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Ratlos? Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (links) und der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk in Kiew.
© dpa

Ukraine: Keine Zeit für Steinmeier

Der deutsche Außenminister hat in Kiew nicht nur Freunde. Präsident Turtschinow ließ ihn am Dienstag sogar zwei Stunden warten. Und auch der von der OSZE geplante Runde Tisch stößt auf Vorbehalte.

Wie unterschiedlich der Besuch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in der Ukraine bewertet wird, machen die jeweiligen Begrüßungsrituale an diesem Dienstag deutlich. Während Ministerpräsident Arseni Jazenjuk den Deutschen schon am Kiewer Flughafen Borispol empfing, ließ Interimspräsident Alexander Turtschinow den Gast aus Deutschland zwei Stunden warten, bevor er ihn begrüßte. Für Beobachter sagt das viel über die aktuelle Stimmungslage in der Ukraine aus: Vor der Präsidentschaftswahl am 25. Mai sind die alten Machtkämpfe wieder aufgeflammt.

Das Lager von Ministerpräsident Jazenjuk wünscht sich so viel Hilfe wie möglich von den USA und der EU, um die Krise im Land zu überwinden, die Gruppe um Präsident Turtschinow arbeitet hingegen vor allem daran, ihre Macht zu festigen. Alexander Turtschinow, der zusammen mit Innenminister Arsen Awakow, Verfassungsminister Myhailo Kowal und dem Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Andrej Parubiy, in den vergangenen zwei Monaten die Sicherheitslage des Landes maßgeblich bestimmt hat, will seinen Einfluss offenbar über den Wahlgang am 25. Mai hinaus retten. Wie es aussieht, ist diese Gruppe nur begrenzt bereit, mit Petro Poroschenko zusammenzuarbeiten, der in den Umfragen weit vorn liegt und voraussichtlich der nächste Präsident wird.

Turtschinow versucht nun, die Gouverneure der ostukrainischen Regionen Donezk und Dnipropetrowsk als Verbündete zu gewinnen. Während am morgigen Mittwoch der Runde Tisch in Kiew das erste Mal zusammenkommt, haben Julia Timoschenko, Präsidentschaftskandidatin und enge Verbündete Turtschinows, und der Donezker Gouverneur Sergej Taruta so ein Treffen auch in Donezk gefordert. Unterstützung erhalten sie von dem Oligarchen Rinat Achmetow.

In der Politik herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass es durchaus sinnvoll ist, die verschiedenen Interessengruppen an einem Tisch zu versammeln, um die Lage in der Ostukraine zu entspannen. Bei politischen Kommentatoren findet die Idee dagegen wenig Zustimmung. Der Politikwissenschaftler Pawel Schownirenko kritisierte in der „Ukrainiska Prawda“, dass es zu lange dauere, bis die Gespräche Ergebnisse brächten. Angesichts der Tatsache, dass sich die Menschen im Osten der Ukraine von Kiew massiv vernachlässigt fühlten, sieht er akuten Handlungsbedarf. In der Ukraine gebe es zudem derzeit keine Person, die im Westen wie im Osten des Landes als Vermittler anerkannt werde. Noch härter fällt das Urteil des Journalisten Vitali Portnikow aus, der vor einem „Dialog mit dem Saboteur“ warnt. Für Portinkow ist der russische Präsident Wladimir Putin die zentrale Figur in der aktuellen Krise. Die letzten Monate hätten gezeigt, dass Moskau keinerlei Dialog wolle. Durch Gespräche verliere die Ukraine nur Zeit. Putins Ziel sei die Zerstückelung der Ukraine, damit das Land sich nicht eigenständig entwickeln könne. Der frühere Gouverneur von Charkiw und Spitzenkandidat der früheren Regierungspartei, Michail Dobkin, sagte in einem Interview mit „Radio Liberty“ hingegen, ein Runder Tisch mache durchaus Sinn. Jedoch sei der jetzige Versuch zum Scheitern verurteilt, weil „Faschisten und Neo-Nazis mit am Tisch sitzen“.

Als der deutsche Außenminister am Dienstag in die südukrainische Stadt Odessa weiterflog, gab ihm Ministerpräsident Arseni Jazenjuk noch folgende Botschaft mit auf den Weg: „Der Schlüssel zur Stabilisierung in der Ostukraine liegt nicht in Kiew, sondern in Moskau.“

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