Sachsen-Anhalt und der Fall Robert Möritz: Kenia-Koalition gerettet, Landes-CDU zerstritten
In der Möritz-Affäre haben sich die gemäßigten Kräfte in Sachsen-Anhalts CDU gerade so durchsetzen können. Der rechte Flügel aber macht weiter Druck.
Die CDU hatte ihn halten wollen. Am Ende zog der mutmaßliche Neonazi Robert Möritz selbst die Reißleine. Der CDU-Politiker, dessen Fall die Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt an den Abgrund geführt hatte, ist am Freitag aus der Partei ausgetreten. Das teilte Generalsekretär Sven Schulze am Freitag mit.
Möritz war wegen eines Neonazi-Tatoos, der Arbeit auf Neonazi-Demos und dem Hören von Neonazi-Musik in den Verdacht geraten, Neonazi zu sein. Seine Partei sah das anders.
In seiner Austrittserklärung teilte Möritz mit: „Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden und politische Diskussionen zu befrieden, möchte ich hiermit ein persönliches Zeichen setzen. Manchmal bedarf es der Besinnung auf die wahren Prioritäten im Leben.“ Er fühle sich den Werten der CDU aber zutiefst verbunden.
Mit Möritz’ Austritt scheint die sachsen-anhaltische Koalition sich in die Weihnachtsfeiertage retten zu können. Die SPD begrüßte am Freitag den Austritt. Landes-Vizechefin Katja Pähle erklärte, der Druck auf die CDU sei so groß geworden, dass Robert Möritz keinen Platz mehr für sich gesehen hätte.
Pähle sagte weiter: „Fatal ist, dass die CDU für eine solche politische Figur vor sechs Tagen noch die Koalition platzen lassen wollte.“ Sie hoffe, dass sich der Fall für die Partei als „heilsamer Schock“ erweise. Die CDU müsse sich darüber klar werden, „wie wichtig eine unmissverständliche Abgrenzung nach rechts ist“.
Grüne besorgt über Zustand der CDU
Die Grünen sind weiterhin besorgt um die Zukunft der Zusammenarbeit mit der CDU. Sebastian Striegel, Landesvorsitzender der Grünen, sagte dem Tagesspiegel: „Die internen Konflikte in der CDU sind damit nicht gelöst. Diejenigen in der CDU, die für einen anderen Kurs müssen lauter werden und sich denen entgegenstellen, die die Partei in Richtung AfD öffnen wollen.“ Er verwies darauf, dass die Grünen mit der CDU und der SPD eine Zusammenarbeit für fünf Jahre vereinbart hätten. „Wir Grünen sind darauf aber angewiesen, dass die CDU ihre internen Konflikte klärt.“
Fall Robert Möritz war eine Krise der CDU, nicht der Koalition
Immer klarer wurde in den vergangenen Tagen, dass es sich in Sachsen-Anhalt weniger um eine Krise der Koalition, als um vor allem um eine der Landes-CDU handelte. Der Landesvorsitzende Holger Stahlknecht und Ministerpräsident Rainer Haseloff mussten sich Versuchen rechtskonservativer Fraktionäre erwehren, die CDU in eine Minderheitsregierung zu treiben – unter Akzeptanz der AfD.
Der bemerkenswerte Tiefpunkt war am Montagabend erreicht: Ministerpräsident Haseloff (CDU) stieg in seinen Wagen und fuhr auf Drängen seiner Fraktion persönlich zum Dienstsitz der grünen Umweltministerin Claudia Dalbert. Dort soll er sie aufgefordert haben eine Pressemitteilung der Partei, die die Koalitionskrise mitausgelöst hatte, von ihrer privaten Facebook-Seite zu nehmen. So heißt es aus CDU-Kreisen.
CDU-Landeschef Stahlknecht ist der große Verlierer
Die Nerven in der Partei lagen blank. Durch Möritz’ Austritt hat das fragile Dreierbündnis eine weitere Krise vorerst überstanden. Wieder steht der Landesvorsitzende der CDU und Innenminister Holger Stahlknecht als einer der größten Verlierer da: Er hatte sich für eine Entschuldigung der Grünen eingesetzt, für Möritz stark gemacht.
Stahlknecht hatte schon nach der Entscheidung, den Polizeigewerkschafter Rainer Wendt als Staatssekretär zu benennen, scharfe Kritik einstecken müssen – auch aus der eigenen Partei. 2021 wollte er eigentlich auf Haseloff folgen.
Was die CDU umtreibt, besorgt die Sicherheitsbehörden schon länger: die Infiltrierung von Parteien, Sicherheitskräften, Behörden und Vereinen durch Menschen mit rechtsextremer Gesinnung. Schlagzeilen machte zuletzt auch der Rückzug des Präsidenten des Feuerwehrverbands, Hartmut Ziebs.
Er hatte vor einer Unterwanderung durch Rechtspopulisten gewarnt und war deswegen bedroht worden.
Schlagzeilen macht aktuell auch ein Beispiel aus Berlin: Der Rechtsanwalt Markus Roscher-Meinel trat schon mit verurteilten Volksverhetzern auf und unterstützte seit 2013 die AfD. Nun fand er eine neue politische Heimat: in der CDU Berlin, Kreisverband Mitte. Dort will man ihn aber schnell wieder loswerden und versuchen, die Mitgliedschaft zu widerrufen, teilte deren Sprecher mit.