Studie der Techniker-Krankenkasse: Kinder halten Beschäftigte gesünder
Trotz der Doppelbelastung durch Familie und Beruf: Eltern fehlen seltener am Arbeitsplatz als Kinderlose. Das belegt eine Studie der Techniker Krankenkasse.
Mit Kindern, das weiß man, ändert sich das Leben. Komplett. Dann ist ’s erst mal vorbei mit Kino und Kneipe, unbeschwerten Treffs mit Freunden. Stattdessen gibt es schlaflose Nächte, wenn sie noch klein sind. Alltagshektik, Doppelbelastung durch Familie und Beruf. Dann die Viren, die sie aus der Kita anschleppen. Schulprobleme, Konflikte mit den Pubertierenden. Verantwortung, Existenzsorgen. Gesund kann das nicht sein, oder?
Seltener krankgeschrieben als Kinderlose
Ist es doch. Kinder sind gut für die Gesundheit. Das ist das überraschende Ergebnis einer Studie, mit der die Techniker Krankenkasse (TK) gerade die Befindlichkeit der sogenannten Sandwichgeneration untersucht hat. Rein statistisch gesehen waren Beschäftigte mit familienversicherten Kindern im vergangenen Jahr 2,3 Tage weniger krankgeschrieben als kinderlose Versicherte. Und sie bekamen auch weniger Medikamente verordnet.
Der Unterschied ist deutlich – und repräsentativ. Für ihren Report wertete die Kasse immerhin die Atteste und Arzneimitteldaten von 4,6 Millionen erwerbstätigen Versicherten aus. Demnach war letztes Jahr jeder davon im Durchschnitt an 15,4 Tagen krankgeschrieben. Beschäftigte mit Kindern fehlten lediglich an 14,3 Tagen. Kinderlose dagegen kamen im Schnitt auf 16,5 Krankentage.
Je älter die Eltern, desto deutlicher der Unterschied
Allerdings zeichne sich dieser Trend erst nach dem 40. Lebensjahr ab, sagt Thomas Grobe vom Göttinger Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (Aqua), der die Daten für die Kasse ausgewertet hat. Bei jüngeren Erwerbstätigen lägen die Fehlzeiten von Eltern höher. Ab 40 drehe sich das Verhältnis um, und mit zunehmendem Alter werde „die Schere immer größer“. Bei den über 55-Jährigen betrage die Differenz dann schon über eine Woche, so der Wissenschaftler.
Vergleichbares gilt für die Verordnung von Psychopharmaka, und das sogar über alle Altersgruppen hinweg: Beschäftigte mit Kindern bekommen deutlich weniger verschrieben als Kinderlose. Bei Männern beträgt der Unterschied drei, bei Frauen sogar fast sieben Tagesdosen.
Familie als "Gesundheitsressource"
Wie ist das zu erklären? Durch das Nebeneinander von Erziehung und Job sind Eltern doch deutlich stärkerem Druck ausgesetzt als diejenigen, die sich nur um ihr berufliches Fortkommen zu kümmern brauchen. Man könne „vermuten, dass Familie nicht nur eine Mehrbelastung ist, sondern auch entlastend im Sinne einer Gesundheitsressource wirkt“, meint TK-Chef Jens Baas. Als Schutzfaktor gegen Stress wirke sie „gewissermaßen protektiv“.
Umfragen der vergangenen Jahre bestätigten dies, sagt Baas. Bei der jüngsten Erhebung seiner Kasse habe der Stresspegel in der Sandwichgeneration zwar mit 80 Prozent höher gelegen als in allen anderen Altersgruppen. Gleichzeitig spielten Familie und Freunde für die Betroffenen aber als Ausgleich auch eine besonders wichtige Rolle. Drei Viertel der Eltern bezeichneten ihr Familienleben demnach als "Stresskiller". Im Durchschnitt der Bevölkerung sagten dies nur 62 Prozent.
Aus der Sicht des Arbeitsmediziners Klaus Jumpertz ist die Familie als Rückzugsort für die Gesundheit der Beschäftigten enorm wichtig. Die Arbeitswelt ändere sich „rasend schnell“. Viele Berufstätige hätten das Gefühl, nur funktionieren zu müssen und austauschbar zu sein. Da hätten gute und konstante soziale Bindungen eine nicht zu unterschätzende Entlastungsfunktion.
Fast jeder Zweite hat noch Berufsstress nach Feierabend
Dass das Berufsleben als zunehmend härter empfunden wird, belegt eine Auswertung von TK-Befragungen aus zwölf Jahren. Demnach gaben im Zeitraum von 2002 bis 2009 nur drei von zehn Befragten an, dass sie ihr Job auch nach Feierabend stresst. In den Jahren von 2010 bis 2015 beschwerte sich darüber schon 47,2 Prozent.
Auch am Arbeitsplatz ist die Belastung gestiegen. Klagten bis zum Jahr 2009 noch 39,1 Prozent darüber, waren es in den Jahren danach schon 48,7 Prozent. Immer schneller, immer komplexer: Jeder Zweite berichtet mittlerweile von einer enormen Arbeitsintensivität mit Termindruck, Zeitmangel, Mehrfachbelastungen. Und zwei von drei der davon Betroffenen leiden darunter.
Ältere empfinden Computerarbeit als Stress
Ein Problem ist für viele die Arbeit in lauten Großraumbüros. Und bei der Digitalisierung stoßen vor allem die über 50-Jährigen an ihre Grenzen. Fast jeden Vierten dieser Altersgruppe stresst die Arbeit am Computer. Daran vorbei kommt kaum noch einer. Konnten vor 2010 noch 25 Prozent ihren Job ohne PC erledigen, sind es inzwischen nur noch zwei Prozent.
Bei der Frage, was Beschäftigte gesund erhält, gehe es „längst um viel mehr als ergonomische Arbeitsplätze und flexible Arbeitszeiten“, resümiert Kassenchef Baas. Nötig seien gute Strukturen, transparenter Informationsfluss, Wertschätzung der Mitarbeiter. Vom Chef zu wenig Anerkennung zu bekommen, belaste jeden vierten Beschäftigten.
Daneben spiele die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine entscheidende Rolle. Sich darum besonders zu kümmern, sei auch „unternehmerisch klug“, sagt Baas. Schließlich handle es bei den Familien um eine „Ressource“, die positiv auf die Gesundheit der Beschäftigten wirke. Den Nachweis dafür hat seine Studie erbracht.