EU-Gipfel in Vilnius: Klare Worte, leere Hände
Beim EU-Gipfel in Vilnius steht Russland in der Kritik. Die Ukraine bleibt vorerst bei ihrer Absage an die EU - und stellt neue Bedingungen.
So deutliche Worte hat die Europäische Union selten an Moskau gerichtet. „Wir können die Einmischung eines Dritten in einer bilateralen Vereinbarung nicht akzeptieren“, sagte EU-Kommisionspräsident José Manuel Barroso zum Abschluss des EU-Gipfels mit den Staaten der östlichen Partnerschaft im litauischen Vilnius. Dabei gehe es ums Prinzip. „Die Zeiten eingeschränkter Souveränität in Europa sind vorbei.“
Die Ukraine hatte mit der EU ein Abkommen ausgehandelt, das eine weitreichende Annäherung und eine Freihandelszone ermöglichen soll. Keinem anderen Land, das nicht EU-Mitglied oder Beitrittskandidat ist, hat Brüssel zuvor ein solches Angebot gemacht. Nach massivem Druck aus Moskau hatte die ukrainische Führung um Staatspräsident Viktor Janukowitsch allerdings in letzter Minute einen Rückzieher gemacht und auf die in Vilnius geplante Unterzeichnung des Abkommens verzichtet. Barroso und die Staats- und Regierungschefs der EU standen am Ende des Gipfels praktisch mit leeren Händen da. Georgien und Moldau haben zwar auch entsprechende Abkommen mit der EU ausgehandelt, sind aber noch nicht so weit gekommen wie die Ukraine. Die Verträge wurden in Vilnius nicht unterschrieben, sondern nur paraphiert.
EU kritisiert Druck aus Russland auf Nachbarn
Barroso betonte, dass die Östliche Partnerschaft nicht gegen Russland gerichtet sei. „Dies ist ein Prozess für etwas, für mehr Demokratie, Stabilität und Wohlstand, das ist nicht gegen irgendjemanden gerichtet“, sagte der Kommissionspräsident nach Abschluss des Gipfeltreffens. „Ich glaube nicht, dass jemand gegen Demokratie, Wohlstand sein sollte.“ Der russische Druck auf die Nachbarn soll nun beim EU-Russland-Gipfel Ende Januar kommenden Jahres zur Sprache kommen. Das Verhalten Russlands gegenüber den Staaten der Östlichen Partnerschaft sei „unvereinbar" mit der Funktionsweise der internationalen Beziehungen, sagte der EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.
So blieb der EU beim Gipfel nichts anderes übrig, als gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass die Türen für die Ukraine offen bleiben. „Wir sind bereit zu unterzeichnen, sofern die Bedingungen erfüllt sind“, sagte Van Rompuy. „Wir hoffen, dass die Ukraine früher oder später ebenfalls dazu bereit ist.“ Das ukrainische Volk wolle engere Beziehungen zur EU. Am Freitag demonstrierten wieder Tausende in Kiew für eine Annäherung an die EU. Aber auch Unterstützer von Präsident Janukowitsch gingen auf die Straße.
Die Ukraine will von der EU mehr finanzielle Hilfen
Janukowitsch hatte am Rande des Gipfels ein Treffen mit Van Rompuy und Barroso und führte ein Vier-Augen-Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Er signalisierte am Ende die Bereitschaft, das Abkommen „in naher Zukunft“ zu billigen – formulierte aber neue Bedingungen. So verlangte er mehr finanzielle Hilfen und Unterstützung bei der Modernisierung des ukrainischen Gastransportsystems. Selbst noch beim Gipfel spielte Janukowitsch also die EU und Russland weiter gegeneinander aus. Moskau hat der Ukraine für den Fall einer Unterzeichnung einerseits gedroht – und andererseits offenbar auch großzügige Finanzhilfen zugesagt, wenn das Abkommen nicht unterzeichnet würde.
Barroso wies darauf hin, dass die Ukraine wirtschaftlich von dem Abkommen mit der EU profitiere. Ukrainische Unternehmen könnten nach dem Inkrafttreten des Abkommens etwa 500 Millionen Euro an Importzöllen einsparen. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes werde außerdem deutlich steigen.
"Neue Bedingungen gibt es nicht"
Auf Nachverhandlungen mit der Führung in Kiew wollen sich Europas Staats- und Regierungschefs nicht einlassen. „Die EU wird keine Deals mit der Ukraine eingehen“, sagte die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite. „Die Bedingungen sind bekannt. Es gibt keine neuen.“ Damit machte sie indirekt auch deutlich, dass die EU nicht davon abrücken wird, die Freilassung der inhaftierten Ex-Regierungschefin und Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko als Voraussetzung für das Abkommen zu betrachten.
Die litauische Präsidentin war es auch, die Janukowitsch am deutlichsten kritisierte: Sie verwies auf ihr eigenes Land, das ebenfalls auf ein schwieriges Verhältnis zu Moskau zurückblickt: „Wenn man den politischen Willen hat, zu widerstehen und nicht nachzugeben, dann funktioniert der Druck nicht“, sagte Grybauskaite. Die ukrainische Führung nutze den Druck aus Russland dagegen als Vorwand, um die Annäherung an die EU zu stoppen.