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 In einem Auffanglanger in Donna/Texas liegen Kinder dicht gedrängt auf dem Boden.
© AFP PHOTO /US CUSTOMS AND BORDER PROTECTION/JAIME RODRIGUEZ,SR./HANDOUT

Auffanglager an Amerikas Südgrenze: Kinder in Not, Präsident unter Druck

Immer mehr Menschen wollen über Mexiko in die USA flüchten. Für US-Präsident Joe Biden wird das Leid an der Grenze zur Bewährungsprobe.

Die Regierungsantwort ließ nicht lange auf sich warten. Keine 24 Stunden, nachdem der demokratische Abgeordnete Henry Cuellar aus Texas Fotos aus einem Auffanglager für Kinder und Jugendliche in dem Grenzort Donna veröffentlicht hatte, gab auch das Weiße Haus Bilder und Videos frei, in dem die Zustände in diesem und einem weiteren Lager in El Paso dokumentiert sind. In den offiziell genehmigten Aufnahmen, die der Sender ABC News zuerst verbreitete, ist zu sehen, wie maskentragende Kinder Donna erreichen, wie ihre Temperatur gemessen und ihr Gesundheitszustand gecheckt wird.

Dass das Auffanglager voll ist, wird deutlich: Gedacht ist die Einrichtung für 250 Personen, derzeit sollen sich dort aber bis zu 4000 aufhalten. Kinder schlafen dicht gedrängt auf Matten auf dem Boden. Gleichzeitig wirkt alles ziemlich organisiert und durchdacht. So ist zu sehen, wie sich Kinder Orangen und Sandwiches greifen dürfen, in den Regalen stapeln sich Lebensmittel, Wasser, Windeln und Desinfektionsmittel, im Freien werden gemeinsame Gymnastikübungen absolviert.

Während der Abgeordnete Cueller von „verstörenden Bildern“ aus völlig überfüllten Lagern spricht, die die „humanitäre Krise“ zeigten, mit der Amerika umzugehen habe, sollen die offiziellen Aufnahmen vor allem belegen, welche Mühe sich die Regierung angesichts der großen Herausforderung gibt. Journalisten sind auf solche Berichte angewiesen, da ihnen die Behörden den Zugang mit Verweis auf Schutzmaßnahmen in der Corona-Pandemie verwehren.

Joe Biden hatte einen Kurswechsel in der Migrationspolitik versprochen

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden, die einen Kurswechsel in der Migrationspolitik eingeleitet hat, spürt den wachsenden Druck durch die angespannte Lage an der amerikanischen Südgrenze. Sie betont, so schnell wie möglich vorzugehen, indem beispielsweise die Katastrophenschutzbehörde Fema dabei hilft, Unterkünfte zu errichten. Aber Kritiker werfen der Biden-Regierung vor, die Lage falsch eingeschätzt, sich nicht auf den Andrang vorbereitet zu haben.

Bereits seit April vergangenen Jahres, also noch in der Amtszeit von Donald Trump, steigt die Zahl der Menschen wieder, die versuchen, über Mexiko in die USA zu gelangen. Sie kommen aus Guatemala, El Salvador oder anderen Ländern Zentralamerikas. Zwar werden auch weiterhin die meisten aufgegriffenen Erwachsenen und Familien unter Berufung auf die Pandemie wieder zurückgeschickt.

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Aber unter den Migranten sind derzeit viele unbegleitete Minderjährige – was manche Beobachter darauf zurückführen, dass die Regierung im Wahlkampf eine humanere Einwanderungspolitik versprochen und mit der Umsetzung bereits begonnen hat: So werden Minderjährige nicht mehr zurückgeschickt. Rund 15.000 Kinder und Jugendliche befinden sich nach offiziellen Angaben inzwischen in solchen Lagern.

Washington will nicht von einer „Krise“ sprechen

Von einer „Krise“ will Washington weiter nicht sprechen, auch wenn die Appelle von Regierungsmitgliedern an Migranten, keinen Grenzübertritt zu versuchen, zunehmen. Bidens Sprecherin Jen Psaki erklärte, vor Gewalt und Hunger fliehende Kinder, die an der Grenze auftauchten, stellen keine Krise dar. Biden kündigte am Sonntag zumindest an, ins Grenzgebiet zu Mexiko zu reisen und Einwanderungswillige dort aufzurufen, zu Hause zu bleiben. Sein Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas, der erste Latino in diesem Amt, erklärte bei mehreren TV-Auftritten in den vergangenen Tagen, die Grenze sei geschlossen.

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Die Republikaner, für die die Migrationsfrage in der Vergangenheit häufig ein willkommenes Wahlkampfthema war, nutzen die Gelegenheit, die Demokraten anzugreifen. Sie werfen dem neuen Präsidenten vor, Migranten geradezu eingeladen zu haben. Er habe den Bau der Mauer ausgesetzt und den rund elf Millionen illegal Eingewanderten in Aussicht gestellt, bald US-Bürger werden zu können.

Fox News macht Stimmung gegen die demokratische Regierung

Auch habe er Trumps Entscheidung rückgängig gemacht, dass Asylbewerber so lange in Mexiko warten müssen, bis über ihren Antrag entschieden ist. Viele illegal eingereiste Migranten würden nun wieder wie früher die Chance nutzen, in den USA unterzutauchen. Rechte Sender wie Fox News begleiten diese Vorwürfe mit Debatten über „katastrophalen Zustände“ an der Grenze.

In der Diskussion geht etwas unter, dass die Einwanderung in jedem Frühjahr zunimmt, wenn das Wetter wärmer wird. Und dass die Situation vor zwei Jahren, als Trump noch Präsident war, deutlich angespannter war. Aber die Pandemie hat in Zentralamerika die ohnehin prekäre Lage vieler Menschen noch verschärft, die Bereitschaft auszuwandern, steigt.

Am Montag sind US-Regierungsvertreter nach Mexiko und Guatemala gereist, um mit den dortigen Verantwortlichen Wege zu finden, wie sich die Migration unterbinden lässt. Dabei soll es auch darum gehen, langfristig gegen die Fluchtursachen vorzugehen. Aber die Krise, ob die Biden-Regierung sie so nennt oder nicht, findet in diesen Tagen und Wochen statt. Für Washington ist es daher ein Erfolg, dass die mexikanische Regierung sich bereiterklärt hat, die Südgrenze zu Guatemala wieder stärker zu kontrollieren.

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