Ukraine-Krise: Kiew bereitet Abzug schwerer Waffen aus dem Donbass vor
Die Waffenruhe zwischen dem Militär und den Separatisten im Osten der Ukraine scheint zu halten. Schwere Kriegstechnik soll nun auf beiden Seiten abgezogen werden.
Nach heftigen Kämpfen bis zum letzten Moment hat im Kriegsgebiet Ostukraine in der Nacht zum Sonntag eine Waffenruhe zwischen prorussischen Separatisten und der Armee begonnen. Der Beschuss der Militärstellungen habe aufgehört, sagte Wladislaw Selesnjow vom Generalstab in Kiew. Auch Separatistenführer Eduard Bassurin bestätigte der Agentur Tass, die Lage im Gebiet Donezk sei ruhig. Vereinzelte Gefechte gab es nach Darstellung beider Seiten jedoch um den strategisch wichtigen Ort Debalzewo. Dort hatten sich die Konfliktparteien noch am Samstag heftig bekämpft.
Die Militärführung in Kiew bereitet nach eigener Darstellung den Rückzug schwerer Kriegstechnik vor. Dmitri Kuleba vom ukrainischen Außenministerium machte jedoch deutlich, dass die Geschütze nur gleichzeitig mit den Waffen der prorussischen Separatisten abgezogen würden. „Das wird ein Test für alle, ob sie bereit sind, den Friedensplan umzusetzen“, sagte er Berichten zufolge. Durch den Rückzug der Waffen soll eine entmilitarisierte Pufferzone im Konfliktgebiet entstehen.
„Der Friedensprozess steht unter schweren Vorbehalten, besonders wegen der Situation um Debalzewo“, sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. In Militäruniform erteilte er den Truppen vor laufenden Kameras um Mitternacht den Befehl, die Kämpfe einzustellen. Die Lage um den Verkehrsknotenpunkt Debalzewo ist heikel, weil dort nach Darstellung der Separatisten Tausende ukrainische Soldaten eingekreist sind, was Kiew aber nicht bestätigt.
Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande appellierten eindringlich, sich an das Minsker Abkommen zu halten. Sie hatten beim Beschluss der Kampfpause vergangene Woche in der weißrussischen Hauptstadt vermittelt, an dem auch Kremlchef Wladimir Putin beteiligt war. Merkel und Hollande telefonierten am Samstag sowohl mit Poroschenko als auch mit Putin. Bereits an diesem Sonntag wollte sich das deutsch-französische Tandem von Poroschenko über den Fortgang der Waffenruhe unterrichten lassen. US-Präsident Barack Obama habe in einem Telefonat mit Poroschenko seine Sorge über die Lage in Debalzewo geäußert, hieß es aus Kiew.
Zwei Tote kurz nach Inkrafttreten der Waffenruhe
Einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zufolge hatte Putin bei den Gesprächen in Minsk eine Kapitulation der ukrainischen Truppen in Debalzewo gefordert. Poroschenko habe dies abgelehnt. Merkel habe gedroht, die Verhandlungen abzubrechen. Angesichts gegenseitiger Drohungen der Konfliktparteien war unklar, wie lange die Waffenruhe halten würde. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in der Nacht, es sei für eine Beurteilung zu früh. „Wir können nur hoffen, dass die Konfliktparteien das notwendige Maß an Vernunft aufbringen, um dem Sterben ein Ende zu setzen.“
Rund 20 Minuten nach Inkrafttreten der Waffenruhe wurden nach Behördenangaben zwei Zivilisten bei einem Separatistenangriff getötet. Ein alter Mann und eine Frau seien beim Einschlag einer Grad-Rakete in dem Dorf Popasna in der Region Lugansk ums Leben gekommen, sagte der Regionalgouverneur Gennadij Moskal am Sonntag.
Danach war die Lage an wichtigen Orten im Konfliktgebiet am Sonntag zunächst ruhig. Im Gebiet Lugansk werde die Waffenruhe eingehalten, sagte der dortige Separatistenführer Igor Plotnizki. In der Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer würden die Regierungstruppen nicht mehr beschossen, teilte das Militär mit. In den 24 Stunden vor der Waffenruhe waren aber nach Angaben der Armee noch neun Soldaten getötet worden. Die Separatisten in Donezk sprachen zudem von drei Toten am Samstag.
Russland schickte nach Beginn der Feuerpause erneut einen umstrittenen Hilfskonvoi mit mehr als 170 Lastwagen und 1800 Tonnen Ladung in das Krisengebiet. An Bord der Fahrzeuge waren nach Angaben des Zivilschutzes auch Ärzte und Psychologen. Die Ukraine kritisiert Russlands Hilfskonvois als Verletzung ihrer Souveränität. Sie wirft dem Nachbarland vor, den Separatisten Nachschub wie etwa Waffen und Munition zu bringen. Russland weist dies zurück. (dpa)