen Kunden. Nur diejenigen, die mit einer Übermittlung sämtlicher Kontenbewegungen an die US-Steuerbehörde einverstanden seien, dürften weiter bei der UBS bleiben. Diese Strategie der Schweizer Geldhäuser bedeute „nichts anderes als das Ende des Bankgeheimnisses für ausländische Kunden“, erklärte ein Banker.
Rainer Woratschka, Hans Monath
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